Mills Vorstellung von Glück

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Definition des Glücks durch John Stuart Mill: Glück (happiness) ist Lust/Freude/Vergnügen (pleasure) und das Fehlen/die Abwesenheit/das Freisein von Unlust/Leid/Schmerz (pain).

Unter Unglück (unhappiness) versteht Mill das Gegenteil.

In der von ihm vertretenen ethischen Theorie sind angenehme Empfindungen der Ursprung von Werten.

Glück wird allgemein angestrebt. Lust/Freude/Vergnügen/Angenehmes ist wünschenswert.

Mills Utilitarismus enthält ein universalistisches Prinzip. Das Wohl aller Individuen hat Gewicht. Maßstab des moralisch richtigen Handelns ist das Glück aller Betroffenen. Glück hält Mill für ein Gut und ein umfassendes konkretes Ganze. Glück hat verschiedenartige Bestandteile. Jeder einzelne Bestandteil ist um seiner selbst willen erstrebenswert.

Mill meint, in Wirklichkeit werde nichts anderes begehrt als Glück. Alles, was nicht als Mittel zu einem Zweck und letztlich als Mittel zum Glück begehrt wird, sei selbst ein Teil des Glücks und werde erst als solcher um seiner selbst willen begehrt.

John Stuart Mill, Der Utilitarismus. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Dieter Birnbacher. Durchgesehene Ausgabe. Stuttgart : Reclam, 1985 (Universal-Bibliothek ; Nr. 9821), S. 13:
„Die Auffassung, für die Nützlichkeit oder das Prinzip des größten Glucks die Grundlage der Moral ist, besagt, daß Handlungen insoweit und in dem Maß moralisch richtig sind, als sie die Tendenz haben, Glück zu befördern, und insoweit moralisch falsch, als sie die Tendenz haben, das Gegenteil von Glück zu bewirken. Unter ›Glück‹ [happiness] ist dabei Lust [pleasure] und das Freisein von Unlust [pain], unter ›Unglück‹ [unhappiness] Unlust und das Fehlen von Lust verstanden.“

Mill hält Glück für grundsätzlich erreichbar.

John Stuart Mill, Der Utilitarismus. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Dieter Birnbacher. Durchgesehene Ausgabe. Stuttgart : Reclam, 1985 (Universal-Bibliothek ; Nr. 9821), S. 23:
„Freilich: versteht man unter Glück das Fortdauern einer im höchsten Grade lustvollen Erregung, dann ist die Unerreichbarkeit von Glück nur zu offensichtlich. Der Zustand der Überschwenglichkeit hält höchstens einige Augenblicke, in einigen Fällen – mit Unterbrechungen – auch Stunde und tage an; er ist das gelegentliche helle Auflodern der Flamme, nicht die beständige und fortdauernde Glut. Darüber waren sich die Philosophen, die die Glückseligkeit zum Endzweck des Lebens erklärten, ebenso im klaren wie die, die ihren Spott über sie ergießen. Das Glück, das sie meinten, war nicht ein Leben überschwenglicher Verzückung, sondern einzelne Augenblicke des Überschwangs inmitten eines Daseins, das wenige und schnell vorübergehende Phasen der Unlust, viele und vielfältige Freuden enthält (mit einem deutlichen Übergewicht der aktiven über die passiven) und dessen Grundhaltung es ist, nicht mehr vom Leben zu erwarten, als es geben kann. Jedem, der ein so beschaffenes Leben führen durfte, erschien die Bezeichnung Glückseligkeit angemessen. Und auch heute noch ist es vielen vergönnt, ein solches Dasein während eines beträchtlichen Teils ihrer Lebensdauer zu erfahren. Allein die Erbärmlichkeit der gegenwärtigen Erziehung und die elenden gesellschaftlichen Verhältnisse verhindern, daß es für nahezu alle erreichbar wird.“

Mill wendet sich dagegen, die Begriffe Glück (happiness) und Zufriedenheit (content) zu vermengen. Wesen mit höheren Fähigkeiten seien nicht so leicht voll zufriedenzustellen und hätten stets das Gefühl, alles erwartbare Glück sei unvollkommen.

John Mill, Utilitarianism (1861), 2. Kapitel:
„It is better to be a human being dissatisfied than a pig satisfied; better to be Socrates dissatisfied than a fool satisfied.”

John Stuart Mill, Der Utilitarismus. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Dieter Birnbacher. Durchgesehene Ausgabe. Stuttgart : Reclam, 1985 (Universal-Bibliothek ; Nr. 9821), S. 18:
„Es ist besser ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr.“

Höherrangig als z. B. Essen und Sex (die auch Mill als angenehm anerkennt) ist nach Mills Meinung z. B. der Besuch eines schönen Konzerts, das Lesen eines guten Buches und die Anerkennung und innere Freude schöpferischer und sozialer Tätigkeiten.

