Hallo, ich habe eine Frage, was versteht ihr unter diesen Zeilen von diesen kleinen "Lied"? (Aus dem Buch, "Die Löcher" von Louis Sachar

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Ich will nicht allzu viel Moralphilosophie in das Gedicht hineininterpretieren, aber man kann es so verstehen:

Jeder muss sich damit abfinden, dass das Leben nicht immer einfach ist, dass man gegen Widrigkeiten ankämpfen muss. Wenn das Holz weicher wäre, könnte der Specht leichter seine  Nahrung finden, aber andererseits ist er vor dem hungrigen Wolf in Sicherheit, da dieser nicht fliegen kann.

Quintessenz: Jede Medaille hat  zwei Seiten; es gibt keine Rose ohne Dornen, jeder Vorteil ist mit Nachteilen verbunden, man kann nicht immer nur Gluck haben,...

Ich könnte mir vorstellen, dass diese Zeilen im Zusammenhang mit den Zeilen, mit denen das Buch schließt, betrachtet werden können.

Das von dir zitierte Lied sang die Mutter von Stanley ihrem Sohn vor.
Das Lied am Ende sang die Mutter von Zero ihrem Sohn vor.
Es gibt eine Anspielung, während die beiden rund um Green Lake unterwegs sind, als Stanley Zero fragt, ob er das Lied kenne. Es kommt ihm irgendwie bekannt vor, irgendwie auch nicht - er geht nicht näher darauf ein.

An dieser Stelle möchte ich beide einmal wiedergeben:

"Wenn, ja wenn", seufzte der Specht,
"die Rinde am Baum nur ein bisschen weicher wär!"
Und unten lauert der Wolf,
hungrig und einsam heult er zum Mond,
zum Mo-ho-hond:
"Wenn, ja wenn!"

Wenn, ja wenn,
doch der Mond bleibt stumm,
er wirft das Sonnenlicht zurück
und alles, was sonst vergangen ist.
Sei stark, mein müder Wolf, dreh dich nur mutig um.
Flieg hoch hinauf, mein Vögelchen,
mein Engelchen, mein Alles.

Im Gedicht Nr. 1 ist es zunächst der Specht, der sich wünscht, dass das Leben einfacher wär. Er könnte fliegen, aber hat Mühe an Nahrung zu gelangen.
Der Wolf heult dem Mond zugewandt, ist hungrig und kann nicht fliegen, ergo seine Nahrung auch nicht erlangen.

In Gedicht Nr. 2 erwidert der Mond, der vom Wolf angeheult wird, nichts. Er wirft nur Licht "zurück", spiegelt es wider - er kann die Klage nicht hören, nur die Vergangenheit aufzeigen (das Licht erzeugt er nicht, es kam zuvor von der Sonne und er zeigt es "uns" nur).
Der Wolf soll stark sein und sich mutig (nach vorn) umdrehen. In Gedicht Nr. 1 heult er zum Mond, zur Vergangenheit. Er soll diese zurück lassen und sich der Gegenwart bzw. Zukunft hinwenden.
Die nächste Zeile ist für mich doppeldeutig. Sie kann sich an den Specht richten, sodass auch er fliegen soll. Oder aber - da es ja "mein müder Wolf" ist und "mein Vögelchen" könnte es einfach dafür stehen, dass er durch das Abwenden von der Vergangenheit "beflügelt" in die Zukunft aufsteigen soll.

Im Buch wird ja die Vergangenheit von Green Lake aufgearbeitet. Alles kehrt wieder: in neuem Licht, aber unter den Prämissen der Vergangenheit: Die Zwiebeln, die "Mary Lou", die den Jungs Zuflucht bietet, der Ssplisch, der geraubte Schatz aus Rache usw. Am Ende füllt sich der See offenbar wieder, die Vergangenheit scheint "in Ordnung gebracht" worden zu sein und die Menschen können in die Zukunft schauen und "fliegen". Der obdachlose Zero hat lesen gelernt, ist ein Mathe-Ass und hat seine Mutter gefunden sowie ein großes Vermögen erhalten.
Stanley, der "Höhlenmensch" hat durch seine Empathie, aber auch durch seine Bereitschaft, Zero das lesen zu lehren bzw. zu helfen, aber auch durch seinen naiven Glauben an das Gute den "Schatz" aus den Klauen der Nachkommen von Green Lake befreit. Er hat die "harte Rinde" durchbohrt, auch der Vater ist erfolgreich und auch Zero kann nun den Blick nach vorne wenden, nachdem er seine Mutter gefunden hat. Der Pfirsich kehrt wieder, das Leben blüht...

Das wäre meine vorsichtige Interpretation - man müsste sich mal die Zeilen im Original anschauen. In der Übersetzung kann auch immer etwas verloren gehen.