Goethe Am Flusse Interpretation?

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Das Gedicht „Am Flusse“ ist vor 1770 entstanden und bezieht sich auf die gescheiterte Liebe des Dichters zu Käthchen Schönkopf, der Gastwirtstochter aus Leipzig. Da er Käthchen durch seine „böse Laune“, wie er in „Dichtung und Wahrheit“ später schrieb, und durch allerlei „Quälereien“ selbst dazu veranlasste, dass sie sich von ihm endgültig zurückzog, er sie allerdings nach wie vor liebte, hat er das Verhalten des Mädchens als Treulosigkeit empfunden, die er ja in dem Gedicht beklagt: „Nun spricht sie meiner Treue Hohn.“ Im August 1768 reist er von Leipzig ab. Er ist erkrankt, steht vor Käthchens Haus, nimmt aber nicht Abschied.

Das Gedicht hat ein regelmäßiges metrisches Schema: jeweils 4-taktiger Jambus in allen Versen der zwei Strophen, regelmäßiger Kreuzreim mit wechselnden klingenden und stumpfen Versschlüssen: - ieder - heit; wieder - zeit.

Die Regelmäßigkeit dieser Metrik steht im Gegensatz zum Inhalt, der von verschmähter Liebe und Treulosigkeit handelt. Jedoch ist von einer Gefühlsaufwallung wie im späteren Sturm und Drang noch nichts zu spüren. Das lyrische Ich spricht eigentlich ziemlich distanziert von seiner verflossenen Liebe.

Die „vielgeliebten Lieder“, die das Ich für die Geliebte gesungen hat, sollen, wie es sagt, „verfließen“, also mit dem Fluss verschwinden, zum Meer hin. Hier taucht eine eindrucksvolle Metapher auf („Meer der Vergessenheit“). Damit wird bildhaft ausgedrückt, wie die Lieder im Meer für immer versinken. Dass die Lieder für immer versunken sein sollen, wird durch die Verse 3 und 4 noch stärker betont und unterstrichen: kein Knabe, kein Mädchen soll sie erneut singen, schon gar nicht „entzückt“ und auch kein Mädchen „in der Blütenzeit“, da das lyrische Ich dann zu sehr an die Geliebte erinnert wird. Auch die Ausrufezeichen (eigentlich müssten es mehr als eins sein) drücken den intensiven Wunsch des lyrischen Ichs aus, von den Liedern Abschied zu nehmen. „Mädchen in der Blütenzeit“ ist auch eine Metapher und beschreibt bildhaft die jugendliche Schönheit der Mädchen, was ihn sofort an seine Liebe erinnert.

In der zweiten Strophe erfahren wir den Grund, weshalb das Ich derart die „vielgeliebten Lieder“ geradezu verwünscht. Diese Lieder sangen nur von seiner Liebe und seiner Treue zu ihr; sie aber, seine Liebe, spricht seiner Treue Hohn, d.h. sie hat ihn verlassen. Im 3. Vers der 2. Strophe folgt wieder eine Metapher: Die Lieder waren „ins Wasser eingeschrieben“; damit soll gesagt sein, dass die Liebeslieder sozusagen - wegen der Untreue der Geliebten - ins Wasser gefallen sind. Sie waren, wie man auch noch sagt: ein Schlag ins Wasser gewesen. Also sollen sie auch mit dem Wasser davon fließen, Richtung Meer der Vergessenheit. Eventuell könnte man die Metapher auch so deuten: „ins Wasser eingeschrieben“ heißt so viel wie, das Ich hat viele Tränen um seine Liebe vergossen.