Mill hat an Jeremy Bentham angeknüpft, aber mit einigen Änderungen. Er hat zusätzlich qualitative Unterschiede in den Utilitarismus eingeführt. Nicht nur quantitative Unterschiede (Ausmaß der Lust/Freude) können in der Beurteilung eine Rolle spielen, sondern qualitative Unterschiede (die Beschaffenheit), wobei bestimmte Arten von Lüsten/Freuden als höherrangig beurteilt werden. Neben körperlich-sinnlichen Lüsten/Freuden (die von ihm als angenehm anerkannt bleiben) nennt Mill Lust/Freude aus Tätigkeit des Verstandes, des Empfindens, der Vorstellungskraft/Phantasie und des moralischen Gefühls.


Albrecht  31.03.2014, 00:28

Ein wichtiger Gesichtspunkt ist, was gut urteilsfähige Menschen bevorzugen, als das ihren Fähigkeiten entsprechende Glück; geistige Genüsse haben für ihn einen hohen Rang. Menschen empfinden bei erfolgreicher Verwirklichung und Betätigung ihrer Fähigkeiten Glück. John Stuart Mill beurteilt bei der Lust/Freude diejenige von zweien für wünschenswerter und wertvoller, die von allen oder fast allen, die beide erfahren haben - ungeachtet des Gefühls, eine von beiden aus moralischen Gründen vorziehen zu müssen – entschieden bevorzugt wird. Wer aufgrund von Erfahrung die besten Vergleichsmöglichkeiten hat, entscheidet, indem er etwas bevorzugt, was wünschenswerter ist. Menschen heben sich nach Mill durch ihre Vernunftbegabung von anderen Lebewesen ab.

Seiner Meinung nach ist es, wenn eine von zwei Freuden so weit über andere gestellt wird, sie auch beim Wissen zu bevorzugen, daß sie größere Unzufriedenheit verursacht, und sie gegen noch so viele andere Freuden nicht eintauschen zu mögen, berechtigt, jener Freude eine höhere Qualität zuzuschreiben. Diese übertreffe die der Quantität so weit, daß diese im Vergleich dazu nur gering ins Gewicht falle. Es sei nun aber eine unbestreitbare Tatsache, daß diejenigen, die mit beiden gleichermaßen bekannt sind und für beide gleichermaßen empfänglich sind, der Lebensweise entschieden den Vorzug geben, an der auch die höheren Fähigkeiten beteiligt sind.

Bernd Gräfrath, John Stuart Mill. In: Großes Werklexikon der Philosophie. Herausgegeben von Franco Volpi. Band 2: L - Z, Anonyma und Sammlungen. Stuttgart : Kröner, 1999, S. 1041 (zu „Utilitarianism“):
„Zum einen bestimmt er das «Glück», das nach dem Nützlichkeitsprinzip maximiert werden soll, nicht rein hedonistisch, sondern berücksichtigt bei der Kalkulation neben der Quantität auch die Qualität einer Lustempfindung. Zum anderen glaubt er, Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit aus dem Prinzip des «größten Glück der größten Zahl» ableiten zu können. In beiden Fällen will M. unserer grundlegenden Überzeugung besser entsprechen als die Theorie Benthams. Hierdurch entstehen allerdings systematische Konsistenzprobleme. So gilt etwas die in den 50-er Jahren des 20. Jh. entwickelte Theorie des Regelutilitarismus, die sich auf M. beruft, heute als gescheitert, weil sich Gerechtigkeitsprinzipien nicht auf Nützlichkeitserwägungen reduzieren lassen und deshalb auch in Konflikt miteinander geraten können.“

M. = Mill

Dieter Birnbacher, Utilitarismus. In: Handbuch Ethik. 3., aktualisierte Auflage. Herausgegeben von Marcus Düwell, Christoph Hübenthal und Micha H. Werner. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2011, S. 98 – 99:
„John Stuart Mill, der von seinem Vater streng im Geist Benthams erzogen worden war, hat sich diesem Einfluss als Erwachsener ein Stück weit entzogen und die Radikalität der Bent’hamschen Utilitarismus abgemildert, zugleich aber auch dessen Konturen verunklart. Während Bentham das zu seiner Zeit vorherrschende Denken mit beißendem Spott geißelt, geht es Mill (ähnlich wie später Sidgwick und Hare) primär um den Aufweis von Kontinuitäten zwischen Utilitarismus und Alltagsmoral. Mill bemüht sich, die utilitaristische Ethik in einem Licht darzustellen, das sie unabhängig von jeder besonderen Weltanschauung und insbesondere auch für Anhänger christlicher Grundsätze akzeptabel macht. Die wichtigste Revision betrifft den Hedonismus. Während Bentham sinnliche und geistige Lust gleich gewichtet, führt Mill zusätzlich eine qualitative Wertdimension ein, die es erlauben soll, «höheren» Freuden auch dann einen höheren Rang zuzuordnen, wenn sie den «niederen» an Dauer und Intensität unterlegen sind. Angelehnt an Platons Staat wird das Qualitätsurteil denjenigen überlassen, die über hinreichend vielfältige Erfahrungen verfügen, um die Qualitäten verschiedener Arten von Lust miteinander vergleichen zu können.“

eine ausführliche Darstellung von Mills Ethik enthält:

Peter Rinderle, John Stuart Mill. Originalausgabe. München : Beck, 2000 (Beck'sche Reihe : Denker ; 557), S. 62 – 86 (III. Lust und Lebenskunst)

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