In wie fern hat der Fragmentenstreit etwas mit Nathan der Weise zu tun?

1 Antwort

Lessings Verteidigung von Reimarus' Fragmenten und seine eigenen unorthodoxen Gedanken zur Religion hatten die Reaktion eines Theologen namens Goeze bewirkt. Lessing reagierte auf diese Kritik durch eine Schrift mit dem Titel Anti-Goeze, die selbst zu einer sehr scharfen Reaktion von Goeze führte (Lessings Schwächen).

Es geht grundsätzlich um den Status der Wahrheit. Lessing vertritt die These, die Wahrheit sei etwas Dynamisches, nichts Vorgegebenes, und der Weg selbst sei die Wahrheit. Nach diesem Schma steht Offenbarung am Anfang des Weges, Vernunft ist steht unterwegs, im Wandel und Fortschritt begriffen, bis der Mensch zur Fähgkeit gelangt, das Gute um des Guten selbst zu leisten (diese Thesen führt er etwas später in der Schrift Die Erzeihung des Menschengeschlechts aus).

Goeze hält dagegen für die klassich-konservativee Auffassung: es gebe eine vorgegebene Wahrheit, also einen Gott. Er hatte durchaus verstanden, dass Lessings Ideen auf die Überflüssigkeit Gottes hinauslaufen und damit auch die politische Stabilität gefährden, die damals auf der Autorität der Religion beruhte. Damit gewinnt er sich die Gunst der Obrigkeit.

Die damals herrschende Zensur verbietet es also Lessing, weiter zu diesem Thema zu schreiben.

Da hat er den Nathan geschrieben, um dieses Verbot zu umgehen - das ist der Schlüssel zum Verständnis des berühmten Satzes:

"Ich muss versuchen, ob man mich auf meiner alten Kanzel, auf dem Theater, ungestört will predigen lassen." 

"Theater" als "alte Kanzel" meint als in der Beziehung ganz konkret die Veröffentlichung von Nathan der Weise.