Ich fühle mich...gefühlskalt
Ich habe den Verdacht, weniger Gefühle zu empfinden, als ich eigentlich sollte, bzw. weniger als Menschen in meiner Umgebung zu empfinden scheinen. Um keinen Roman zu schreiben, nenne ich einige Punkte, bei denen mir das besonders auffällt.
1. Trauer. Ich empfinde Traurigkeit, immer mal wieder, oft auch ohne konkreten Anlass. Aber es ist mehr eine schmerzhafte Leere als diese Art von Traurigkeit, die wirklich befreiend ist und die man nach Außen lassen kann. Weinen tue ich zum Beispiel extrem selten. Wenn ich traurig bin, starre ich ins Leere und tue auch sonst nichts, was bei mir irgendeine Gefühlsregung vermuten lässt. Ich kann es nicht.
2. Das andere Extrem. Freude. Gehört zum Leben, auch ich habe gute und schlechte Tage und verspüre manchmal gute Laune. Was mir aber fehlt ist diese überwältigende Freude, die einen alles andere für einen Moment vergessen lässt. Meine gute Laune besteht meist nur aus der Abwesenheit von etwas Negativem. Nicht aus starken positiven Gefühlen.
3. Liebe. Ich habe Freunde, ich habe eine Familie. Und ja, ich liebe sie. Ich mag sie. Aber irgendwie...fehlt da was. Ich würde es so niemals zugeben, aber sie sind ersetzbar, so schrecklich es auch klingt. Ich würde sie vermissen, ja. Aber meine Welt würde nicht zusammenbrechen und das macht mich fertig. Denn was ist eine Beziehung denn sonst wert, wenn sie einem nicht alles bedeutet? Ich habe keine innige Beziehung zu irgendwem. Kein "Ich würde für dich sterben", kein "Ich vertraue dir bedingungslos". Kein "wir", nur ein "Du" und ein "Ich". Für einen Moment. Danach dann wieder das einsame "Ich". Wer bin ich denn eigentlich? Diese Frage stelle ich mir häufig und beunruhigenderweise komme ich zu keiner Antwort. Ich meine, ich mag mich. Ich bin selbstbewusst genug und ich akzeptiere mich, wie jeden anderen. Aber auch bei mir selbst habe ich das Gefühl, das etwas fehlt. Nur was?
Verliebt war ich auch schon. Nur irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass das jetzt schon alles gewesen sein soll. Ich habe diese Person wirklich geliebt. Über Jahre hinweg und irgendein Teil von mir liebt sie immer noch. Aber auch hier frage ich mich: War das schon alles? Es ist eine Sehnsucht. In einsamen Momenten möchte ich diese Person bei mir haben und wenn sie vor mir steht, spüre ich das Verlangen, ihr nah zu sein. Aber wo bleibt die Explosion der Emotionen bei dem bloßen Gedanken an sie? Wo das Bauchkribbeln, das Herzrasen, die unkontrollierbare Euphorie? War es nicht echt? Bin ich nicht für derart tiefe Gefühle geeignet?
Nichts berührt mich wirklich tief, nichts bringt mich aus der Fassung und bringt intensive Gefühle mit sich.
Ich frage mich nach dem Grund für meine Kälte. Es macht mich fertig. Habe ich in meiner Vergangenheit zu wenig Liebe erfahren dürfen, so dass ich sie jetzt nicht weitergeben kann? Liegt eine Art Blockade vor? Oder muss ich einfach akzeptieren, dass ich eher ein kälterer Mensch bin und mir intensive Gefühlsausbrüche vorenthalten bleiben?
7 Antworten
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Mir geht es gefühlsmäßig ähnlich wie dir. Ich kann die Gefühle empfinden, aber sie überweltigen mich nicht.
Aber persönlich würde ich das nicht als Gefühlskälte bezeichnen, sondern eher als rationales Denken. Man ist sich seiner Gefühle einfach soweit bewusst, dass man sich nicht von ihnen übermannen lässt. Es ist also nur ein anderer Blickwinkel, aus dem wir das betrachten. Es ist eher so ein: "In mir ist nun dieses und jenes Gefühl" als "Wow, ich fühle mich so und so."
