Kommt es mir nur so vor oder mutieren immer mehr 80er Jahrgänge in Richtung spießig?

1 Antwort

Ich bin 31 und weiß, was du meinst - mir ist das in meiner Heimatstadt an vielen etwa Gleichaltrigen aufgefallen -----> aber die Gesellschaft ist gerade in meiner Generation viel verklemmter als es die alten Leute mit der Fliesenfassade und dem Gartenzwerg je gewesen sind nur zeigt sie es nicht und übertüncht es mit lässigen Klamotten und Besäufnispartys am Wochenende. Man merkt das erst, wenn man mit denen redet ... und wenn man ihr privates Leben kennt ist man entsetzt: Zwar gibt's in deren Wohnungen moderne Ikea- und Neubertmöbel statt Opas altem Eichenschränkchen und Namika oder Tim Bendzko im Radio statt Hermann Prey und Bert Kaempfert ... und draußen steht der finanzierte kompakte 2014er VW-TDI oder Audi A3 statt einem wuchtigen offensichtlich schon total ältlich aussehenden altpapierbeigen Opel Omega mit Plüschinterieur ... aber was die so denken und wie sie vor sich hin leben, das ist erschreckend und das tut echt weh, obwohl ich weiß, dass es mich nicht kratzen sollte. Es geht in eine merkwürdige Ecke von Fremdscham und man fühlt sich da peinlich berührt. Das geht so nach dem Motto "hey, ich bin 25 & mit der Lehre fertig & MUSS jetzt spießig werden"... schlimm!

Das hat nix mit Arbeit oder Familienplanung oder sonst was oder dem Bemühen, in der Gesellschaft immer so nett und seriös zu wirken zu tun, aber ich weiß doch GENAU, was du meinst.. du hast es echt total gut getroffen, auch von der zeitlichen Einordnung her.

Kann mich noch gut daran erinnern wie veränderungsfreudig diese Generation, zu der auch meine Cousin gehören um 2010 war
Irgendwann um 2015 fing es an wie eine Welle der Spießigkeit die sich Jahrgang für Jahrgang durch die 80er frisst und bald die 90er Jahrgänge erreicht.

Kommt wie gesagt ziemlich frappant hin, ich habe das auch so um 2015 erstmals bewusst festgestellt. Da war ich ein einziges Mal auf einem Klassentreffen der Realschule (Abschluss 2007) und hatte das Gefühl, mich in der Tür geirrt und auf einem Rentnertreff gelandet zu sein. Das waren geistig im Grunde ganz uralte trutschige, gedanklich total unflexible, eingerostete und überhaupt nicht an Fortschritt und Leben interessierte, träge Leute geworden, die emotional nur noch drauf zu warten scheinen bis man Erbarmen hat und sie ENDLICH in Rente schickt.. nur zeigen sie es mit sportlicher, modischer Kleidung, flotten Autos und ihrem Partyleben nicht nach außen sondern gaben die jungen, flippigen, frechen Mittzwanziger mit cooler Kleidung und fetten Autos. Gedanklich waren das steinalte Leute, konservativer als mein Opa (Jahrgang 1925) es je gewesen ist. Sorry, ich hatte keinen Bedarf mehr, mir das noch ein zweites Mal anzutun, ganz davon abgesehen, dass ich mit den Leuten zur Schulzeit schon zwar freundlich umging, aber nicht viel von ihnen wissen wollte.

Diese heute so hausbackenen Typen haben mir früher immer vorgeworfen, ich sei so ruhig und langweilig, immer nur schwarze oder graue Hose, Pulli oder T-Shirt und irgendwelche "Bequemschuhe" ... ich sei ja gar kein Partygänger und so verquast ... und hätte so komische Freunde ... aber als ich mir diese ach so coolen Leute dann zuletzt ansah, wo ich noch Kontakt hatte (ca. 2018) merkte ich erst recht, dass ich am Ende fortschrittlicher gewesen bin.

Aber man muss diese Personen auch zum Stückweit mal verstehen: Die meisten in meinem Alter sind bei "coolen", lockeren Eltern aufgewachsen, die nicht alt werden wollen -----> und deren Kinder, die eben so meine Generation sind, wollen daher gaaaanz anders sein als die Eltern, die sich mit 55 noch auf Partys gehen, den Jeansrock über die Leggings und ein "YOLO"-T-Shirt über weißen Langarm anziehen oder stündlich Fotos bei Instagram posten (was durchaus sogar cool rüberkommen kann, wenn es denn authentisch ist!). Es ist im gewissen Sinne eine Form von Rebellion, eine Suche nach Geborgenheit, Ruhe, Beständigkeit, Beschaulichkeit, was auch immer. Diese Generation hat es nicht leicht - oftmals mit Eltern, die nicht alt werden können/wollen und auf beste Kumpels der Kinder macht. Sorry, das muss man verstehen. Es gibt übrigens auch einige Artikel dazu, hier ist mal ganz beispielhaft einer, den ich ad hoc gefunden habe.

Ich wuchs in vielleicht speziellen und offen problematischen Verhältnissen auf, dafür bin ich heute so, wie ich bin - ich bin angekommen und selbstbewusst, ich bin einfach ich. Ich bin kein Bohemien und kein Freigeist, der immer alles anders macht, aber sicher kein Reihenhausspießer, der seine alten Ideale verraten hat.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung