In wie weit beeintraechtigt die Arbeit unsere Gesundheit, wenn der Chef oder die Kollegen narzisstisch sind?
3 Antworten
Solang man nicht ins narzisstische Kreuzfeuer gerät, ist es weitestgehend unproblematisch. Aber wenn man dem Narzissten auf die Schliche zu kommen droht oder ihn bereits durchschaut hat und er das mitbekommt, wird es so richtig übel.
Was Narzissten tun, ist ja das äußerst geschickte Ausloten all der Punkte, an denen man unsicher oder schwach ist. Auf genau diese Punkte zielt er dann - mit einem Mix aus Gaslighting, Abwertung, Beleidigung und "Auflaufen-Lassen". All das so perfide und geschickt, dass man es anfangs gar nicht als genau das erkennt. Genau das sorgt dann dafür, dass die Selbstzweifel immer weiter wachsen, man immer unsicherer wird und sich zunehmend selbst für unfähig hält. Je psychisch instabiler ein Mensch ist, desto schneller geht das. Aber selbst sehr resiliente, sehr starke Persönlichkeiten "kippen" irgendwann...
Ich konnte zum Schluss hin nur noch sehr schlecht schlafen, war ständig gereizt und in einer inneren Alarmbereitschaft, gleichzeitig völlig erschöpft und hab meiner eigenen Wahrnehmung vorne und hinten nicht mehr vertraut. Heulend nach Feierabend auf dem Sofa zu sitzen, war mindestens einmal die Woche normal. Und nachdem ich jahrelang so gut wie gar nicht mit den üblichen Infektionen wie Erkältungen zu tun hatte, hat's mich dann im letzten halben Jahr gleich drei mal umgehauen... Und ich bin durchaus ein sehr resilienter und ziemlich starker Mensch, mit sehr festigendem, liebevollem Umfeld.
Meine Empfehlung ist aber, nicht kampflos zu gehen! Wer so jemanden, gerade auch als Vorgesetzten, erwischt, sollte durchaus versuchen, alle sich bietenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Vorgesetzten dieser Person darauf aufmerksam zu machen, was dort für ein Mensch auf diesem Posten sitzt! Da Narzissten zu Lügen und zu fragwürdigem Handeln bis hin zum Überschreiten der Grenzen der Legalität neigen, gibt es genau dort oft auch in beruflicher Hinsicht Ansatzpunkte, die die Vorgesetzten durchaus interessieren könnten...
Und ebenfalls wichtig: Narzissten sind super darin, zu spalten! Wer im Job unter einem leidet, sollte sich mal vorsichtig an die Kolleg*innen herantasten und dort geschickt erfragen, ob diese vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Übrigens gerade bei denen, über die sich der Narzisst besonders negativ geäußert hat... Gut möglich, dass man hier Verbündete findet - und somit Menschen, die ebenfalls bei Vorgesetzten das, was man sagt, bestätigen können!
Bei "richtigem" Narzissmus handelt es sich ja um eine Persönlichkeitsstörung, also eine psychische Erkrankung. Wie bei anderen Erkrankungen auch, kann die Betroffene Person da per se nichts für und ist letztendlich auch nicht "absichtlich" grausam.
Das Problem im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen ist allerdings, dass der Narzisst in der Regel keinen Leidensdruck empfindet - und sich somit auch nicht in eine Behandlung begibt. Empfindet er irgendwann doch Leidensdruck, weil seine "Ego-Bubble" zerplatzt und er sein Scheitern nicht mehr leugnen und anderen in die Schuhe schieben kann, folgt die "narzisstische Krise". Und diese endet nicht selten im Suizid... Deshalb ist dieser fehlende Leidensdruck eben irgendwo auch eine Art Selbstschutz dieser Menschen. Gleichzeitig ist aber auch genau das der Grund, weshalb diese Menschen sich auch nicht ändern können...
Viel schlimmer an der ganzen Nummer ist meines Erachtens, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die Eigenschaften, die bei einem Narzissten in Extremform vorliegen und andere kaputt machen können, als besonders positiv betrachtet werden! Dadurch findet man in Führungspositionen ja auch einen höheren Anteil an Menschen mit diesen Persönlichkeitsstörungen als im Bevölkerungsdurchschnitt... Aber sagt es nicht viel aus über diese Gesellschaft und das, was wir positiv sehen, wenn es sich dabei um zumindest Vorstufen solcher psychischer Erkrankungen handelt?
Wardetzki: Die Quarantäne kann gerade für narzisstische Menschen ein großes Problem sein, weil alle Stützen des Selbstwertgefühls wegfallen. Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstruktur brauchen ja eine permanente Zufuhr von außen, Aufmerksamkeit, Bewunderung. Das hält sie am Laufen. Genau das wird jedoch in diesen Zeiten dramatisch weniger. Es gibt weniger Bestätigung über die Arbeit, über die Kollegen, über Freunde. Die gewohnten Quellen für die Stärkung des Selbstwertgefühls versiegen. Sie empfinden das als sehr große Bedrohung. Die Folge ist eine innere Kränkung. Es kommt zu einer narzisstischen Krise, die zum depressiven Rückzug führen oder in Aggression umschlagen kann. In dieser Zeit ist der Partner, die Partnerin unter Umständen die einzige Stütze, der Einzige, der noch da ist - und einmal mehr für alles herhalten muss. Als Blitzableiter, aber auch als jemand der ständig Bestätigung und Aufmerksamkeit liefern muss.
Die meisten von uns verbringen sehr viel Zeit ihres Lebens auf der Arbeit. Wenn man dort also mit Menschen konfrontiert ist, die nur sich für gut, jeden anderen aber für einen Deppen halten, ist das nur auszuhalten, wenn man nicht allein ist und zusammenhalten kann.
Es gibt auch Menschen, die so resilient sind, dass ihnen das vollkommen am Popo vorbeigeht. Aber sensible Menschen können ganz massiv darunter leiden. Wer nur mit Widerwillen zur Arbeit geht, gefährdet seine Gesundheit und kann vor allem keine gute Arbeit abliefern.
Dann sucht man sich was anderes, wenn es auf der Arbeit nicht passt.
Oder man arrangiert sich damit.
Wieso gibt es unter uns solche grausame Lebewesen?