Exilgedichte Beispiele?

4 Antworten

 

Andre, die das Land so sehr nicht liebten
War'n von Anfang an gewillt zu geh'n
Ihnen – manche sind schon fort – ist besser
Ich doch müsste mit dem eig'nen Messer
Meine Wurzeln aus der Erde dreh'n!

Keine Nacht hab' ich seither geschlafen
Und es ist mir mehr als weh zumut –
Viele Wochen sind seither verstrichen
Alle Kraft ist längst aus mir gewichen
Und ich fühl', dass ich daran verblut'!

Und doch müsst ich mich von hinnen heben –
Sei's auch nur zu bleiben, was ich war
Nimmer kann ich, wo ich bin, gedeihen
Draußen braucht ich wahrlich nicht zu schreien
Denn mein leises Wort war immer wahr!

Seiner wär ich wie in alten Tagen
Sicher; schluchzend wider mich gewandt
Hätt' ich Tag und Nacht mich nur zu heißen –
Mich samt meinen Wurzeln auszureißen
Und zu setzen in ein andres Land!

Andre, die das Land so sehr nicht liebten
War'n von Anfang an gewillt zu geh'n
Ihnen – manche sind schon fort – ist besser
Ich doch müsste mit dem eig'nen Messer
Meine Wurzeln aus der Erde dreh'n!

Nach dem sogenannten "Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich" schreibt der jüdische Sozialdemokrat Theodor Kramer den Text dieses Liedes, in welchem er seinen Schmerz über seinen unvermeidlichen Weggang von seiner Heimat ausdrückt. 1939 konnte Kramer nach London ins Exil flüchten.

"Exilgedichte" sind ein Teil der Exilliteratur. 

Sie stammen von Dichtern, die politisch gezwungen sind, im Ausland zu schreiben.

Der Begriff wird aber auch für Gedichte von Autoren verwendet, die in ihrem Land bleiben, jedoch nur im Ausland publizieren können.

"Exilliteratur als generelles Phänomen entstand mit den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts, als zahlreiche protestantische Dichter ihre katholischen Heimatländer verlassen mussten. Bis zum 17. und 18. Jahrhundert war Exilliteratur weitgehend religiöse Literatur; Ende des 18. Jahrhunderts gewann die politische Exilliteratur an Bedeutung.

Im 19. Jahrhundert publizieren die deutschen Exilschriftsteller Heinrich Heine, Ludwig Börne, Ferdinand Freiligrath und Georg Büchner[1] in Paris bzw. London. (...)" (Wikipedia)

Hwi, AishaAbi18, win wunderschönes Exilgedicht stammt von Ingeborg Bachmann. Es heißt auch so: "Exil". Es beginnt "Ein Toter bin ich der wandelt / gemeldet nirgends mehr...." Und es folgten u.a. die wunderschönen Zeilen "...und mit nichts bedacht / Nur mit Wind mit Zeit und mit Klang". 

Grüße!

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