Kita Bestrafungen?

3 Antworten

Es gibt keine Bestrafungen im Kindergarten. Jedenfalls sollte es das nicht. Das heißt aber nicht, dass die Kids tun und lassen können was sie wollen.

Es gibt Gruppenregeln. An die muss sich jedes Kind halten. Die werden einmal die Woche mindestens durchgekaut. Die Kinder achten aufeinander und helfen sich gegenseitig oder melden es mir oder meiner Kollegin, wenn was schief läuft. Meistens sind es kleine Dinge. Klein Erna klaut dem Erwin die Schippe, sowas halt.

Dann geht man hin, hinterfragt, fragt welche andere Lösung es noch geben könnte. Meist fällt dem Kind eine Lösung ein und alle sind wieder glücklich. Manchmal jedenfalls.

Ich arbeite in einer Kiez Kita. Soziales Randgebiet, Schwerpunkt schwer erziehbare Kids. Das sind Kinder mit Auffälligkeiten, desolatem Elternhaus, drogenabhängige Eltern, alkoholabhängige Eltern usw. Misshandlung und Missbrauch sind da an der Tagesordnung. Jugendamt geht tagein tagaus bei uns in der Kita auf Tuchfühlung.

Diese Kids sind ein wenig anders. Der kleinste Vorfall genügt für einen Ausraster. Diese Kinder kann man nicht bestrafen. Das würde nicht funktionieren. Ein "normales" Kind wäre bei einer Bestrafung erschrocken und merkt sich das für die Zukunft. Aber misshandelte Kinder kennen Angst. Der Papa oder der Onkel macht zuhause mehr Angst als die Erzieherin in der Kita. Daher ist Bestrafung hier nicht hilfreich.

Aber dennoch gibt es Konsequenzen. Die Kinder haben Dinge, die ihnen Spaß machen. Das sind besondere Angebote, wie zB Keramikwerkstatt und Co. Bei solchen Sachen wird dann die Zeit gekürzt, oder gar ganz verneint. Nun ist es aber nicht so, das das Kind dann einfach nur rumsitzt. In der Zeit finden dann Teambildende Angebote statt, das das Kind wieder in die Mitte der Gruppe rückt. Gespräche, kleine Spiele, hinterfragen nach dem Grund. Es wird auch gefragt was das Kind braucht. Ein Kind das austickt aus einem bestimmten Grund braucht erstmal Ruhe. Es geht dann meistens alleine in einen der Nebenräume der Hauptgruppe und da ist es ruhig. Als Erzieher bleibt man in der Nähe aber wenn das Kind wütet wird nur dann eingegriffen, wenn es sich selbst oder andere, oder Möbel kaputt machen will. Im Ruhebereich kann das Kind runter kommen. Ich brauche das Kind dort nicht hinbringen die gehen alleine wenn man sagt, du brauchst eine Auszeit. Ich schaue nach 2-3 Minuten vorbei und bringe etwas zum trinken mit. Meist ist das Kind dann schon wieder entspannt. Und dann wird geredet, die Gruppenregeln durchgekaut und auch gleich eine Konsequenz besprochen wenn gleiches Verhalten noch mal vorkommt. Nicht ich bestimme das allein, sondern das Kind wird involviert, kann auch einen Vorschlag machen. Partizipation halt. Es passiert selten ein zweites mal. Aber wenn doch, weiß das betreffende Kind gleich was der Fehler war und es geht dann auch freiwillig in die Konsequenz, weil die war ja vorher abgesprochen. Alle 3-5 Jahre haben wir einen Systemsprenger in der Gruppe. Diese bekommen einen Einzelfallhelfer. Ich hatte mal einen ohne Einzelfallhelfer und der hat mir den ganzen Raum demoliert. Gesamtschaden von über 6000 Euro. Das teuerste waren die Fensterscheiben. Dort flogen Stühle und Motorikschleifen hinein.

So problematische Kinder sind in Regelkitas selten vorzufinden. Meist kommen solche Kinder aus Regelkitas zu uns, weil die Erzieher damit nicht umgehen können. Wir werden jedes Jahr 6 mal geschult um solche Kinder aufzufangen. Dennoch gehen viele nach 10-20 Jahren in den Burn Out. Wir sind über 60 Erzieherinnen und Erzieher und 30 Heilerzieher. Hinzu kommen noch 20 Einzelfallhelfer, jede menge Psychologen, Ergo und Physiotherapeuten, sowie Frühförderer. Wir sind die einzige Einrichtung dieser Art im Landkreis und wir haben über 400 Kinder. Meine Gruppe ist eine Ruhegruppe, das heißt die Kids die ich habe sind in diesem Jahr nicht ganz so schwer. Alle 3 Jahre wird gewechselt. Ich muss im kommenden Jahr wechseln, das heißt, es gibt 3 Jahre eine Ruhephase mit nicht ganz so schweren Kindern. Ich habe derzeit 19. Ab kommenden Jahr bekomme ich wieder für 3 Jahre Kids, aber dann eine schwerere Gruppe mit auffälligen Kindern. Dann habe ich nur 15 Kinder und wenn ich Pech habe ist ein Systemsprenger darunter.

Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man Kinder am Erziehungsprozess beteiligt, also das Kind beteiligt Regeln aufzustellen und Konsequenzen aufzustellen, dann wird sich eher an Regeln erinnert, weil ja alle aktiv dabei waren. Und dann werden sie Regeln auch besser gehalten, als wenn ich nur sage das und das hört jetzt auf sonst gibts ne Strafe.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Ich arbeite seit über 20 Jahren mit Kindern und Jugendlichen

hiho0675 
Beitragsersteller
 29.05.2024, 20:12

Das! war echt interessant zu lesen! Respekt! Eine Freundin hat mir mal erzählt, sie wurde so vor 13-10 Jahren regelmäßig in einen dunklen Raum eingesperrt, wenn was „vorgefallen“ ist. Ich denke sowas ist und war schon immer verboten, kann das sein?

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Sowas sollte es nicht geben und darf es auch garnicht

Die Kinder brauchen klare Regeln, das ist klar und wenn diese Regeln nicht eingehalten wird, muss daraus eine Konsequenz gezogen werden, das ist auch klar.

Aber der wesentliche und bedeutsame Unterschied ist, dass eine Bestrafung immer negativ behaftet ist und nichts mit den Regeln zu tun hat und eine Konsequenz neutral ist und mit den Regeln zu tun hat.

Wenn es also z.B. häufig Konflikte um Spielzeug gibt, dann bringt es absolut garnix den Konflikt für die Kinder zu lösen oder ihnen das Spielzeug abzuholen oder ihnen weiteres zur Verfügung zu stellen. Dann müssen die Kinder teilen lernen und alle sag ich mal 15 Minuten wird das Spielzeug abgewechselt oder du liest ein Buch mit den Kikdern übers teilen

Selbes funktioniert mit allen anderen Regeln aucg