Maria Stuart als schöne Seele?

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Sie ist eine schöne Seele, die zu einer erhabenen wird, oder sie ist gegen Ende beides, was auch Schillers Ideal ist, deren Verbindung. Man könnte aber auch sagen, am Schluss ist sie keine schöne, sondern nur noch eine erhabene Seele, da sie ihre subjektiven Gefühle, Triebe und 'Mängel' ganz überwindet, sich willig dem Tod hingibt und sich dem moralischen Gesetz ganz unterwirft.  

'Schön' ist ihre Seele davor, da sie ein Gleichgewicht hält zwischen dem moralisch Guten und der eigenen subjektiven Endlichkeit, d. h. ihren sinnlichen Neigungen, Gefühlen. Da gibt es viele Stellen, die das alles belegen. Aber solange sie nur schön ist, ist sie eben fehlbar, das hat sie in ihre Lage gebracht. Oder erst in Gefangenschaft wird sie 'schön', davor war sie eher noch zu sehr ihrer Leidenschaft ausgesetzt. 

'Schön' heißt jedenfalls, dass sie zugleich moralisch gut denkt und handelt und aber zugleich nicht erhaben, sondern gefühlsmäßig involviert bleibt, empfindsam bleibt, nie ganz hart  mit der moralischen Pflicht übereinstimmt aber dennoch in der Nähe bleibt, d. h. beides zugleich behält: ihre Neigungen, die Weltlichkeit, Sinnlichkeit, und die Nähe zum Gesetz, zum Guten, zur Vernunft. Beides in Harmonie und im Gleichgewicht, sodass die Triebe und Gefühle, das Sinnliche, das Leben, nicht unterdrückt und aufgeopfert sind - wie am Ende - , sondern nur sanft gebändigt und angepasst sind an die moralische 'Form', an das Gute: das ergibt für Schiller das Schöne: Die Harmonie zwischen Endlichem, Sinnlichem und moralisch Idealem, Vernünftigem; das Gleichgewicht zwischen Sinnlichkeit und Geist, Materie und Form.


mentorX  14.06.2017, 19:08

Diese Harmonie und Synthese ist außerdem selbst als "Neigung zur Pflicht" möglich, die quasi sinnliche, d. h. emotionale Lust, das Gute zu tun. Das Erhabene würde, auch für Kant, bedeuten, jegliche Neigung zu überwinden und gleichgültig gegen die Lust zu sein, und aus reiner Kraft des Geistes das moralisch Gute zu tun. 

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daFreac 
Beitragsersteller
 14.06.2017, 19:33
@mentorX

Ich danke für die aufschlussreiche Erklärung :) gibt den Stern

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mentorX  15.06.2017, 00:48
@daFreac

Also Vorsicht, schöne Seele ist nicht gleich die moralische handelnde. Denn erstens sind Handlungen und ihr Erfolg (seit Luther) nicht das Ausschlaggebende, sondern "allein ein guter Wille" (Kant) ist wesentlich, die Seele, d. h. die innere Motivation, der innere Grund der Handlung, und wie er erscheint. So auch bei Schiller. 

Zweitens wäre eine moralische Handlung aus Pflichtbewusstsein eben eine erhabene und keine schöne Handlung. Schön ist sie aus Neigung, bzw. wenn sie, wie gesagt, vermischt ist mit persönlichem Gefühl, bzw. wenn man noch unterscheiden kann zwischen dem sinnlichen Menschen und dem moralischen Gebot, oder wenn es noch keine Kraft erfordert, keine Gewalt, sondern instinktiv, natürlich, frei wirkt. Das geht eben vor allem im Alltag, aber in brenzlichen Situationen nicht mehr. Die Gewaltfreiheit ist für die schöne Seele das Wesentliche, sie harmonisiert mit dem Gesetz, geht aber nicht ganz in ihm auf, hat noch eigene Freiheit (Anmut). Während die erhabene Seele (Würde) die persönliche Freiheit der Neigung mit Gewalt aufgibt, um dem Moralgesetz ganz zu gehorchen, sobald es so viel verlangt, dass das persönliche, sinnliche Glück geopfert werden muss, wenn man sich z. B. für das Allgemeinwohl opfert, oder um nicht selbst strafbar zu werden usw.

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