Kann mir jemand den Vergleich von Freier Marktwirtschaft und den Wirtschaftsbedingungen im Mittelalter erklären?

2 Antworten

Kurz gesagt: Heute gibt es freie Berufswahl und freie Beschäftigungsverhältnisse. Damals waren Standes- und Berufszugehörigkeit weitgehend durch die Geburt festgelegt.

Man war entweder Adliger oder Bürger oder freier Bauer oder Leibeigener. Als Adliger lebte man von der Arbeit seiner Leibeigenen, als Bürger übernahm man als Erstgeborener den Beruf des Vaters, als anderes Kind versuchte man, durch Einheiraten in einen Meisterbetrieb unterzukommen. Als Bauer blieb man auf dem Land, auf dem die Vorfahren gearbeitet hatten. Wenn man keins hatte, wurde man Knecht bzw. Magd oder Tagelöhner.

Als Alternative blieb freilich für Adlige und Bürger, den geistlichen Stand zu wählen. Dafür brauchte man Geld oder Intelligenz oder Beziehungen. 

Um 1500 lebten in Deutschland ca. 8 Millionen Menschen, heute sind es 80 Millionen. Die Wirtschaft war geprägt von einer nicht sehr ertragreichen Landwirtschaft (es gab ja vieles noch nicht, wovon wir heute leben wie Kartoffel, Tomaten, Tabak, usw. ... Gewürze, Zucker und Salz waren extrem teuer und Fürsten bezahlten ihre Handwerker teils mit dem teueren Kerzenwachs (Bienenwachs)). Es gab keine ausgebauten Straßen, schlechte Verkehrsmittel und viele Wegelagerer. In den Städten arbeiteten Handwerker mit aus heutiger Sicht primitiven Werkzeugen und unter der Knute der Innungen.  (Strom gibt es erst seit ca. 150 Jahren) Jede Stadt hatte eigene Maße und für jedes kleine Fürstentum musste Geld gewechselt werden. Geldwechsler war ein einträglicher Beruf. Es gab keine staatlichen Sozialeinrichtungen, keine Rente (die eigene Familie) und Kranke wurden in den Krankenstationen gepflegt, die meist Kirchen oder Klöstern angeschlossen waren. Die allgemeine Armut ist aus heutiger Sicht unvorstellbar. Märkte gab es nur lokal bis auf weniger "internationale" Messen wie z.B. in Frankfurt oder Mailand. Schau Dir den Film "Die Päpstin" an, da ist das ganz gut nachgestellt.

Eine Marktwirtschaft in unserem heutigen Sinn gibt es erst seit knapp 200 Jahren, seit der wissenschaftliche und dann industriellen Revolution mit dem Beginn von Industrieproduktion, modernen Verkehrswegen und Verkehrsmitteln und der Aufhebung der Feudalherrschaft. Erst seit Napoleon haben wir einheitliche Maße, eine wichtige Grundlage und einheitliche Gesetze und zumindest für größere Länder einheitliche Währungen. Es gibt auch eine allgemeine Sozialgesetzgebung (erst seit Bismark), Gesundheits- und Bildungsversorgung - im Mittelalter konnten die meisten Menschen nicht lesen. Mit der Marktwirtschaft hat sich also eine moderne staatliche Infrastruktur herausgebildet, ohne die Marktwirtschaft nicht funktionieren könnte. Heute ist es einfacher, eine ganze Schuhproduktion von China nach Deutschland zu schaffen als im Mittelalter von Mühlheim nach Köln.