Lukas 6, 39 - 42 Deutung der Gleichnisse

7 Antworten

Kann auch ein Blinder einem Blinden den Weg weisen?

Natürlich kann ein Blinder einen anderen erfolgreich führen. Sogar durch unbekanntes Gebiet.

http://m.focus.de/gesundheit/ratgeber/hoeren/menschliche-fledermaeuse-wenn-blinde-mit-den-ohren-sehen_id_3752796.html

Die Autoren des Gleichnisses konnten sich dies damals nur einfach noch nicht vorstellen!


Skeletor  24.01.2015, 22:19
also ist das erst im 20.Jh. möglich geworden.

Möglich war es wohl immer schon. Auch vor 2000 Jahren beherrschen es die Leute mit der Zunge zu schnalzen. Nur jetzt erst wurde es publiziert. Ob eine ähnliche Technik bereits früher von einem Blinden entdeckt und verwendet wurde, ohne dass dies große öffentliche Beachtung erfahren hätte, wissen wir nicht.

Abgesehen davon war es auch vor 2000 Jahren schon einem Blinden möglich einen anderen zu führen, wenn einer von den beiden einen Weg "gelernt" hatte, den der andere nicht kannte.

Mal ganz abgesehen davon, dass ein Blinder natürlich auch der Chef eines anderen Blinden sein kann und ihn auf diese Art und Weise (disziplinarisch) "führen" kann.

In der Praxis reicht es aus, die in Frage kommenden Sprachen (z.B. das Altgriechisch des NTs und das heute gesprochene Deutsch) zu berücksichtigen

Es kommt wohl immer darauf an welchen Zweck man verfolgt!

Die altgriechischen Zitate waren auch nur Übersetzungen, womit Altgriechisch alleine eben nicht ausreicht.

Es wäre also mehr als anmaßend zu sagen: "Ich spreche altgriechisch und weiß daher exakt, was in dem Kopf des Aramäers vorgegangen ist der dieses oder jenes Zitat gesprochen hat, welches dann ein paar Jahrzehnte später von einem Autor ins altgriechische übersetzt und niedergeschrieben wurde, nachdem ihm aus zweiter oder dritter Hand davon berichtet wurde".

Mal davon abgesehen, dass es sicherlich nicht schaden kann altgriechisch zu beherrschen, ist diese Art der Herangehensweise an einen Text eine höchst theoretische. Für Klugscheißerei unter Theologen mag sie gut geeignet seien, am Laien und der breiten Masse geht sie weit vorbei.

Die gelebte Praxis sieht doch so aus, dass die jeweilige Sprache des jeweiligen Sprechers und deren jeweilige Übersetzung verwendet wird. Die Interpretation der Worte wird dabei im Allgemeinen der sprachlichen Begabung des Zuhörers überlassen, welche wiederum durch den sehr wandelbareren Sprachbegriff gekennzeichnet ist.

Und dies geschieht nicht nur bei Laien im Selbst- und Gruppenstudium, sondern überwiegend auch seitens der Theologen gegenüber der Masse. Der historische Wandel von Wortbedeutungen mit der Zeit, zwangsweise Ungenauigkeiten und Verluste, die sich beim Übersetzen ergeben, sind nur äußerst selten Thema beim zitieren von Bibelzitaten.

Um also zu verstehen und diskutieren zu können, welche Vorstellungen, Gefühle und Emotionen durch ein Zitat vom Zitierenden beim Zuhörenden geweckt werden sollen, muss man nur eine einzige Sprache sprechen: die des Zuhörenden.

Alles andere ist Fachsimpelei, die am Zuhörenden vorbeidiskutiert.

dass du nicht berücksichtig hast, dass es in Lk 6,39 um ein "Gleichnis" geht.

Das ist an dieser auch Stelle absolut irrelevant!

Bei dem Gleichnis ging es nicht um eine anekdotische Geschichte von einem speziellen (hypothetischen) Blinden der einen Anderen führt, und dabei in ein (hypothetisches) Loch fällt, sondern es wurde eine allgemeine, generalisierende Aussage gemacht, auf welcher dann weitergearbeitet wurde. Dabei stellte sich dann die generalisierende Grundaussage als fehlerhaft heraus.

