Künstliche Schwerkraft durch Rotation,Fliehkraft im Weltraum?

12 Antworten

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Hallo fjf100,

Wenn man sich fragt "wieso eigentlich machen die das nicht??" hilft einem erstaunlich oft die Physik und die Mathematik bei der Antwort weiter.

Richtig ist natürlich, dass man mit Hilfe von Rotation über die Fliehkräfte eine künstliche Schwerkraft erzeugen kann. Manchmal wird das auch als "Rotogravitation" bezeichnet. Am besten geht das natürlich, wenn das fragliche Raumschiff die Form eines rotierenden Zylinders oder auch Torus ("Ring") hat, weil die Astronauten dann schön die Außenwand als "Boden" empfinden.

Allerdings ist es halt so, dass "irgendwie rotieren" unsere Astronauten nicht wirklich glücklich machen wird. Wir wollen schließlich künstliche Schwerkraft erzeugen - und nicht Übelkeit.

Auch wollen wir nicht, dass die Astronauten allzu starke Gezeitenkräfte spüren: Die Astronauten sind, wenn sie auf der Außenseite stehen, mit ihrem Kopf immerhin fast 2 Meter näher an der Rotationsachse und damit in einem Abstand, in dem die so erzeugte Schwerkraft eine andere ist.

Kurz: Damit die Astronauten die Drehbewegung auch nicht spüren, darf das Raumschiff nicht zu schnell rotieren. Wir brauchen ein Raumschiff, das wenigstens ein paar Minuten für eine Umdrehung um die eigene Achse braucht. Sonst wird es den Astronauten übel und sie sind schlechter dran als vorher...

Und wenn Du das aber jetzt durchrechnest (Schwerkraft = Fliehraft, etc.) und Du eine als natürlich empfunde Schwerebeschleunigung von 1 g erzeugen möchtest, dann muss Dein Zylinder (oder Dein Ring, oder halt Dein Raumschiff, auf dessen Außenwand die künstliche Schwerkraft durch die Rotation entsteht) einen Durchmesser von nicht unter 6 km haben.

Was Du da also zum Bau vorschlägst, das ist ein Raumschiff mit mindestens 6 km Durchmesser. Zum Vergleich: Die ISS ist hat eine Gesamtgröße von nur 110 m × 100 m × 30 m.

Und ich denke, jetzt wird es klar, warum man das nicht macht: Wenn Du in einer Raumstation der Größe der ISS durch Rotation an den Außenwänden 1 g erzeugen willst, musst Du unverhältnismäßig schnell rotieren. Du kriegst starke Gezeitenkräfte und Deinen Astronauten wird kotzübel.

Natürlich kann man jetzt ein bissi an den Zahlen drehen, sich mit etwas weniger als einem g und dafür ein wenig Gezeitenkräften zufrieden geben... aber in der Größenordnung "Kilometer" spielen alle diese Abschätzungen.

An diesem Punkt solltest Du die Kosten der ISS als Anhaltspunkt nachschlagen und bedenken, dass diese nicht "nur" linear mit ansteigen, will man ein 10 bis 60 mal so großes Objekt bauen.

Aber bestimmt finden sich Firmen, die das bauen, solange Du nur zahlst.... ;-)

Grüße

P.S.: Im Ernst: Solche Rechnungen zeigen den Unterschied zwischen SciFi und Realität.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

fjf100 
Beitragsersteller
 12.10.2019, 03:27

Wieso treten da Gezeitenkräfte auf,wenn der rotierende Zylinder 20 m Durchmesser hat und die Astronauten liegend an der Wand schlafen.

Das ist doch so,als wenn man im Bett liegt.

Wie wäre es denn,wenn man 2 gleichgroße Wohnbereiche mit einer Stange oder Seil verbindet und sich diese um den Schwerpunkt drehen ?

Problem bei den ersten US-Astronauten war,dass sich das Raumschiff drehte und das so schnell,dass die Kräfte lebensgefährlich groß wurden.

Der US-Astronaut,Name hab ich vergessen,leitete dann den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ein und rettete so sein Leben und das Leben von seines Kollegen.

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uteausmuenchen  12.10.2019, 05:08
@fjf100
Wieso treten da Gezeitenkräfte auf,wenn der rotierende Zylinder 20 m Durchmesser hat und die Astronauten liegend an der Wand schlafen.

Jetzt müsstest Du mir nur noch zeigen, wo ich das behauptet habe...

Wie wäre es denn,wenn man 2 gleichgroße Wohnbereiche mit einer Stange oder Seil verbindet und sich diese um den Schwerpunkt drehen ?

Siehe meine Antwort. Für Flieh- und Gezeitenkraft spielt das keine Rolle.

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GammaFoto  12.10.2019, 00:30
An diesem Punkt solltest Du die Kosten der ISS als Anhaltspunkt nachschlagen und bedenken, dass diese nicht "nur" linear mit ansteigen, will man ein 10 bis 60 mal so großes Objekt bauen.

