Kennt jemand von euch ICF?
Hat jemand von euch Erfahrungen mit der ICF Kirche? Wie sind dort Gottesdienste aufgebaut und welcher Mittel bedienen sich die Pastoren/Präsentatoren? Sind die Gottesdienste psychologisch beeinflussend, also wird man durch die Lichtshow o.Ä ‘in einen Bann” gezogen?
3 Antworten
ICF gibt es schon lange in Zürich und hat sich von da in halb Europa ausgebreitet. Leo Bigger, einer der Begründer, ist der Senior Pastor obwohl er keine theologische Ausbildung hat. Dafür hat er aber viel Glauben und eine gute Redekunst.
Der Gottesdienst ist modern und sehr professionell organisiert. Es gibt am Anfang eine Anbetungszeit mit modernen Liedern und Instrumenten, da entsteht sicherlich eine Gruppendynamik. Wenn Du da nicht mitmachen willst musst Du auch nicht.
Die Predigten sind einfach zu verstehen und manchmal auch in einer kirchenfernen Sprache vorgetragen, damit jeder mitkommt. Ganz besonders junge Leute sind fasziniert von der Einfachheit des Glaubens und der Attraktivität des ICF. Von der Ausrichtung her würde ich sie als ehemals evangelikal, in den letzten Jahren aber auch leicht charismatisch einstufen. Vergleiche mit der 3. Welle von John Wimber (Vineyard) sind sicherlich nicht fehl am Platz. Die beiden Kirchen sind sich sehr ähnlich, wobei ICF die europäische Variante davon ist.
In der Aufmachung sind sie modern, im Denken ziemlich konservativ.
Kann sein, dass Du Dich da wohl fühlst, kann aber auch sein dass es Dir zu "laut" ist. Für manche ist da zuviel Show und zuwenig echt erlebter persönlicher Glaube.
Ich selber bin seit 25 Jahren Mormone und würde nie mehr dahin gehen.
Wir sind tatsächlich eine Vineyard-Gemeinde. Weil du sagtest, die ICF wäre die Europäische Version... aber ähnlich ist es schon, wie bereits oben von mir erwähnt
Mir war damals der "geistige Konsum" der Freikirchen zu viel. Gottesdienste werden oftmals "konsumiert", man geht hin, geniesst die Show und die Menschen und geht heim. Bis zum nächsten "Event". Es wird aber nicht nur geistig konsumiert: Ein Pastor erklärte mir einmal, eine gute Gemeinde müsse man wie ein Geschäft führen.. In der näheren Betrachtung machen stimmt das auch oftmals. Deshalb gibt es zusätzliche, kommerzielle Angebote, die ebenfalls konsumiert werden.
Weil einige Menschen wenig bis gar nichts für ihren eigenen Glauben tun ist vieles verlogen: Vom Sonntagsgesicht bis zum Pastor, der selber nicht das hält was er predigt. Es gibt oftmals nur schwarz und weiss: Entweder man ist voll auf der Linie oder wird rausgemobbt mit dem Hinweis, man habe zuwenig Glauben, sei rebellisch, könne sich nicht unterordnen oder vom Teufel besessen. Viele Freikirchler machen im Laufe ihres Lebens eine wahre Odyssee durch, von Gemeinde zu Gemeinde, hier passt ihnen das nicht, dort etwas anderes, immer auf der Suche nach der perfekten Gemeinde, dem richtigen Ort, dem wahren Glauben.
Der Weg zum geistlichen Missbrauch ist gerade in charismatischen Gemeinde sehr nah. Auch mich wollte man mit dem Hinweis auf die Hölle disziplinieren und man missbrauchte mich geistlich. Ich empfehle jedem Betroffenen das Studium entsprechender Fachliteratur, die mittlerweile sogar gratis im Internet verfügbar ist.