Dies muss nicht gleich heißen, dass dadurch die gesamte Kernaussage des Gleichnisses zwangsweise in sich zusammen fällt (...dies wäre gesondert zu diskutieren).

Es kann auch einfach nur bedeuten, dass der Gleichniserzähler keine Ahnung von den potentiellen und tatsächlichen Möglich- und Fähigkeiten eines blinden Menschen hat, oder dass er statt Fakten lieber Vorurteile verbreitet.

0
helmutwk  25.01.2015, 14:14
@Skeletor
Möglich war es wohl immer schon.

Was du sagst, läuft darauf hinaus, dass das Bild nicht ganz passend ist. immerhin ist es insofern passend, als die meisten Zuhörer sofort verstehen, was gemeint ist.

Mir scheint, du hast bei diesem Punkt genau die Haltung, die du mir vorwirfst ;)

Die altgriechischen Zitate waren auch nur Übersetzungen, womit Altgriechisch alleine eben nicht ausreicht.

Wir haben aber keinen Originaltext auf Aramäisch bzw. evtl. Hebräisch. Rückübersetzungen vom Altgriechischen ins Aramäische können auch hilfreich sein, sind aber immer etwas spekulativ. Wenn so was benutzt wird, um den Schreibern der Evangelien Fehlübersetzungen vorzuwerfen, ist größte Vorsicht angesagt, meist wird auf die Art nur das in den Text hineinprojiziert, was der Ausleger darin haben möchte.

Mal davon abgesehen, dass es sicherlich nicht schaden kann altgriechisch zu beherrschen, ist diese Art der Herangehensweise an einen Text eine höchst theoretische. Für Klugscheißerei unter Theologen mag sie gut geeignet seien, am Laien und der breiten Masse geht sie weit vorbei.

Kommt darauf an. Wenn Laien den Text eindeutig falsch verstehen, ist Korrektur angebracht. Erst recht, wenn es jemand anscheinend falsch verstehen möchte, um danach die Bibel ablehnen zu können.

Der historische Wandel von Wortbedeutungen mit der Zeit, zwangsweise Ungenauigkeiten und Verluste, die sich beim Übersetzen ergeben, sind nur äußerst selten Thema beim zitieren von Bibelzitaten.

Meistens halten sie sich ja auch im Rahmen. Der Laienprediger, der im 19. Jh. nicht wusste, dass "Farren" ein Rindvieh bezeichnet, und dann in der Bibel las, dass ein "Pfarrer" als Brandopfer dargebracht wurde, wär heute nicht mehr möglich, weil die Lutherbibel inzwischen revidiert wurde und in Lu84 kein Farren mehr vorkommt. Allerdings ist Luther 1912 (in der Farren noch vorkommt) im Netz relativ weit verbreitet, weil neuere Versionen noch unter Urheberschutz fallen.

OK, GF-User haben meist noch so viel Rechtschreibkenntnisse, dass der oben erwähnte Fehler nicht auftaucht, aber Lu12 hat nun mal viele Fallen, auf die hingewiesen werden sollte, wenn jemand da reinfällt. Modernere Übersetzungen naturgemäß weniger (außer tendenzielle wie die NWÜ).

Und da beim Verweis auf neuere Versionen (insbesondere sinngetreue Übersetzungen wie GNB) oft reflexartig der Vorwurf kommt, solche Änderungen wären reine Willkür, sag ich meistens direkt, wie das begründet ist.

Um also zu verstehen und diskutieren zu können, welche Vorstellungen, Gefühle und Emotionen durch ein Zitat vom Zitierenden beim Zuhörenden geweckt werden sollen, muss man nur eine einzige Sprache sprechen: die des Zuhörenden.

Nur um zu diskutieren, ob der Zuhörer den Text richtig verstanden hat oder nicht, reicht das oft nicht aus.

0
Skeletor  24.01.2015, 15:29

Interessant, Helmut, dass du dich in die Diskussion mit einschaltest. Ich bleibe jedoch bei meiner ursprünglichen Aussage: Ein Blinder ist sehr wohl in der Lage einen Blinden zu führen!