...vor allem nicht zu vergessen, dass diese Kräfte dann nicht nur auf einen Menschen wirken, der sich innerhalb dieses Gebildes befindet, sondern natürlich auch auf die Konstruktion selbst und alles was sich darin befindet, man muss das also schon sehr ordentlich und stabil bauen, so ein paar "container" wie bei der ISS reichen da nicht aus!

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Roderic  12.10.2019, 01:03
@GammaFoto

Genau darauf wollt ich auch gerade hinweisen.

Eine Konstruktion von 6km Durchmesser, die durch Rotation eine "Schwerkraft" von 1g erzeugt, muss die selbe Festigkeit aufweisen, wie eine Hängebrücke von 20km Länge, die an 3km langen "Seilen" aufgehängt ist.

Und das im Weltraum im Vakuum. Mit einer Sicherheitsreserve für die Festigkeit, die mindestens 10 mal so hoch sein muss, wie auf der Erde. Schließlich kann man nicht einfach mal eine gerissen Schraube ersetzen oder eine Schweißnaht nachziehen.

Eine solche Konstruktion würde Millionen Tonnen wiegen.

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Hauptsächlich der Umstand, das wenn man einen Ring um einen Kern rotieren lassen will, man den Kern so groß dimensionieren muss, das sein Trägheitsmoment den des rotierenden Ringes um ein vielfaches übersteigen muss. Andernfalls würde sich nur der Kern drehen und der Ring weiterhin nur sehr langsam in Gegenrichtung drehen. Jedenfalls nicht genug um künstliche Gravitatioin wie du sie Dir vorstellst zu erzeugen.

Die Idee ist nicht neu und wurde auch schon mehrfach mal berechnet. Allerdings ist die Umsetzung bisher nicht praktikabel gewesen. Jedenfalls nicht ohne einen extrem teuren Bauaufwand und der wird von der Politik nunmal nicht gestützt.

Technisch gesehen wäre sogar noch einiges möglich, aber da spielt weder die Politik noch die Wirtschaft mit und die sind es leider, die immernoch für die Finanzierung notwendig ist. Aber das ist ein anderes (und sehr ausschweifendes) Thema.

Im Unterschied zu bisherigen Antworten denke ich, dass es für die Erdbeobachtung und astronomische Beobachtungen sehr hinderlich ist, von einer rotierenden Plattform präzise Beobachtungen zu machen.

Um eine ruhende Plattform angebaut an die rotierende zu realisieren, bräuchte man komplizierte Übergänge, durch die Kabelverbindungen laufen müssten, vielleicht mit Schleifkontakten. Die Übergänge für die Bewohner müssten mit dem Vakuum zurechtzukommen.

Außerdem bräuchte man laufend Treibstoff, um die Reibung der Dichtungen auszugleichen.

Um die Kommunikation mit Richtfunk zur Erde zu machen, müssten die Richtantennenn rotieren.

Was dagegen spricht, fjf100?

Nur die Kleinigkeit, daß entweder die Kosten explodieren, oder daß deinen Astronauten kotzübel wird - das hat ute dir bereits hervorragend beschrieben.

Alternativ möchtest du einen Schlafzylinder, schreibst du weiter unten in einem Kommentar:

Du kannst zwar die Gezeitenkräfte reduzieren, weil es liegend ja nur etwa 25 cm Höhenunterschied beim menschlichen Körper sind (aber nur in Rückenlage).

Aber dein Mini-Zylinder muß trotzdem größer werden (nach utes Rechnung schätze ich mal 500 m), oder sich schneller drehen und dann hast du wieder eine Wäscheschleuder, in der keiner wird schlafen wollen.

Und dann kommt das Problem des Betretens und verlassens dieses Zylinders: du müßtest das Ding jedesmal abbremsen, was aber nicht per E-Motor und Solarenergie geht, denn damit bringst du die übrige Station in eine gegenläufige Rotation. Du mußt also auch noch ordentlich Treibstoff hochschaffen, damit deine dafür nötigen Raketendüsen funktionieren.

Das wäre ähnlich wie ein Flug zum Mars mit konstanter Beschleunigung von 1 g (was auch mal vorgeschlagen wurde), nämlich extrem energieaufwändig und damit teuer.

Schönen Gruß

Das wird ja seit Jahrzehnten überlegt und auch in ScienceFictionFilmen so gezeigt. Im Prinzip ist das schon möglich und zB für eine MarsMission sinnvoll, wenn man dem Muskel und KnochenAbbau in der Schwerelosigkeit entgegen wirken will.

Aber bisher war das nicht notwendig UND es ist wohl auch nicht ganz so leicht!

Das ganze benötigt ja eine gewisse Größe, weshalb es auch viel Masse bedeutet. Außerdem benötigt die Konstruktion eine gewisse Drehgeschwindigkeit und daher auch Stabilität, um wirklich effektiv zu sein.

Dabei kommt man schnell in Dimensionen, die man nicht mal eben zum Ausprobieren in eine Erdumlaufbahn schießt.