Mehr Stress, mehr Verantwortung, mehr Gehalt oder lieber weniger Stress, weniger Verantwortung, weniger Geld?
Hallo,
Ich bin momentan in einer Zwickmühle und würde gerne paar Meinungen hören, auch wenn das wohl immer eine sehr persönliche Entscheidung ist.
Folgende Situation: Ich bin momentan um die 30 Jahre alt und arbeite seit meinem 19 Lebensjahr (ohne Ausbildung) im Lebensmitteleinzelhandel und hab mich vom normalen Verkäufer bis zum Filialleiter hinaufgearbeitet und verdiene OK. Habe eine Frau und 2 Kinder (7 und ein Neugeborenes). Nun ist es im Einzelhandel bedingt durch Corona aber auch so einfach nur mehr extrem stressig und belastend (psychisch als auch körperlich) geworden und das obwohl ich bei mir in der Filiale ein einigermaßen gutes Team aufgebaut habe und meine Arbeit eigentlich sehr gut mache. Wobei wir auch chronisch unterbesetzt sind, eigentlich nie wirklich genug Personal zur Verfügung haben und ich dadurch auch durchschnittlich locker 48 Stunden die Woche arbeite. Noch dazu ist die Personalverantwortung fast das schlimmste an diesem Job ist. Die Arbeit ist also einfach nur mehr sehr auslaugend geworden und ich gehe fast nur mehr mit Magenschmerzen in die Arbeit, weil mich jeden Tag ein anderer Scheiß erwartet.
Nun hätte ich momentan die Chance in einen ganz anderen Job zu wechseln, nämlich in den Fahrdienst bei den öffentlichen Verkehrsmitteln, was auch schon immer ein kleiner Kindheitstraum gewesen ist. Ich hätte dort dann weitaus weniger Stress, keine Personalverantwortung, mehr Freizeit, nur freiwillige Überstunden aber auch natürlich weniger Gehalt. Selbstverständlich gibt es auch bei dem Job negative Seiten wie Schichtarbeit, usw....
Nachdem ich meinem Vorgesetzten davon erzählt habe möglicherweise zu gehen hat der mich nun noch eher in eine Zwickmühle gebracht, da er mir nun eine maximale Gehaltserhöhung geben möchte, damit ich in der Firma bleibe.
Konkret spreche ich dann von einem Netto Gehalt von 2550€ als Filialleiter vs. ca. 2000€ als Fahrer bei den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Meine Frau ist natürlich jetzt nicht begeistert dass ich so eine relativ gut bezahlte Stelle aufgeben würde, vorallem in der heutigen Zeit wo alles teurer wird, wir ein kleines Baby zuhause haben und sie selbst natürlich momentan in karenz ist und auch nur Kinderbetreuungsgeld bekommt. Ich habe aber eben das Gefühl dass ich mich auf Dauer damit kaputt mache und es in Zukunft noch schlimmer wird.
Nun ist also die Frage: Soll ich mich für die Familie und das bessere Gehalt sozusagen "opfern" und den Stress in Kauf nehmen oder soll ich lieber auf mein Gefühl hören und die weniger stressige Arbeit aber das kleinere Gehalt wählen.
Bin gespannt was ihr drüber denkt.
12 Antworten
Eine Arbeit mit weniger Stress ist natürlich auf die Dauer gesünder und familienfreundlicher.
Du könntest deinen jetzigen Chef bitten, dass er eine Hilfe (Bürokraft, mit Personalerfahrung) zur Seite stellt. Nur so kannst du die ganze Arbeit bewältigen. Vielleicht könnte es auch Vertretung für dich geben, die auch erst eingearbeitet werden muss, du möchtest ja auch mal in Urlaub fahren.
Du hast ja so viel aufgebaut, du möchtest das Team nicht verlassen, wie ich raus gehört habe.
In meiner Filiale hab ich meine Personalkosten leider schon komplett ausgereizt (hab auch einige langjährige Mitarbeiter). Das einzige Personal was ich mir dieses Jahr noch leisten kann ist ein geförderter Lehrling, also auch keine besondere Hilfe, sondern eher noch jemand den man ausbilden muss und der Führung braucht.
Einen Stellvertreter und Tagesvertreter hab ich natürlich, aber auch der hat mehr als genug zu tun und kann mir nicht alle Aufgaben abnehmen.
Es wird im Einzelhandel nicht besser werden. Die Arbeitsbedingungen sind nicht gut und viele sind irgendwann kaputt. Meine Mutter wird es definitiv nicht bis 67 schaffen. Bei ihr ist Ü50 keiner mehr frisch, die haben alle Rücken.
Ich würde wechseln. Deine Frau geht spätestens in 3 Jahren auch wieder arbeiten, selbst wenn es nur stundenweise ist.
Bei 48 Stunden siehst du deine Kinder auch kaum!
Danke für deine Meinung!
So sehe ich das mit dem Einzelhandel auch. Viele Mitarbeiter machen sich kaputt und ich kenne sehr viele persönlich die wirklich körperlich leiden und einige die auch schon einen Burnout hinter sich hatten.
Ich glaube auch selber nicht dass ich diesen Beruf (vorallem in dieser Position) bis zur Pension (falls es die überhaupt noch gibt bis ich dran bin) aushalten werde.
Das alte Problem:
Eltern sind die willigsten Arbeitnehmer, weil die einfach auf das Geld angewiesen sind.
An dieser Stelle könnte ich Dir schon einen Rat geben, will das aber ganz bewusst nicht tun, denn letztlich musst Du damit leben - mit den positiven wie den negativen Effekten. Aber: Bilde Dir nicht ein, dass das Leben im Fahrdienst stressfreier sei, denn ständig dem Fahrplan hinterher zu hecheln, rücksichtlose Verkehrsteilnehmer und Fahrgäste, Disponenten mit moralischem Druck (soviel für Freiwilligkeit der Überstunden) etc. pp. sind auch nicht ohne. Damit will ich Dir nicht abraten, sondern lediglich aufzeigen, dass kein Beruf nur Sonnenseiten hat und man den Schatten oft nur nicht sofort sieht.
Ich wiederhole ganz bewusst: An dieser Stelle könnte ich Dir schon einen Rat geben, will das aber ganz bewusst nicht tun, denn letztlich musst Du damit leben.
War bei mir ähnlich, aber zu diesem Zeitpunkt noch ohne Kind. Gehe jetzt freitags Mittag nach Hause, habe Gleitzeit und arbeite in der Industrie - so wie mein Abschluss es auch vorsieht, bin dafür aber von netto 4600 auf Netto 3500 zzgl Auto gegangen. Natürlich noch immer Top Gehalt, aber es war immerhin ein Einschnitt um über 1000€.
Hab es aber nie bereut und speziell massiver Stress ist einfach ungesund, vor allem wird es mit einem Baby daheim (habe ebenfalls eines unter 1 Jahr) ja nicht weniger stressig.
Danke für deine Meinung.
Ich bin auch voll bei dir, dass es in jedem Job Stressfaktoren und schlechte Seiten gibt, will ich auch gar nicht ausblenden.
Aus meiner Momentanen Sicht hört sich nur ehrlich gesagt alles besser und leichter an als in meinem jetzigen Beruf. Ich muss dazu sagen dass mein Bruder ebenfalls als Fahrer und Fahrlehrer tätig ist und ich deswegen auch einen kleinen Einblick in den Fahrdienst und den Alltag als solchen in dem Unternehmen habe.