Nach einer längeren Evaluation habe ich mich vor 25 Jahren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) angeschlossen. Durch die Lehren dieser Kirche bin ich näher zu Gott gekommen als jemals zuvor in der Freikirche oder Pfingstgemeinde. In all den Jahren habe ich niemals eine schlechte Erfahrung machen müssen, sei es mit der Kirchenlehre oder mit den anderen Mitgliedern. Stets wurde ich als "bobby68" anerkannt und geschätzt. Niemand wollte mich ändern. Es gibt weder eine Gruppendynamik noch einen geistlichen Missbrauch, ganz im Gegenteil, der individuelle Mensch wird in seinem Glauben an Gott unterstützt und gestärkt. Die Solidarität unter den einzelnen Mitgliedern ist enorm.
Der bekannte und verstorbene Kirchenkritiker Rüdiger Hauth schreibt in seinem Buch "Tempelkult und Totentaufe" selbst, dass die Mormonen es schafften, die Neubekehrten in ihren eigenen Reihen zu behalten, was sehr erstaunlich sei.
Für mich ist das ein Qualitätsmerkmal.
Wir sind mit unserer Freikirche sehr ähnlich wie die ICF. Von daher kann ich direkt mit unseren Ausrichtungen antworten.
Die Gottesdienste sind so aufgebaut, dass eine gute Mischung von geistlicher Ausrichtung, "Worshipmusic" und Predigt vermittelt wird. Die Musik nimmt hierbei einen nicht unwesentlichen Teil der Zeit ein, bei uns ca. 1 Stunde! Der Musikstil ist etwa in "Softpop" einzuordnen, also überdurchschnittlich "modern" und zeitgemäß.
Kommt darauf an, was genau du unter "psychologisch beeinflussend" meinst. Selbst eine X-beliebige Rede im Bundestag oder ein Bericht im Fernsehen ist mehr oder weniger beeinflussend. Und jede Lichtshow wirkt ein wenig "unterstreichend" dessen, was durch die Musik transportiert werden soll. Am meisten ist wohl die Musik selbst "in den Bann ziehend"
Und im Allgemeinen: würdest Du sagen, dass sich dein tägliches Leben/Verhalten durch die Freikirche verändert hat? In allgemeinen Situation, im Umgang mit Menschen? Oder wirst du als Beispiel wütend oder verständnislos, wenn jemand sich negativ über Kirche und Religion (oder deine Kirche im Speziellen) negativ oder abwertend äussert? Reagierst Du darauf aggresiver oder anders als vor deiner “Freikirchen Zeit”? Ich hoffe meine Frage kommt nicht zu provokativ rüber, ist sachlich gemeint:)
Und im Allgemeinen: würdest Du sagen, dass sich dein tägliches Leben/Verhalten durch die Freikirche verändert hat? In allgemeinen Situation, im Umgang mit Menschen?
Oh ja, allerdings! Aber ich würde das niemals so ausdrücken wie du, weil es so gesehen nicht stimmt. Mein Leben wurde nicht durch die Freikirche verändert, sondern allein durch die Kraft und die Liebe Jesu. Erlebt habe ich das aber innerhalb unserer Freikirche! Es bekehren sich übrigens ständig Menschen zu Gott, wir arbeiten für Asylanten, wir beschenken Menschen auf offener Straße, arbeiten im Altersheim, haben für unsere 70 Kinder ständig verschiedene Programme... und, und, und. Unser Glaube wird gelebt, das macht schon einen gewaltigen Unterschied.
Und nein, ich reagiere nicht aggressiv. Eher das Gegenteil ist der Fall... Außerdem war ich vor meiner "Freikirchen-Zeit" überhaupt nicht gläubig. Ich war ein Atheistischer Katholik.
Übrigens: "Daumen hoch" für deinen Kommentar, weil er ehrlich gestellt war und überhaupt nicht provokativ.