Manchmal beneide ich andere Menschen dafür, dass sie ihre Gefühle stärker "ausgeprägter" empfinden als ich (ich nenne es jetzt mal so).
Aber andererseits ist es dann wieder so, dass ich dadurch in vielen Situation einen kühlen Kopf bewahre und mich nicht von meinen Gefühlen leiten lasse. Dadurch kann man Entscheidung einfach nochmal in Ruhe bedenken, ohne sie gleich zu überstürzen.
Mittlerweile habe ich gelernt, zu akzeptieren, dass ich nunmal so bin, wie ich bin. Es wird sich wahrscheinlich auch nicht ändern. Einfach, weil wir wohl diese Art von Menschen sind.
Und ganz abgesehen davon kann man diese Eigenschaft auch durchaus als Stärke betrachten. Denn wo andere an ihren Gefühlen verzweifeln, können wir darüber stehen und weiter wachsen. An unseren Empfindungen den anderen Menschen gegenüber wird das nichts ändern.
Das ist jedenfalls meine Sicht der Dinge, ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken.
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Ich kann für mich einfach nicht akzeptieren, dass das nunmal so ist. Gefühle sind etwas unglaublich wichtiges. Etwas Menschliches. Ein Computer kann rational handeln, aber fühlen... Fühlen ist menschlich. Gefühle sind eine starke Kraft, ich will nur einmal von ihr überwältigt werden. Ich denke, das ist das intensivste, was man erleben kann.
Rationales Denken. Ja, das kann ich gut. Ich kann alle möglichen Dinge mit einer Sachlichkeit analysieren, die kaum einer hat. Aber ich sehe das nicht als Stärke an, sondern als Verlust eines sehr wichtigen Teils des Lebens.
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Ich beneide dich wiederum. Sicher bringt es Nachteile mit sich, aber wie gesagt, ich denke es ist diesen Preis wert. Wie du sagtest: Die Liebe ist eines der wertvollsten Dinge. Und ich denke, nichts kann sie ersetzen. Wenn ich sie also nicht so stark empfinde oder sie gar nicht erst finde, weil ich durch meine kalte und rationale Art alle abschrecke, dann ist das ein unglaublich großer Verlust. Ich würde gerne meinen Kopf abschalten und fühlen.
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Die Gefühlskälte ist ein gesellschaftliches Phänomen. Weil die kranke Gesellschaft Gefühle als Schwäche ansieht. So kann der Einfluss aus dem Umfeld durchaus einer Ursache sein. Die Erziehung durch die Eltern wird sicher eine andere Ursache sein, denn dadurch wird der Mensch für das ganze Leben geprägt. Dabei kann es Unterumständen von einem einzigen Detail abhängen.
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Aber ich komme nicht dahinter, woran es bei mir liegt. Auch wenn ich viel darüber nachdenke, denn ich wüsste echt gerne, was mich zu einer "leeren Hülle" gemacht hat. Und selbst wenn ich es herausfinde, kann ich denn überhaupt etwas ändern? Kann ich mich ändern? Sollte ich?
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Zu aller erst, hast du kik? Weil es mich freuen würde mit jemanden zu schreiben der in diesem Fall so ist wie ich haha.
Ich weiß genau was du meinst, wenn jemand stirbt ist das extrem bei mir ich verspüre meist keine Trauer dabei nichtmal als mein großvater starb ich fühle mich deshalb oft schuldig aber ich kann es nicht verstehen wenn Leute da so krass reagieren wie eine Freundin von mir die scjon heulend zusammenbricht wenn ein entfernter bekannter stirbt. Ich denke kurz über den verstorbenen nach und dann die Tatsache dass es mir auch mal so ergehen wird. Dann wird es mir irgendwie so extrem ausgedrückt 'gleichgültig'
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Ich kann gut verstehen, dass du dich deshalb schuldig fühlst, mir geht es da auch so. Wie es wäre, wenn jemand stirbt, weiß ich nicht, denn das ist noch nicht geschehen, aber ich denke, es wäre ähnlich wie bei dir. Es werden von einem bestimmte Emotionen und Reaktionen erwartet und wenn man dann diesen (und seinen eigenen) Erwartungen nicht entsprechen kann, stellt sich einem schon die Frage, was mit einem nicht stimmt.
