dramatische und höchstemotionale Monologe?

10 Antworten

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Hochemotionale Monologe in der dramatischen Literatur sind Legion! Mein emotionaler Lieblingsmonolog ist die Eingangsrede in Shakespeares „Richard III.“ Ich stelle sie über den berühmten Hamletmonolog. Die ganze unerreichte metaphorische Meisterschaft Shakespeare zeigt sich in diesem Monolog. In der kongenialen Übersetzung A. W. v. Schlegels sitzt jede Metapher und ist gleichzeitig oft so weit hergeholt, so ungewöhnlich, dass man, wollte man das nachahmen, von vornherein scheitern müsste. Der verwachsene Richard erklärt dem Zuschauer, warum er beschloss, ein Bösewicht zu werden. Mit diesem Richard muss man einfach Mitleid haben, auch wenn er noch so ein scheußlicher Mensch ist: „Nun ward der Winter unsers Missvergnügens glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks....“ Zweitens: der berühmte Macbeth-Monolog (2. Akt, 1. Szene): „Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke...“ Die Übersetzung ist nicht so kongenial wie bei A. W. Schlegel, deshalb sollte man besser die Originalversion vorziehen: „Is this the dagger which I see before me? I see thee not, but yet I see thee still...“ Oder Macbeth’ Betrachtungen über das Leben, nachdem ihm der Tod der Lady Macbeth gemeldet wird: „Sie hätte später sterben soll’n....Aus kleines Licht, Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild....“ (Auch hier besser die Originalversion vorziehen: „Life’s but a walking shadow, a poor player...“) Wie ist es mit Antonius’ berühmter Trauerrede vor Caesars Leichnam? (Shakespeare „Julius Caesar“, 3. Akt, 2. Szene: “Mitbürger! Freunde! Römer! Hört mich an...“) Oder der Kurzmonolog des Antonius vor der Leiche des Brutus: „Dies war der beste Römer unter allen....“ (Schluss des Dramas). Hochemotional ist auch der Hamletmonolog im 1. Akt, 2. Szene: „O schmölze doch dies allzu feste Fleisch...“ Weitere berühmte Hamlet-Monologe: „Engel und Boten Gottes steht uns bei....!“ (im Angesicht des Geistes seines Vaters) oder Hamlets Räsonnieren über sein Zweifeln und Zögern im 4. Akt, 5. Szene: „Wie jeder Anlass mich verklagt und spornt die träge Rache an...“ mit der berühmten Stelle: „Was ist der Mensch, wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.....“ Überhaupt ist „Hamlet“ voll von unglaublich emotionalen Monologen. Desgleichen Goethes „Faust I“: z.B. „Wald und Höhle“: „Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles...“ Oder: Fausts Monolog, in dem er seinen Suizid ankündigt: „Ich grüße dich, du einzige Phiole...“ Und sein Monolog, nachdem er durch den Chor der Engel davon abgehalten wurde: „Was such ich, mächtig und gelind....“ bis zu dem Schlusssatz: „Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!“ – Auch Schillers Sturm-und-Drang-Drama „Die Räuber“ wimmelt von hochemotionalen Monologen: z.B. Franz Moor im 2. Akt, 2. Szene: „Tot, schreien sie, tot! Jetzt bin ich Herr. Im ganzen Schlosse zetert es tot!“ Oder 5. Akt, 1. Szene – Franz Moor: “Pöbelweisheit, Pöbelfurcht!...“ Oder 2.Akt, Anfang – Franz Moor: „Es dauert mir zu lange....“ Karl und Franz Moor reden in ihren Monologen fast nur hochemotional.

lieber Denosaurier, habe mir zwei der vorgeschlagenen Links angeschaut und muss/will dir sagen, dass du nach meiner einschätzung mit Filmmonologen auf einer nicht erfolg versprechenden richtung setzt. Wenn du an einer Theater-schauspielschule vorsprechen willst, gibt es Büchersammlungen mit nur monologen drin (obwohl ich dir raten würde, wenn du dich für einen entschieden hast, dann auch das ganze stück zu lesen...um diese momentaufnahme der figur (im monolog) in ihrer entwicklung und dem gesammtzusammenhang zu sehen...um mehr bedeutung darin und differenzierter zu erkennen, spielend drauf eingehen zu können. diese filmmonologe sind "emotional", da gebe ich dir recht, jedoch gehen sie oft in (nur) eine richtung...hin zu einem höhepunkt. sie haben jedoch keinen bruch, keine wendung in sich, wo sich die figur entwickeln müsste, weil sie an eine (existenzielle) grenze kommt - das haben gute theatermonologe an sich. dramatische theatertexte sind meistens komplexer...weil sie meistens von grossen dichtern geschrieben wurden. und auch wenn ich filme auch sehr mag und oft schaue, sind sie doch ein vermarktungsprodukt zur unterhaltung einer breiten masse...wo genau durch "emotionalität" der zuschauer vereinnahmt werden soll. theater funktioniert da mehr über zwiespältiges, widersprüchliches...wo man in eine innere auseinandersetzung gerät, wo es nicht so einfach ist, mit dem herzen oder kopf einfach JA oder NEIN zu sagen. hoffe du kannst verstehen - und wünsche dir viel glück bei deinem unterfangen ...es ist hart und schön an einer schauspielschule;)!