Dabei ist es sogar unerheblich, ob dieser nun tatsächlich, oder "nicht im wortwörtlichen Sinne" blind ist.

Nebenbei bemerkt ist das ganze Leben riskant! - Und ich für meinen Teil riskiere es, hier anderer Meinung zu sein:

Natürlich wäre es immens hilfreich, alle 7106 auf der Erde gesprochenen Sprachen zu beherrschen (http://www.ethnologue.com). Faktisch ist dies jedoch nicht möglich.

Ein darauf basierendes Denkverbot ist aber höchst unpraktikabel und lebensfremd!

Sprache ist zudem etwas lebendes, sich ständig veränderndes! Die absolut gleichen Worte in der gleichen Sprache können zu einem anderen Zeitpunkt etwas völlig anderes bedeuten.

Es reicht daher absolut nicht aus, lediglich dieselbe Sprache zu sprechen in der ein Text verfasst ist, um seine ursprüngliche Wirkung auf einen der damaligen Zuhörer vollumfänglich entschlüsseln und verstehen zu können!

Wenn man also ein Zitat diskutiert, diskutiert man dies auf Basis seiner derzeitigen, aktuellen Verwendung und wie es von heutigen Zuhörern aufgenommen verstanden, verwendet und interpretiert wird!

Der Verweis auf die mangelnde Fremdsprachenkenntnis ist lediglich der klägliche Versuch des Mundtot-Machen's eines Diskussionspartners.

0
helmutwk  24.01.2015, 16:21
@Skeletor

Ein Blinder ist sehr wohl in der Lage einen Blinden zu führen!

Ja, du hattest dazu einen Beleg verlinkt. Nur steht da auch, dass derjenige ein Pionier auf dem Gebiet war, also ist das erst im 20.Jh. möglich geworden.

Dabei ist es sogar unerheblich, ob dieser nun tatsächlich, oder "nicht im wortwörtlichen Sinne" blind ist.

Also wie die in deinem Link beschriebene "Fledermaus"-Technik auf Blindheit im übertragenen Sinn angewandt werden kann, ist mir schleierhaft.

Natürlich wäre es immens hilfreich, alle 7106 auf der Erde gesprochenen Sprachen zu beherrschen (http://www.ethnologue.com). Faktisch ist dies jedoch nicht möglich.

Ein darauf basierendes Denkverbot ist aber höchst unpraktikabel und lebensfremd!

Keine Ahnung, worauf du dich beziehst. In der Praxis reicht es aus, die in Frage kommenden Sprachen (z.B. das Altgriechisch des NTs und das heute gesprochene Deutsch) zu berücksichtigen. Ich wüsste jedenfalls nicht, dass ich irgendwo universale Sprachenkenntnisse gefordert hätte (zumal das Ethnologue auch ausgestorbene Sprachen verzeichnet, die nur sehr unvollständig bekannt sind, wenn ich mich nicht irre).

In dem Kommentar, mit dem ich mich "eingemischt" habe, ging es jedenfalls überhaupt nicht um Sprachenkenntisse, sondern schlicht darum dass du nicht berücksichtig hast, dass es in Lk 6,39 um ein "Gleichnis" geht.

Es reicht daher absolut nicht aus, lediglich dieselbe Sprache zu sprechen in der ein Text verfasst ist, um seine ursprüngliche Wirkung auf einen der damaligen Zuhörer vollumfänglich entschlüsseln und verstehen zu können!

Was müsste deiner Meinung nach noch dazu kommen?

0
Skeletor  23.01.2015, 22:35
Unter Blind versteht die Bibel nicht unbedingt einen wortwörtlich Blinden

Schade. Das relativiert doch irgendwie das Wunder der Blindenheilung.

0
helmutwk  24.01.2015, 09:59
@Skeletor
Das relativiert doch irgendwie das Wunder der Blindenheilung.

Nur für Leute, die noch nicht verstanden haben, dass die Bedeutung eines Textes auch vom Kontext abhängt. Wenn du einen Text in einen anderen Kontext stellst, verändert sich auch sein Sinn, und wenn diese Veränderung nicht vernachlässigt werden kann, wurde das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen. Nebenbei bemerkt: deshalb ist es immer riskant, ein Zitat zu übernehmen, ohne es im Original zu lesen, denn wenn der Punkt, auf den es mit ankommt, für den ersten Zitator unerheblich war, ist der möglicherweise im Ursprünglichen Kontext nicht vorhanden.