Ich habe kik, du kannst mich dort gerne anschreiben. Mein Name ist: m11lna (mit L, nicht mit i).
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Das ist kein unbekanntes Phänomen. Ich kann auf eine Art und Weise nachvollziehen, wie du dich fühlst, denn ähnlich geht es mir, aber natürlich nicht hundertprozentig so, wie es dir geht, denn ich bezweifle, dass zwei Menschen ein und dasselbe fühlen können.
Ich finde es unendlich traurig, dass du sagst, sie sind ersetzbar, aber: Das Gleiche denke ich mir auch bei vielen meiner Freunde und auch bei einigen Verwandten.
Warst du denn schon immer so, dass du weniger gefühlt hast als andere? Hast du in deiner Kindheit etwas Schlimmes durchlebt? Und wie wurdest du generell von anderen behandelt und wahrgenommen? Denn vielleicht trägt das dazu bei, dass du heute der Mensch bist, der du eben bist.
Das war mit Sicherheit noch nicht alles (in deinem Leben). Es gibt mit Sicherheit noch viel mehr, das du erleben wirst. Und ich denke, hier kann es auch daran liegen, dass es noch keinen Menschen gab, der deine Welt wirklich auf den Kopf gestellt hat. Jemand, der dich fühlen lassen hat, wie du dich noch nie gefühlt hast. So jemanden gab es bis jetzt noch nicht, aber vielleicht kommt so ein Mensch irgendwann.
Ich kann deine Sehnsucht nachvollziehen. Ein ''Ich würde für dich sterben'', ''ich tue alles für dich''. Die Sehnsucht nach einer bedingungslosen Hingabe mit vollstem Vertrauen zu jemandem; das fehlt. Doch der Mensch ist nicht dazu geschaffen, alleine zu sein. Deswegen denke ich auch nicht, dass du (und auch ich) für immer so fühlen wirst, wie du dich jetzt fühlst.
Dass deine gute Laune aus der Abwesenheit von etwas Negativem besteht: Auch das kann ich nachvollziehen. Ich denke, es liegt wirklich daran, dass dir bis jetzt noch kein Mensch über den Weg gelaufen ist, der etwas mehr Leben in deine verrostete Seele bringt. Vielleicht versuchst du durch deine gefühlskalte Seite etwas zu verarbeiten, was du dir selbst nicht eingestehen möchtest, aber vielleicht liegt es eben daran, dass du bis jetzt niemanden getroffen hast, der dich hat anders fühlen lassen.
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Warst du denn schon immer so, dass du weniger gefühlt hast als andere? Hast du in deiner Kindheit etwas Schlimmes durchlebt? Und wie wurdest du generell von anderen behandelt und wahrgenommen?
Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich damals gefühlt habe. Aber ungefähr seit meinen 12. Lebensjahr empfinde ich so wie ich es jetzt tue. Ob ich schlimmes durchlebt habe... Ich weiß nicht, inwiefern das als schlimm zu beurteilen ist. Für mich war es das. Meine Mutter war schwer krank, oft im Krankenhaus oder auf Kur, sie hätte sterben können, aber ich glaube nicht dass mir das so bewusst war. Mit meinem Vater gab es dann immer Streit. Und Freunde hatte ich keine. Ich war... naja, ich war hässlich und ich war komplett verunsichert. Ich weiß nicht, ob man es Mobbing nennen kann, aber ich wurde permanent ausgeschlossen, ich war keine von ihnen, nie. Ich hörte auf zu sprechen. Ich denke ich habe ungefähr 3 Jahre fast ausschließlich schweigend verbracht, denn ich hatte jegliches Selbstwertgefühl verloren und wurde dadurch nur noch mehr ausgeschlossen. Ich sehe heute noch die Blicke und die Kommentare.
Aber das ist vorbei. Ich habe mich wie ich finde äußerst vorteilhaft entwickelt. Ich habe Selbstbewusstsein, ich bin intelligent, ich sehe gut aus und ich werde von allen Seiten aus akzeptiert. Ich denke nicht, dass ich immer noch auf meine Vergangenheit reagiere.
