Hey, weiß jemand wie Sueton, Ovid und Tacitus zu Augustus standen, also welche Meinung sie zu ihm hatten?

2 Antworten

Bei den Meinungen sind auch die Zeit und Umständen, in denen die Autoren lebten, und die literarischen Gattungen, zu denen die von ihnen geschriebenenWerke gehören, zu berücksichtigen.

Ovid

Ovid war ein (jüngerer) Zeitgenossse des Augustus und ein Dichter.

Politik war nicht sein Hauptthema. Auf eine nicht genau bekannte Weise ist er in eine Angelegenheit hineingeraten, die zu einer Bestrafung führte.

Ovid ist 8 n. Chr. durch Befehl des Augustus in die Stadt Tomi am Schwarzen Meer verbannt worden. Die Verbannung war eine relegatio (Verweisung). Der Verbannte behielt sein Bürgerrecht und sein Vermögen. Der zwangsweise Aufenthalt weit entfernt von Rom war aber für Ovid ein harter Schlag.

Ovid hat betont, ein Versehen/Irrtum/Fehler (error), kein Verbrechen (scelus), sei die Ursache der befohlenen Verbannung. Als weiteren Grund nennt er eine Dichtung (carmen). Welches Werk gemeint ist, sagt er nicht ausdrücklich.

Ovid, Ars amatoria 2, 156 – 157 steht beispielsweise in einer Spannung zu den Ehegesetzen des Augustus.

Ovid, Tristia und Ovid, Epistulae ex Ponto sind darauf bedacht, eine Aufhebung oder Milderung der Strafe erreichen zu können. Gegenüber Augustus tritt er demütig auf.

Persönlich wird Ovid seine Strafe zumindest für übermäßig hart gehalten haben.

In Ovids Werken gibt es Anerkennung, Lob und gute Wünsche für Augustus. Eine schwierige Frage ist, ob es bei und neben dem vordergründigen Lobpreis versteckte Anspielungen, hintersinnige Aussagen und ironische Brechungen gibt, die weniger günstig ausfallen. Ist etwas tatsächlich anders gemeint, als es an der Oberfläche erscheint, oder wird Kritik und negative Beurteilung hingedeutet, wo der Autor dies gar nicht beabsichtigt?

Ovid, Fasti 3, 705 – 710 werden die Mörder Caears als Leute bezeichnet, die einen Frevel wagten und ihr Tod als eine Pflicht. Octavian/Augustus hat nit gerechten Waffen seinen Vater (Octavian/Augustus ist testamentarisch Caesars Adoptivssohn geworden) gerächt.

Ovid, Metamorphosen 15, 745 – 870 ist eine Darstellung zu Caesar und Augustus. Als Caesars größes Werk gilt es, Vater eines so großen Mannes zu sein. Eine reiche Gunst der himmlischen Götter habe Augustus zum Leiter/Vorsteher des Menschengeschlechts gemacht. Jupiter verkündet an Venus, Octavian/Augustus werde im Krieg die Götter auf seiner Seite haben, alle bewohnbaren Gebiete aufrechterhalten, sich mit bürgerlichem Recht beschäftigen und durch sein Bespiel die Sitten leiten. Augustus wird in Paralelle zum obersten Gott Jupiter gestellt: Beide sind Vater und Leiter/Lenker. Im hohem Alter werde er zu den himmlischen Sitzen und den ihm erwandten Sternen kommen (Vergöttlichung). Schließlich folgt ein Gebet an die Götter, dies möge spät und erst nach Ovids Lebenzeit geschehen.

Michael von Albrecht, Dichter und Werk. In: P. Ovidius Naso, Metamorphosen : Lateinisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Michael von Albrecht. Mit Radierungen von Pablo Picasso und einem kunsthistorischen Nachwort von Eckhard Leuschner. Stuttgart : Reclam, 2010 (Reclam-Bibliothek), S. 1106:

„Ebensowenig liegt Ovid die Rolle des politischen Ideologen. Seine Generation hat weder die schweren Erfahrungen noch die augusteische Glaubensstärke der vergilischen. In den Metamorphosen spielt das Politische eine verschwindend geringe Rolle. Die Huldigungen an Augustus sind für unseren Geschmack überschwenglich, sie gelten aber nicht dem Menschen, sondern dem Repräsentanten des römischen Weltreiches, das als historischer Kosmos neben dem physikalischen und poetischen in einem römischen »Weltgedicht« nicht fehlen darf. So läßt sich Ovid nicht zu einem Widerstandskämpfer umstilisieren; bei allen persönlichen Vorbehalten gegen Augustus – die man sogar aus dem Epilog herauszuhören meint – sind für ihn das römische Weltreich und sein Herrscher etwas ebenso Selbstverständliches wie der physikalische Kosmos, dessen Regent Iuppiter ja auch trotz aller menschlichen Schwächen in seiner Stellung unangefochten ist.“

Sueton und Tacitus haben rund hundert jahre später als Augustus gelebt.