Zurück zum Thema: Eine nicht wörtlich gemeinte Rede (dass sie nicht wörtlich zu verstehen ist, wird in Lk 6,39 ausdrücklich gesagt) kann ja kaum dazu benutzt werden, um den wörtlichen Sinn eines Wunderberichts auszuhebeln.

0
Scriptorium  19.01.2015, 22:48

Unter Blind versteht die Bibel nicht unbedingt einen wortwörtlich Blinden, sondern oft kommt es als Bild für Menschen die in "Finsternis" des Irrtums wandeln - zumeist Marketingexperten, Fernsehstars und Bild-Leser. Der tatsächlich Blinde Jorge Luis Borges den Umberto Eco als Charakter für seinen Roman "Der Name der Rose" wählte, hatte als Dichter ein sehendes Inneres Auge.

2

zu Lk 6,41...

"Wie man das Gewicht seines eigenen Körpers trägt, ohne es, wie doch das jedes fremden, den man bewegen will, zu fühlen; so bemerkt man nicht die eigenen Fehler und Laster, sondern nur die der andern."

Arthur Schopenhauer

Nicht nur Pharisäer, jeder Mensch neigt dazu im andern seine Verfehlungen zu sehen ohne zu bemerken, daß er selbst unbewußt kaum anders handelt. Am besten konnte man diesen Spiegelungseffekt beobachten, als Google und Microsoft sich gegenseitig der Spionage verdächtigten. Übrigens kann man beobachten, daß dem Unschuldigen das sich Beschweren und das Richten nicht zu liegen scheint.


Scriptorium  19.01.2015, 11:04

Mt 15,14-20 Hier deutet Jesus den Jüngern das Gleichnis von den Blinden selbst.

"The fact of the matter is, we don't see things as they are, we see things as we are."

Mt 15,18 Was aber aus dem Mund herausgeht, kommt aus dem Herzen hervor, und das verunreinigt den Menschen.

Und wie es in unseren Herzen selbst aussieht, so sehen wir die Dinge. "In seinem Herzen sprechen" deutet in der Bibel die (heimlichen) Gedanken und Wünsche an. In wessen Herz selbstsüchtige Wünsche wohnen, sieht und deutet alles nur zu seinem eigenen Vorteil und schreibt gern anderen das Böse zu ohne zu merken, wie er selbst genau dieses Böse damit gebiert.

0

Wir haben mehrere Bilder:

Lk 6,39 »Kein Blinder kann einen Blinden führen, sonst fallen beide in die Grube.

Wer nicht Bescheid weiß, sollte nicht versuchen, andere zu führen. Gedacht ist vor allem an geistliche Ratschläge: was ist der Wille Gottes, wie werde ich gerettet etc.

Lk 6,40 Kein Schüler steht über seinem Lehrer. Und wenn er ausgelernt hat, soll er wie sein Lehrer sein.

Wir werden niemals mehr über Gott wissen können als Jesus.

Lk 6, 41 Warum kümmerst du dich um den Splitter im Auge deines Bruders oder deiner Schwester und bemerkst nicht den Balken in deinem eigenen? 42 Wie kannst du zu deinem Bruder oder deiner Schwester sagen: ›Komm her, Bruder; komm her, Schwester; ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen‹, und merkst gar nicht, dass du selbst einen ganzen Balken im Auge hast? Scheinheilig bist du! Zieh doch erst den Balken aus deinem eigenen Auge, dann kannst du dich um den Splitter in einem anderen Auge kümmern!«

Die Fehler, die wir bei anderen sehen, sind oft unsere eigenen. Wir sollen erst mal versuchen, mit Gott ins Reine zu kommen, bevor wir versuchen, andere zu bessern.

warum über andere lästern wenn man selbst mehr Dreck am Stecken hat

Um zu betonen, wie gefährlich es war, die überkritischen Pharisäer nachzuahmen, führte Jesus zwei Beispiele an:

„Kann wohl ein Blinder einen Blinden leiten? Werden nicht beide in eine Grube stürzen?
Ein Schüler steht nicht über seinem Lehrer, doch jeder, der vollkommen unterwiesen ist, wird wie sein Lehrer sein“ (Luk. 6:39, 40).