Und ich denke, hier kann es auch daran liegen, dass es noch keinen Menschen gab, der deine Welt wirklich auf den Kopf gestellt hat. Jemand, der dich fühlen lassen hat, wie du dich noch nie gefühlt hast.
Aber was war es dann? Ich habe noch nie so gefühlt. Die Sehnsucht nach dieser Person ist so groß, sie zerreißt mich. Aber es sind eben keine überwältigenden positiven Gefühle. War es dann nicht echt? Oder erwarte ich einfach zu viel?
Doch der Mensch ist nicht dazu geschaffen, alleine zu sein.
Warum bin ich es dann? Und warum fühlt es sich oft sogar besser an? Warum halte ich es mit den meisten Menschen nicht lange aus? Ich mache mich nicht so gerne abhängig. Mir gefällt der Gedanke nicht, dass ich erst jemand anderen brauche, um fühlen zu können. Darauf sollte man sich nicht verlassen, oder?
Danke für deine Antwort, sie war bis jetzt die mit Abstand hilfreichste.
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Eine gewisse Apathie und damit verbundene Depressionen können durchaus normal und einfach nur eine Phase sein. Sollte eine echte Depression dahinter stecken wäre vielleicht ein Psychotherapeut oder zumindest ein Vertrauenslehrer ein Ansprechpartner.
Aber Gefühle kann man durchaus lernen, ist allerdings ein Prozess der lange dauern kann. Hierbei kann Musik helfen, die einem die Gefühle vorgibt, oder irgendeine andere Tätigkeit, aus der man eine Leidenschaft entwickeln kann.
Wünsch dir alles gute, Borgosch
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Ich spiele Klavier und das auch durchaus gerne. Aber ich könnte auch jederzeit aufhören. Leidenschaft verspüre ich durch diese Tätigkeiten keine, auch wenn ich es gerne lerenen würde.
Ob eine Depression oder ähnliches dahinter steckt, weiß ich nicht. Ich habe schon darüber nachgedacht, aber ich wollte das ganze dann doch lieber nicht dramatischer machen, als es ist. Auf Therapiesitzungen und Tabletten kann ich ganz gut verzichten...
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Ja, Tabletten würde ich auch nicht empfehlen, wobei du da ohnehin zu nem Arzt müsstest. Wenns denn so ist, dann ist es allerdings schwieriger allein wieder herauszukommen, aber machbar.
Naja, wenn Musizieren scheinbar keine Leidenschaft bei dir ist, dann probier was anderes aus. Manchmal sind es Dinge, die man nie gedacht hätte. Und es müssen auch nicht unbedingt Dinge sein, die du alleine tust. Bei Konzerten kann man zum Beispiel ganz gut erkennen, wie die Gefühle in der Masse auf einen abfärben, sofern man es zulässt.
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Meine These ist, dass die Leere daher kommen könnte, weil das Belohnungssystem im Gehirn keine Impulse bekommt. Umerziehung macht aus einem einzigartigen Individuum ein Monster oder einen Zombie (das war überspitzter Sarkasmus).
Aber ich denke Du solltest zumindest das "gerne" so weit wie möglich intensivieren.
Du hast das sehr gut beschrieben. Mir geht es nämlich genau anders herum. Ich kann es nur bestätigen wie schwer es ist, wenn alle Gefühle auf einmal einprasseln, noch rational zu bleiben. Beneide die kühlen Köpfe zumindest in dieser Situation, die dann einfach nur einen Schalter umlegen :-P
Naja alles hat seinen Preis. Ich denke mal wichtig ist es, das eigene Glück zu finden, vielleicht sieht das bei einem sehr rationalen Menschen ganz anders aus? Für mich ist Liebe (für Menschen und Dinge) das größte Glück.
Wär echt neugierig, wann und wie sich ein "kühler Mensch" wohl fühlt, bestimmt gibt es einen ganz eigenen Weg dorthin, vielleicht eben über den Verstand. Danke, für die Lehre, dass so ein abweisend erscheinendes Verhalten keine böse Absicht ist.