Wir bedienen uns lediglich säkularer, allgemein üblicher Mittel, um den Gottesdienst angenehm und kurzweilig zu gestalten. Psychologisch-manipulative Intentionen sind völlig außer Acht
Vielen Dank für Deine ausführliche und ehrliche Antwort, hierfür danke ich Dir sehr! Mit psychologisch Beeinflussend meine ich eine starke Veränderung des Gefühlszustandes durch Musik, starken rhetorischen Mittel, Lichtshow etc. Wenn ich Musik höre werden natürlich auch Glückshormone, wie Seratonin usw, ausgeschüttet, aber diese verschwinden auch recht schnell wieder. Ich meine viel mehr, ob Gedanken über lange Zeit *gezielt* verändert werden (sollen). Vielleicht trifft das Wort “psychomanipulativ” das Ganze besser.
Vielen Dank! Glaubst Du, dass deine Liebe zu Jesus für Atheisten (ich selbst bin gläubig...) sogar “komisch” anmunten mag?
Das ist eine gute Frage, Martin. Sehr oft werde ich hier -- im geschützten, anonymen Raum von gutefrage.net -- von Atheisten gehänselt und verlacht, auf sehr respektlose Weise, obwohl ich immer dazu sage, dass ich in einem nichtchristlichen Elternhaus aufgewachsen bin und einst mal selber Atheist war... Aber das ist mir sowas von egal. Ich gebe trotzdem sooft Zeugnis, wie ich nur kann.
Hallo Schnuckiputzi, Musik ist immer beeinflussend und Lichteffekte ebenso. Frag mal einen Psychologen. Bei ICF und anderen Freikirchen kommt noch die Gruppendynamik der "Anbetungszeit" dazu. Das ist sehr wohl gewollt - will man doch die Teilnehmer auf die kommende Predigt emotional / spirituell vorbereiten. Man kann das positiv oder negativ sehen, je nach Standpunkt.
Musik ist immer beeinflussend und Lichteffekte ebenso.
Wo bitte habe ich etwas anderes gesagt?!
In diesem Sinne ist der ICF sicherlich psychologisch beeinflussend. Hat ja auch Schlagzeug, Elektrogitarre und Lichteffekte, manchmal auch Multimedia.
Was bitte ist an "Schlagzeug, Elektrogitarre und Lichteffekte und Multimedia" so unglaublich mehr beeinflussend als in der Säkularen Welt? Und was soll daran verwerflich sein? Sollte das etwa verboten sein in einer Kirche? Vielleicht so wie im 17. Jahrhundert, als aufgebrachte Religionsfanatiker Kirchenorgeln verbieten wollten, weil Orgeln nicht in der Bibel vorkommen?
Hallo :)
Meine Schwester und ich waren eine Zeit lang dort. Irgendwie fand ich es am Anfang noch gut. Ich fand es toll dass dort so viele junge Leute waren, dass der Lobpreis so modern war, dass die Predigten einfach zu verstehen waren. Aber ich habe schon sehr früh gemerkt dass es mir nach jedem Gottesdienst irgendwie schlecht ging. Ich konnte anfangs garnicht verstehen warum das so war, aber ich fühlte mich jeden Sonntag total unter Druck gesetzt und war überfordert mit meinen Gefühlen und hätte immer heulen können. Ich weiß noch, ganz besonders schlimm war das nach dem ostergottesdienst. Später habe ich gemerkt woran das lag: ich hatte dort die ganze Zeit das Gefühl ich müsste jemand bestimmtes sein, müsste ganz viel leisten, besonders cool und hübsch sein, total im Worship-flow sein, mich extren einbringen, super cool beten können, die ganzen Anglizismen die sie dort benutzen drauf haben usw.... Das Motto des icf war so ein bisschen "alles geben für Jesus". An sich ist das ja auch gut. Aber Gnade kam dort viel zu kurz. Und dass man vor Jesus sein kann wie man ist. Dass man für Jesus nichts krasses leisten muss um seine Liebe zu bekommen. Man wurde ständig total zu irgendwelchen Dingen gedrängt...ob im Welcome Team zu arbeiten oder in der lobpreisband mitzumachen..all das war irgendwie nicht so locker sondern die ganze Zeit mit so einem Druck verbunden. Einmal habe ich dann in einem Gottesdienst in der Band mitgesungen. Vorher wurde noch die ganze Zeit diskutiert welche Bar-hocker wir nehmen sollten und dann wurde ich noch mehrfach darauf hingewiesen dass ich auch ja richtig in den "worship-flow" kommen soll um die leute mitzureißen. Man durfte auf keinen Fall in den Text gucken. Alles musste möglichst cool sein. Ich könnte dort einfach nicht sein wie ich war. Es hat mich total belastet.
