Ermitteln Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Mirandola und Prometheus-Mythos?

2 Antworten

Mit dem Prometheus-Mythos ist anscheinend der Mythos gemeint, den Platon in seinem Dialog »Protagoras« darbietet. Eine Figur des Dialogs, der zu den Sophisten gezählte Philosoph Protagoras, erzählt im Zusammenhang mit der Frage nach der Lehrbarkeit der Tugend/Vortrefflichkeit (ἀϱετή) einen Mythos (Platon, Protagoras 320 c – 323 a).

Giovanni Pico della Mirandola versucht in der Rede (oratio), die später den Titel „De hominis dignitate“ („Über die Würde des Menschen“) erhielt, die Würde (dignitas) des Menschen darzulegen, eine Vorrangstellung (Vorzüglichkeit/Vortrefflichkeit) unter den irdischen Lebewesen.

einige Einfälle zu der Fragestellung:

Gemeinsamkeiten

  • göttliche Erschaffung des Menschen und göttliche Herkunft seiner Eigenschaften/Fähigkeiten: Der Mensch ist gottgeschaffen und von Gottheiten bzw. Gott mit Eigenschaften/Fähigkeiten ausgestattet.
  • Der Mensch kommt bei der Ausstattung als letzter an die Reihe und für ihn ist keine besondere Gabe mehr übrig.Sonderstellung des Menschen: Der Mensch hat eine besondere Stellung unter den Lebewesen, mit der er sich von anderen irdischen Lebewesen abhebt und unter ihnen herausragt bzw. herausragen kann.
  • Vernunftbegabung des Menschen
  • Religiosität des Menschen: Der Menschen kann Religion entwickeln und Gottheiten bzw. Gott verehren/bewundern (Prometheus-Mythos: Der Mensch glaubt aufgrund der Teilhabe an göttlichen Vorzügen als einziges der Geschöpfe an Gottheiten und beginnt Altäre und Götterbilder zu errichten. ausgestaltete Sprache; bei Giovanni Pico della Mirandola wird der Mensch erschaffen, damit es jemand gibt, der die Konstruktion der Welt, des großen Schöpfungswerk Gottes, beurteilt und wertschätzt, die Schönheit liebt und die Größe bewundert)
  • Möglichkeit der Selbstgestaltung des Menschen als eines Kulturwesens (im Prometheus-Mythos nach späterer Beschenkung mit den dafür erforderlichen Fähigkeiten; bei Giovanni Pico della Mirandola erklärt Gott in einer Rede dem erschaffenen ersten Menschen, dieser sei Bildner und Gestalter (plastes et fictor) seiner selbst.

Albrecht  06.05.2015, 08:46

Unterschiede

  • Anzahl der beteiligten Gottheiten: Im Prometheus-Mythos gibt es mehrere beteiligte Gottheiten (dem Polytheismus der antiken griechischen Religion und Mythologie entsprechend), bei Giovanni Pico della Mirandola einen Gott (christlicher Monotheismus).
  • erforderliche Nachbesserung zur Existenzsicherung des Menschen im Prometheus-Mythos
  • Ausstattung mit Fähigkeiten: Im Prometheus-Mythos ist der Menschen mangelhaft mit natürlichen Fähigkeiten ausgestattet und erhält nachträglich als Ausgleich (Kompensation) kulturelle Gaben, bei Giovanni Pico della Mirandola ist der Mensch mit einer Fülle von Fähigkeiten ausgestattet ohne irgendeinen schwerwiegenden Mangel, der ihn in Schwierigkeiten bringt.

Im Prometheus-Mythos gibt es eine Bedürftigkeit und Unterlegenheit des Menschen gegenüber wilden Tieren in den natürlichen Fähigkeiten. Der Mensch ist mit natürlichen Mitteln mangelhaft ausgestattet. Bei der Zuteilung von Fähigkeiten, die bei der Lebenserhaltung helfen, hat er nichts bekommen, weil schon alles vergeben war. In der Neuzeit ist dafür der Begriff »Mängelwesen« geprägt worden, allerdings wird von Platon das Wesen des Menschen nicht wegen der Unterlegenheit (z. B. in der Kraft und Schnelligkeit) und Bedürftigkeit als damit bestimmt verstanden, ein Mängelwesen zu sein.

In zwei Stufen geschieht ein Ausgleich, zuerst vor allem gegen die Bedrohung durch wilde Tiere, dann gegen das Scheitern von Versuchen, sich zusammenzuschließen und politische Gemeinschaften/Staaten zu gründen, weil die die Menschen sich Unrecht antun, einander schaden und sich daher wieder zerstreuen.

Prometheus stiehlt notgedrungen, weil sein Bruder Epimetheus beim Zuteilen der Fähigkeiten für den Menschen nichts mehr übriggelassen hat, das technische Können/die technische Intelligenz (ἔντεχνος σοφία) der Gottheiten Hephaistos und Athene zusammen mit dem Feuer und schenkt dies dem Menschen. Zur handwerklichen Kunstfertigkeit/Technik (δημιουϱγικὴ τέχνη) vorhanden ist, kommt dann noch politische/gemeinschaftsbezogene Kunstfertigkeit/Technik (πολιτικὴ τέχνη). Zeus schickt, als die Menschen in Gefahr sind auszusterben, Hermes, der ihnen sittliche Scheu/Ehrfurcht/Respekt/Schamgefühl (αἰδώς) und Recht/Rechtsempfinden/Gerechtigkeit (δίκη) bringt. Jeder Mensch bekommt daran Anteil. Der Mensch kann nur mit Hilfe von technischen Fähigkeiten und Kulturtechniken existieren, die auf der ihm vermittelten Intelligenz/Kunstfertigkeit/Klugheit/Einsicht beruhen.

Bei Giovanni Pico della Mirandola ist zwar nichts übrig, was der Mensch als ausschließlich ihm eigentümliche besondere Eigenschaft bekommen kann, aber erhält von allem, was für die einzelnen Lebewesen eine besondere Ausstattung war, einen Anteil. Der Mensch ist dadurch gekennzeichnet, von unbestimmter Gestalt/Beschaffenheit, wandlungsfähig und zu Selbstbestimmung hingestellt zu sein. Es gibt eine Offenheit darin, wie er sich verhält und sich selbst formt. Der Mensch ist nicht festgelegt und in engen Schranken gehalten. Er kann nach eigenem Ermessen entscheiden und handeln. Auf dieser Freiheit beruht seine Würde. Der Mensch hat eine Zwischenstellung zwischen Irdischem und Himmlischen, Sterblichem und Unsterblichem, Tierheit und Gottheit. Er kann in tierische Niederungen entarten oder sich in göttliche Höhen erheben.

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Also den Prometheus-Mythos findest Du im Netz. Die Version des Pico della Mirandola findest Du hier:

http://carl-gibson.blogspot.de/2011/06/einsamkeit-und-freiheit-pico-della.html

Wenn Du beide vergleichend durchliest, siehst Du schnell den Unterschied: Im Prometheus-Mythos wird der Mensch als Mängelwesen dargestellt. Bei Pico della Mirandola als Potenzwesen, ein Wesen, dem alle Selbstverwirklichung in Freiheit gegeben ist, die Möglichkeit sowohl wie ein Tier aber auch wie ein Gott zu leben.