Hat Faust in "Faust I" Gretchen wirklich geliebt? Immerhin glaubt er ja in dieser Liebe die Erfüllung seines Seins zu finden und will sie aus dem Kerker retten?

2 Antworten

Es geht ganz einfach um einen lüsternen Mann, der auf Teufel komm raus eine Minderjährige verführen will.

Faust liebt Margarete von Herzen, aber er liebt sie auch körperlich (was ja zur Liebe dazugehört). Die Liebe Fausts wird vor allem in der Kerkerszene von „Faust 1“ deutlich: Er will sie unter allen Umständen vor dem Tode retten, die Kindsmörderin und (angebliche) Muttermörderin Margarete. Sogar bis in den Kerker dringt er mit Hilfe Mephistos vor. Auch seine Bitten beweisen seine Liebe: „Ein Liebender liegt die zu Füßen...!“ „Du bringst mich um!“ „Ich bleibe bei dir!“ „Der Tag graut! Liebchen! Liebchen!“ „O wär ich nie geboren!“


In "Wald und Höhle" wird die Liebe Fausts ebenfalls deutlich. Er beschimpft Mephisto, als dieser die Geliebte Fausts verhöhnt: „Schlange! Schlange!“ „Pfui über dich!“ „Kuppler!“

Allerdings sieht er zugleich den Tod dieser Liebe vor Augen: „Bin ich der Flüchtling nicht? Der Unbehauste? Der Unmensch ohne Zweck und Ruh, der wie ein Wassersturz... Und seitwärts sie, mit kindlich-dumpfen Sinnen, im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld, und all ihr häusliches Beginnen, umfangen in der kleinen Welt! Und ich, der Gottverhasste,.... dass ich die Felsen fasste und sie zu Trümmern schlug: Sie, ihren Frieden musst ich untergraben! Du, Hölle, musstest dieses Opfer haben!“ -


Faust, dessen Geist sich in gewaltigen Höhen bewegt, der danach strebt, zu erfahren, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, der viel weiß, jedoch alles wissen möchte (s. Monolog im Studierzimmer), weiß instinktiv, dass seine Liebe zu einem kleinbürgerlichen Mädchen, dessen „kindlich-dumpfes Sinnen“ sich allein auf die Gemütlichkeit im eng umzirkelten Kleinbürgerhause („Hüttchen“) mit hübschem Gärtchen richtet, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Das tut der Liebe aber keinen Abbruch, allenfalls könnte man von einer Verantwortungslosigkeit Fausts sprechen, aber der Rausch der Liebe lässt rationale Gedanken nicht aufkommen.

Das Faust - Gretchen -Verhältnis steht stellvertretend für alle Mesalliancen, die es immer wieder gibt. Der Mann liebt eine Frau innig, aber sie passt absolut nicht zu ihm und er nicht zu ihr. Sie schwören sich immerwährende Liebe, aber wegen der „Mesalliance“ wird diese Liebe an der Wirklichkeit scheitern (von Ausnahmen vielleicht abgesehen).