Sueton

Sueton stand im kaiserlichen Verwaltungsdienst. Seine Meinung ist in seiner Augustus-Biographie zu finden. Darin steht weniger ein Gesamturteil als Bemerken zu vielen einzelnen Gesichtspunkten, in die wie in Rubriken etwas eingeordnet wird.

Lob und Anerkennung überwiegt deutlich. Die Brutalität des Aufstiegs zur Alleinherschaft wird aber in der Schilderung bemerkbar (vgl. z. B. Sueton, Divus Augstus 12 – 15 und 27).

Augustus wird in der Zeit als Princeps als milde, fleißig, sorgfältig, freigiebig, mehr auf Wohlergehen des Volkes als eigenen Ehrgeiz bedacht, sparsam, umgänglich, zugleich streng und gütig dargestellt. Ehebrüche des Augustus bestreiten allerdings auch seine Freunde nicht (Sueton, Divus Augstus 69). Guter Wille zur Wiederherstellung der Republik wird Augustus zugesprochen (Sueton, Divus Augstus 21).


Albrecht  01.12.2015, 08:31

Tacitus

Tacitus war Senator und Geschichtsschreiber. Zum Prinzipat, dessen Begründer Augustus gewesen ist, hat er eine ambivalente Einstellung. Es bedeutet einen Verlust an Freiheit, Wegfall von Gleichberechtigung, Zunahme von Schmeichelei. Andererseits ist Eintracht wertvoll, angesichts eines Zustandes der Bürgerschaft ohne die alte und heile Sittlichkeit drohen schreckliche Bürgerkriege, wenn nicht eine Monarchie Stabilität und Sicherheit verschafft.

Tacitus hebt deutlich den Bruch beim Übergang von der Republik zur Alleinherrschaft hervor. Die angebliche Wiederherstellung der Republik/des Staates mit Übgergabe und Senat und Volk und die rechtlichen Formen beurteilt er als Fassade. Die Herrschaft des Augustus ist dominatio (Tacitus, Annales 1, 3).

Zu Augustus kann in der Hauptsache Tacitus, Annales 1, 1 – 10 herangezogen werden. Tacitus, Annales 1, 9 – 10 wird als ‚Totengericht‘ bezeichnet. Tacitus gibt zuerst lobende und verteidigende Meinungen über Augustus wieder (Tacitus, Annales 1, 9, 3 – 5), dann Tadel und Vorwürfe (Tacitus, Annales 1, 10, 1 – 8). Die schlechten Meinungen über Augustus erhalten mehr Umfang. Tacitus kann erkennen, wie innere Frieden, Sicherheit und Wohlstand in der Gegenwart eher in einem Prinzipat möglich sind. Er betont aber scharf die Schattenseiten.

Literatur in Bibliotheken, die zur Fragestellung nützlich ist:

Angela Pabst, Kaiser Augustus : Neugestalter Roms. Stuttgart : Reclam, 2014, S. 41 – 67 (Augustus' Selbstdarstellung und sein Bild bei der antiken Mit- und Nachwelt)

Wilfried Stroh, Der renintente Ovid und seine Verbannung. In: Ralf von den Hoff /Wilfried Stroh/Martin Zimmermann, Divus Augustus : der erste römische Kaiser und seine Welt. München : Beck, 2014, S. 247 - 268

Ulrich Lambrecht, Herrscherbild und Principatsidee in Suetons Kaiserbiographien : Untersuchungen zur Caesar- und zur Augustus-Vita. Bonn : Habelt, 1984 (Habelts Dissertationsdrucke : Reihe Alte Geschichte ; Heft 19). ISBN 3-7749-2099-0

Stephan Schmal, Tacitus. Hildesheim ; Zürich ; New York : Olms, 2005 (Studienbücher Antike ; Band 14) , S. 63 – 66 und S. 147 – 167

bountyeis  05.12.2015, 16:06
@Albrecht

Superausführliche Kommentare, dem ist nichts hinzuzufügen :)

MOAOROIOE 
Beitragsersteller
 01.12.2015, 18:27

Dankeschön 🙊👍🏻

Zunächst musst du unterschieden, wann die Autoren schrieben! Nur Ovid war ein Zeitgenosse des Augustus, Tacitus und Sueton schrieben rund 100 Jahre später!

Um die Haltung von Sueton und Tacitus zu August herauszufinden, brauchst du nur Suetons nicht allzu umfangreiche Biographie und den Anfang der Annalen des Tacitus zu lesen, dann weißt du Bescheid. Es gibt ja genügend deutsche Übersetzungen.

Wenn es um einen Zeitgenossen geht: wer hat sich denn ausgerechnet Ovid herausgesucht und warum? Wäre es nicht sinnvoller, einen Historiker wie Livius oder Velleius Paterculus zu Rate zu ziehen? Oder einen Dichter wie Horaz? Aber bitte.

Zur Einführung zu Ovid empfehle ich folgendes kompakte Büchlein:

Michael von Albrecht: Ovid. Eine Einführung. 2003.

Auch sehr gut:

Niklas Holzberg: Ovid. Dichter und Werk. 3. Aufl. 2006.

MfG

Arnold