Falls du familiäre Gewalt erlebt hast: Wie hat sich das auf dein Leben ausgewirkt?

Ich habe Bindungsängste, bin generell sehr misstrauisch und habe große Probleme mit Körperkontakt. Und ich habe sehr früh Angststörungen, Depressionen und eine Essstörung entwickelt.

Dadurch hatte ich immer schlechte Noten und war Arbeitsunfähig, weil ich mir nichts zutraute. Habe mich von anderen Menschen sehr schlecht behandeln lassen, weil ich es nicht anders kannte. Und ich möchte niemals Kinder, weil ich niemandem antun will, was mir angetan wurde.

Ich habe Gewalt nicht in der Familie, aber in meinem kompletten Umfeld (einfaches, leicht reizbares Arbeitermilieu, ein Mann ist ein Mann und Gewalt sei immer eine Lösung) und in der Schule erlebt, teilweise durch einen prügelnden Lehrer, der es vor allem auf meinen Cousin und mich abgesehen hatte, weil er mit unserer Oma und unserem Onkel "ein Problem hatte". Ich habe es miterlebt, wie Kinder gedemütigt und verletzt wurden, wie sie schrien und quietschten, wie Tiere gequält wurden und wie alte Leute geschlagen wurden. Es war furchtbar und ich bin froh, dass ich da längst weggezogen bin.

Ich habe auch mal miterlebt, weil ein in meiner Heimat stadtbekannter damals 80-jähriger Schwuler (!) von ein paar Halbstarken im Park umgeworfen und vermöbelt wurde, bis er am Boden lag und sich vor Schmerz krümmte - immerhin ging das vor Gericht und auf einmal (ich war Zuschauer der Verhandlung) weinten die "harten Kerle", sie wollten bitte nicht in den Knast, weil die Freundin doch schwanger ist und so weiter. Ich bin mit dem alten Mann bis heute befreundet, er ist inzwischen 90 und immer noch relativ fidel.

Als wir im letzten Jahr nach rund 20 Jahren ein Klassentreffen hatten, erkannte ich in einigen "Jungs" von damals übrigens durchaus die Verhaltensweisen ihrer Väter und teilweise ihrer Opas, solange ich die kannte, wieder und bei den "Mädchen" erkannte ich teilweise die Mütter von damals wieder, die zwar sagten, ihr Mann würde sie durchaus regelmäßig schlagen "ja aber nur wenn man es verdient hat, net" und man würde sie doch ach so sehr lieb haben.

Es hat in mir eigentlich nur den Wunsch ausgelöst, absolut gewaltfrei zu sein und das habe ich bis heute geschafft. Ich setze mich auch für psychisch Erkrankte ein und habe jahrelang ehrenamtlich Altenwerk gemacht. So aggressive Arbeitertypen mögen sich vllt. über mich lustig machen und mich als Schlappschwänzer oder irgendsowas bezeichnen, aber ich löse Probleme anders und mit Sicherheit nicht durch körperliche oder verbale Gewalt - durch scharfe Rhetorik eventuell ja, aber das muss manchmal leider sein. Ich bin auf meine Weise sehr erfolgreich geworden und merke erst als Erwachsener so richtig, was mir daheim erspart blieb - die bleierne Spießigkeit und die humanistischen Ideale in meiner Familie waren zwar gerade als Jugendlicher anstrengend, aber es ging mir gut und es fehlte an nichts.

mein Leben wurde komplet zerstört und bin seit jahren in Therapie.

Habe nicht nur körperliche gewalt erlebt sondern auch sexuelle