Aber genau darum ist es doch als sozial schwache besonders verlockend ICF anzugehören... Eben gerade weil man dann denn “coolen und trendigen” Alpha-Tieren angehört. Meinst Du nicht?
Glaubst Du, dass die ICF vor allem auch auf schwache Personen abzielt, in schwierigen Situationen? (Sei es Einsamkeit, körperliche oder psychische Probleme)
Nein das habe ich so eigentlich nicht empfunden...im Gegenteil...alle kamen mir so perfekt, fröhlich, hübsch und lebensfroh vor...da hatte ich als sehr schüchterne sensible Person erstrecht das Gefühl nicht mithalten zu können
Danke für Deine sehr ehrliche und hilfreiche Antwort!
Dein “Stress-Gefühl” in der ICF passte also eigentlich ganz gut in unsere Zeit mit einem äusserst stressigen Alltag, bei dem man kaum zur Ruhe kommt. Würdest Du sagen, dass die ICF auch darum einen so grossen Ansturm erlebt, weil sie so zeitgemäss (oder um es in ICF- Manier in einem Anglizismus auszudrücken: “Hipp und trendy”) ist?
Und würdest Du heute (aus einer, von mir aus gesehen,objektiven Sicht) sagen, dass dieser damalige “Druck” auch eine Veränderung in deinem Verhalten ausgelöst hat oder eine Art “Hirnwäsche” (oder um es netter zu sagen: “Beeinflussung”) statt gefunden?
Und wenn ich fragen darf, wie bist Du zur ICF gekommen?
Ja ich denke dass gerade deshalb (weil sie so hipp und trendy ist) sehr viele junge Leute, Schüler und Studenten in die icf gehen. Für mich hat sich das alles schon oft irgendwie nach Gehirnwäsche angefühlt, aber ich möchte den leuten dort trotzdem keine böse Absicht unterstellen. Ich denke den pastoren und allen mitarbeitern/Mitgliedern liegt es dort wirklich am Herzen, dass Menschen Jesus kennenlernen. Aber sie vergessen bei all dem Drumherum, der übertriebenen Coolness, und der ständigen Bemühung möglichst modern zu sein und gut anzukommen, dass es doch um Jesus geht und nicht nur darum in Leder und jeansjacken vorne bei tollen Lichteffekten herumzuhüpfen und worship zu machen....das hat mich dort übrigens auch wirklich extrem gestört...dass es für alles irgendeine englische Bezeichnung gab...mir wurde sogar als ich kurzzeitig selbst Mitarbeiterin dort war, erklärt, dass Mitarbeiter dort die ICF-sprache benutzen müssen. Lobpreis statt "worship" zu sagen, oder hauskreis statt "smallgroup", oder Kinderstunde statt "ICF-kids", oder Gottesdienst statt "Celebration"...das ging dort garnicht...
Vielen Dank für die sehr informative Antwort!
Um es vorweg zu nehmen: Ich möchte weder einer Freikirche beitren, noch habe ich andere Intentionen. Ich beschäftie mich lediglich mit der Kirche in der heutigen Zeit und was Menschen (psychologisch) heutzutage von “der Kirche” wollen.
Wenn ich fragen darf: Warum würdest Du der ICF nicht mehr beitreten? Und wie hast Du die ICF erlebt?