aurata  27.10.2012, 00:57

tolle Antwort! :-)

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Denosaurier 
Beitragsersteller
 27.10.2012, 01:59

ich danke dir wirklich sehr für deine antwort! für mein vorsprechen habe ich mir bereits hamlets "sein oder nicht sein" monolog und würde ebenso gern jagos monolog aus "othello" auswählen. der film "blow" von ted demme aus dem jahre 2001, enthält einen wirklich sehr großen monolog, den ich ebenfalls auswählen möchte, da ich glaube mich gut mit dem darsteller identifizieren zu können. dieses ist der monolog: https://www.youtube.com/watch?v=39iglWfwh-Y was würdest du dazu sagen?

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sophokles79  28.10.2012, 21:25
@Denosaurier

der film mag in einer "authentischeren" weise von menschlichen Lebensgeschichten erzählen, schätze das grundproblem aber ähnlich ein. es ist eigentlich nur noch ein nacherinnern...wo schon alles klar ist. ein monolog im theater bedeutet meistens eine direkte auseinandersetzung im moment.

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le cid, von Pierre Corneille, Monolog des alten Don Diego, als ihm plötzlich klar wird, dass seine kraft ihn verlassen hat und er Don Gormas wegen Beleidigung nicht selbst zum Duell auffordern kann:

Oh rage, oh desespoir, o vieillesse ennemie...

git's sicher auch auf D...

dann, sehr berühmt (damals sehr Auffrührerisch): der Monolog des figaro in "le mariage de figaro" (die hochzeit des figaro) von Beaumarchais... er denkt, dass seine Braut ihn mit dem Grafen betrügt und regt sich darüber auf, dass Adelige alles dürfen (sher revolutionör, wurde auch verboten)...

dann gibt es so einen ähnlichen Monolog in "Le roi s'amuse" von Victor Hugo (Vorlage für Rigoletto von Verdi): der König verführt die Tochter seines Hofnarrs, der Hofnarr ist empört, was er sich erlaubt und fndet es gar nicht mehr lustig, beschliesst König zu töten..

Dann die Todesszene der Phèdre in Phèdre von Jean Racine.

Dann in Kabale und Liebe von Schiller "vater, ich kenn das Wort Vater nicht mehr"

Dann in Lulu von Frank Wedekind "ich bin verstümmelt" (im letzten Akt)

Ich stimme sophokles völlig zu. Ich würde für ein Vorsprechen an einer Schauspielschule nie einen Monolog aus einem Film auswählen. Die Gründe hat er ja bestens vorgebracht. Was mir auffällt, der Gute alte Shylock Monolog aus "Der Kaufmann von Venedig" wurde bisher überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Auch die Ansprache Brutus' am Sarg des Julius Caesar hat noch keiner vorgeschlagen. Immer wieder ein Kabinettstückchen ;-) BRUTUS Seid ruhig bis zum Schluß! Römer! Mitbürger! Freunde! Hört mich meine Sache führen und seid still, damit ihr hören könnt! Glaubt mir um meiner Ehre willen und hegt Achtung vor meiner Ehre, damit ihr glauben könnt! Richtet mich nach eurer Weisheit und weckt eure Sinne, um desto besser urteilen zu können. Ist jemand in dieser Versammlung, irgendein herzlicher Freund Cäsars, dem sage ich: Des Brutus Liebe zum Cäsar war nicht geringer als seine. Wenn dieser Freund dann fragt, warum Brutus gegen Cäsar aufstand, ist dies meine Antwort: Nicht, weil ich Cäsarn weniger liebte, sondern weil ich Rom mehr liebte. Wolltet ihr lieber, Cäsar lebte und ihr stürbet alle als Sklaven, als daß Cäsar tot ist, damit ihr alle lebet wie freie Männer? Weil Cäsar mich liebte, wein ich um ihn; weil er glücklich war, freue ich mich; weil er tapfer war, ehr ich ihn; aber weil er herrschsüchtig war, erschlug ich ihn. Also Tränen für seine Liebe, Freude für sein Glück, Ehre für seine Tapferkeit und Tod für seine Herrschsucht. Wer ist hier so niedrig gesinnt, daß er ein Knecht sein möchte? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Wer ist hier so roh, daß er nicht wünschte, ein Römer zu sein? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Wer ist hier so nichtswürdig, daß er sein Vaterland nicht lieben will? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Ich halte inne, um Antwort zu hören.


schillibilli  28.10.2012, 15:42

Oooops Haldor, hab' Dich total übersehen. Halt vor lauter Wald..... ;-) Natürlich sowieso die ausführlichste und beste Antwort. Dicker Daumen.

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Ist auch Oper genehm?

Monolog König Philips aus Don Carlo, Giuseppe Verdi: "Sie hat mich nie geliebt" (Ella giammai m'amo).

Auch wunderschöne Musik zu emotionalem Text

youtube: Habe extra eine deutsche Version gesucht. Italienisch gibt es etliche, wenn Du möchtest.

http://www.gutefrage.net/frage/dramatische-und-hoechstemotionale-monologe