Es wäre lächerlich, wenn ein buchstäblich Blinder einen anderen Blinden in einem unbekannten Gebiet führen wollte. Gäbe es auf dem Weg eine Grube, so würden sie sicherlich beide hineinfallen.

Wenn es darum ging, ihren Nächsten zu richten, so waren die religiösen Führer der Juden bildlich gesprochen „blind“. (Vergleiche Matthäus 15:14; 23:16, 24.)

Sie ließen die guten Eigenschaften der bescheidenen einfachen Leute bewußt außer acht. Die Pharisäer riefen einmal aus: „Diese Volksmenge . . ., die das ,Gesetz‘ nicht kennt, verfluchte Leute sind sie“ (Joh. 7:49).

Jeder, der eine solche verurteilende Haltung nachahmt, begibt sich auf einen gefährlichen Weg.

So, wie „ein Schüler“, der das Denkmuster seines Lehrers annimmt, „wie sein Lehrer“ wird, wurden auch alle, die die Pharisäer nachahmten, ihnen gleich: Sie verloren Gottes Gunst und liefen Gefahr, ihr Leben zu verlieren.

Daher sagte Jesus bei einer anderen Gelegenheit: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler, weil ihr das Königreich der Himmel vor den Menschen verschließt! Denn ihr selbst geht nicht hinein, noch erlaubt ihr, daß die hineingehen, die sich auf dem Weg dorthin befinden. Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler, weil ihr das Meer und das trockene Land durchreist, um einen einzigen Proselyten zu machen, und wenn er es wird, macht ihr ihn zu einem Gegenstand für die Gehenna [ewige Vernichtung], doppelt so schlimm wie ihr selbst“ (Matth. 23:13-15).

Wie töricht es ist, überkritisch zu sein, zeigte Jesus durch folgende Fragen:

„Warum schaust du also auf den Strohhalm im Auge deines Bruders, beachtest aber nicht den Balken in deinem eigenen Auge?

Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ,Erlaube mir, den Strohhalm aus deinem Auge zu ziehen‘, wenn, siehe! ein Balken in deinem eigenen Auge ist?“ (Matth. 7:3, 4; vergleiche Lukas 6:41, 42a).

Jesus sprach nicht lediglich von Personen, die auf die Mängel anderer achten, während sie selbst noch größere aufzuweisen haben, was eine allgemeine menschliche Schwäche ist.

Er sprach vielmehr von jemandem, der im „Auge“ seines Bruders einen geringfügigen Mangel entdeckt. Dieser Kritiker würde behaupten, sein Bruder habe ein schlechtes Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen.

Selbst wenn es sich nur um einen geringfügigen Fehler gleich einem „Strohhalm“, einem Holzsplitter oder einem Staubkorn handelte, würde der Kritisierende eine große Sache daraus machen und sich in heuchlerischer Weise anbieten, ‘den Strohhalm herauszuziehen’, das heißt dem Betreffenden zu helfen, die Dinge deutlicher zu sehen und annehmbarere Urteile zu fällen.

Die religiösen Führer der Juden waren besonders geneigt, das Urteil anderer zu kritisieren.

Als zum Beispiel ein Mann, den Jesus von einer angeborenen Blindheit geheilt hatte, erklärte, Jesus müsse von Gott gekommen sein, erwiderten die Pharisäer: „Du bist ganz und gar in Sünden geboren worden, und dennoch lehrst du uns?“ (Joh. 9:34).

Wenn es aber auf ein klares geistiges Seh- und Urteilsvermögen ankam, hatten die Pharisäer gleichsam „einen Balken“ in ihrem Auge. Sie waren völlig blind.

Deshalb sagte Jesus: „Heuchler! Ziehe zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge, und dann wirst du klar sehen, wie du den Strohhalm aus deines Bruders Auge ziehen kannst“ (Matth. 7:5; Luk. 6:42b).


Quelle:
* w79 15. 1. S. 30 Die Bergpredigt — „Hört auf zu richten*