Die Figur Faust (Goethe) als Archetypus der Moderne?

1 Antwort

Ich denke, das ist viel zu allgemein gefasst und deshalb falsch.

In Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland u.a. Staaten ist ein echter Mann zwar einerseits ein Macho im Sinne Goethes verjüngten Heinrich, aber andrerseits nur ein ernstgenommener Mann, wenn er als Vater seiner Familie bestehen kann, was dem egozentrischen Wissenschaftler Dr. Faust ja eben jahrzehntelang nicht gelingt.

Im zweiten Teil der Tragödie ist Faustus zwar ein Geld- und Machtmensch für die Regierenden, geht jedoch selbst daran mit unter und wird von Gott errettet, weil er angeblich sein Leben lang nach dem Guten gestrebt habe - so denkt Goethe eben über sich selbst - und am Ende die Verherrlichung des Ewig-Weiblichen verkündet.

Aus meiner Sicht ist Faust, d.i. Goethe selbst, ein vollkommen beziehungsunfähiger Mann, der nur seiner eigenen Verwirklichung nachstrebt, bis ihm im Alter das Licht (Gottes Ethik) aufgeht, dass sein Leben ohne Liebe zu einem anderen Menschen vollkommen sinnlos war...

Goethe verstand nicht einmal, dass seine Farbenlehre, die er für einen naturwissenschaftlichen Meilenstein hielt, reine Spekulation war/ist, und, dass die Geisteswelt seiner belletristischen Literatur ein für seine Zeit typischer Ausdruck der religionsverursachten patriarchalischen Ethik war, gar keine zutiefst menschliche Philosophie.

Doch weil sie so höchst kunstvoll ist, wird sie noch heute als historisches Denkmal gelesen und durchdacht. So ist Faust vielleicht immerhin der Archetypus des deutschen hochgebildeten Mannes der Jahrhundertwende um 1800. Mehr nicht!


kaugummizigarre 
Beitragsersteller
 14.03.2022, 18:53

Könntest du mir nochmal konkret Argumente geben, welche dagegen sprechen, dass er der Archetypus der Moderne ist? Das war ein bisschen schwierig rauszufiltern. Danke :)

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sergius  13.03.2022, 16:14

Eine sehr "gebildete" Antwort, die im wesentlichen zutreffen dürfte. Der letzte Satz allerdings will mir nicht recht gefallen. Den "faustischen" Menschen, der nach Erkenntnis der Welt und ihrer Kräfte strebt, gibt es auch heute noch, allerdings auf einem wesentlich höheren Grundwissensstand als im 15./16.Jahrhundert des goetheschen Faust (dieser ahnte nicht einmal etwas von heutigem Interrnet, Algoritmen. W-LAN usw.usw.)

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