Kann mir jemand den Text erklären?
"Goethes Weimar hat Buchenwald nicht verhindert" von August E. Hohler
"[...] Weimar, ohne Zweifel, war ein Hort der Kultur, aber diese Kultur war nur für wenige da: für eine kleine Elite, für die happy few der damaligen Zeit, für einen erlauchten Kreis, für die Mächtigen und Besitzenden. Mag wohl sein, daß diese Kultur „die reinste herrlichste Menschheit“ im Auge hatte; den konkreten Menschen in seiner höchst realen Not, den hungernden, unwissenden, unterdrückten Menschen erreichte sie nicht. Humanität als bloßes Bildungsideal war damals, und auch später, für die über- wältigende Mehrheit keine wirkliche Hilfe; und selbst unter den Privilegierten, welche solch humanisti- scher Bildung teilhaftig wurden, war sie keine Garantie für menschliches Verhalten. Goethes Weimar, man weiß es, hat das KZ-Buchenwald, das gute hundert Jahre später in seiner unmittelbaren Nähe errichtet wurde, nicht verhindert. Das ist möglicherweise kein Einwand gegen Goethe, wohl aber ein Vorbehalt gegenüber seiner absoluten Autorität – gegenüber der Autorität jeder „großen Kultur“, auf deren „Grundriß immer wieder das Ungeheuerlichste möglich geworden ist, Menschenschändung jeder Art und jeden Ausmaßes“, um es nochmals mit Max Frisch zu sagen. [...]"
2 Antworten
Du kannst ja mal von hinten anfangen, das hilft oft, einen komplizierten Gedankengang zu verstehen:
Max Frisch hat was gesagt?
- Es gibt eine Autorität jeder „großen Kultur“.
Und was sagt August E. Hohler?
- Auch Goethe war eine solche Autorität. Denn er galt als "große Kultur".
Und eine solche Autorität darf man nicht für absolut nehmen, es gibt einen "Vorbehalt gegenüber seiner absoluten Autorität", also auch gegenüber der Autorität von Goethe.
Denn Leute, die Goethe verehrten, waren trotzdem dazu fähig, "Menschenschändung jeder Art und jeden Ausmaße" zu begehen. Kurz gesagt.
Menschenschändungen gab es auch im KZ-Buchenwald. Also hat auch Goethe mit seiner hohen Kultur nicht verhindern können, dass Menschen andere Menschen massenhaft schänden, ja sogar systematisch ermorden, wie die Nazis die Menschen in Konzentrationslagern, auch im Konzentrationslager Buchenwald.
Also: "Goethes Weimar hat Buchenwald nicht verhindert". -> Auch wenn Goethe und sein Freund Schiller und andere hervorragende Dichter in Weimar hohe Kultur geschaffen haben, ist Schreckliches passiert - und sogar gleich um die Ecke, hundert Jahre später, nämlich in Buchenwald, wo ein KZ gebaut wurde, wo Menschen eingesperrt, misshandelt und ermordet wurden.
So, und jetzt musst du noch den Anfang des Textes danach absuchen, ob es ähnliche hilfreiche Hinweise für deine Fragestellung gibt. Beispiel: Hohe Kultur ist nur für eine Elite, steht da. Und so weiter.
Gruß aus Berlin, Gerd
Der Text meint nicht die späteren Nazi-Eliten, sondern "die happy few der damaligen Zeit", also der Goethe-Zeit, der Zeit als "Weimar, ohne Zweifel, [...] ein Hort der Kultur" war. "[...] aber diese Kultur war nur für wenige da: [...] für die Mächtigen und Besitzenden" -> das war die kleine Elite, die die Hochkultur konsumiert und verstanden hat.
A) Aber die Armen, die "hungernden, unwissenden, unterdrückten Menschen erreichte sie nicht". Das ist soweit fast richtig. Aber ab hier schlingert der Autor wild herum. Seine Argumente sind nicht schlüssig, sondern willkürlich, rein äußerlich aneinandergereiht. Blablabla. Er will sagen: Egal, wieviel "Humanität" diese elitäre Bildung und Kultur gepredigt und vorgelebt hat, all das ist nicht angekommen bei den ungebildeten armen Menschen. Der Autor will damit vielleicht suggerieren, deshalb hätten diese armen Menschen Hitler und die NSdAP gewählt und für ihn KZs gebaut und Juden und Kommunisten usw. eingesperrt, gefoltert und ermordet.
Aber er sagt es nicht. Er deutet es nur an.
B) Und er schränkt es gleich wieder ein: Auch bei den Menschen, die Goethe und Co. mit ihrer Humanität erreicht haben, hat das nix genützt! Selbst diese haben sich nicht immer menschlich verhalten!
Was also soll das ganze Gewäsch von Höhler davor? Wenn B), warum dann lange über A) labern?
C) Bei A) kommen die Dichter von Weimar (Goethe, Schiller & Co.) nicht an, weil sie zu arm sind, um auf ein humanistisches Gymnasium zu gehen, und bei B) kommen die Weimarianer zwar an, aber das nützt auch nix, die verhalten sich auch nicht menschlich, das verhindert Buchenwald und Auschwitz so weiter auch nicht.
Das ist, wie wenn ich argumentieren würde, Elektroautos sind Mist, sie retten die Umwelt nicht, denn A) können die armen Massen sich keine leisten und schon gar keine Garage mit Steckdose, und B) nützt das bei der reichen Elite auch nix, weil es nicht garantiert, dass die auch auf langen Strecken ihren elektrischen Zweitwagen nehmen und nicht den Sechszylinder-Spritfresser, am Ende gar den Diesel-SUV. So würde der Klimawandel also nicht aufgehalten.
Nur sagt Hohler nicht, Goethes Weimar war Mist, sondern nur, dass Goethe keine "absolute Autorität" genießen sollte - weil er "das Ungeheuerlichste", wie etwa das KZ Buchenwald, nicht aufhalten konnte. Warum er diesen "Vorbehalt" hier äußert, wird im Text nicht klar. Vielleicht ist er ein kleiner Neurotiker, der mit wahren Autoritäten nicht klar kommt ohne zu stänkern - also ein Wadenbeißer gegen Größen wie Goethe und Schiller in Weimar ;-).
Goethes Weimar hat sehr viel nicht verhindert.
Wer hätte das gedacht? War Goethe doch angetreten,
um in Zukunft alles Unheil... ach so, war er ja gar nicht.
Was würdest du sagen, sind die wesentlichen Aussagen?
Sorry, ich weiß, was du in der Schule sagen musst, aber ich bringe dieses jämmerliche Geschwätz nicht mal auf Schulniveau. Vielleicht sowas wie "Der Humanismus hat die Nazis nicht verhindert." Das ist unsagbar trivial, aber in der Schule funktioniert es wahrscheinlich.
Vielen Dank für Ihre Antwort. Allerdings hätte ich noch die Frage, inwiefern der Aspekt "Hohe Kultur ist nur für eine Elite" und nicht für den "Menschen in seiner realen Not" mit dem Aspekt "Goethes Weimar hat Buchenwald nicht verhindert" in Zusammenhang steht? Ich glaube, dass ein Zusammenhang die Elite und die "Elite Naziführer" ist, oder?