Der ganz normale Wahnsinn oder habe ich versagt?
Liebe Community,
ich arbeite seit fünf Jahren in einem Altenheim als Betreuungskraft für den sozialen Dienst (keine pflegerischen Tätigkeiten). Ich komme soweit gut klar, weiß aber, dass ich immer noch an meinem selbstsicheren Auftreten arbeiten muss.
Diese Woche bemerkte ich, dass meine Vorgesetzte nicht gut auf mich zu sprechen war. Vielleicht hängt es damit zusammen, was letzten Sonntag vorgefallen ist.
Wie jedes Jahr an Palmsonntag gingen wir mit den Bewohnern zum Gottesdienst in die Kirche. Einen Tag vorher wurden die Pflegekräfte auf allen Wohnbereichen angewiesen dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Bewohner zu einer bestimmten Uhrzeit fertig sind zum Aufbruch.
Als ich am Sonntagmorgen auf den Wohnbereich kam, kam mir eine Bewohnerin ohne Fußstützen und leicht bekleidet entgegen. Da ich die Fachpflegekraft nirgendwo sah, sprach ich die Auszubildende an. Die meinte, dann hätte die Bewohnerin sich die Fußstützen wieder abgemacht und eine Strickjacke würde reichen. Ich versuchte, der Bewohnerin die Fußstützen wieder anzubringen und sie zu einer warmen Jacke zu überreden, doch sie wurde aggressiv und wehrte sich mit Händen und Füßen. Ich sagte ihr, dass sie dann halt nicht mit zur Kirche könne und stieg mit zwei anderen Bewohnern in den Aufzug. Sie hinterher und ich konnte sie auch nicht zurückdrängen. Unten angekommen war meine Vorgesetzte natürlich sauer, als sie die Bewohnerin so sah. Sie nahm sie mit in den Wohnbereich und machte der Pflegekraft und der Auszubildenden eine Szene! Die wehrten sich und sagten, dass ich Zeugin sei, dass die Bewohnerin nicht gewollt habe. Letztendlich kam sie dann doch mit zur Kirche.
Nach dem Gottesdienst nahmen die Bewohner ihr Mittagessen im Restaurant und in der Cafeteria ein. Ich kümmerte mich dabei um zwei Bewohnerinnen, die Unterstützung beim Essen brauchen. Zwischendurch ging ich ins Restaurant, um kurz mit einer dementen Bewohnerin von meinem Wohnbereich zu sprechen.
Anschließend hatte ich noch ein paar Sachen zu erledigen. Als ich eine Stunde später mit einer Kollegin in den Aufzug stieg, war die demente Bewohnerin im Aufzug, klatschnass und mit Tränen in den Augen. Sie muss sich nach dem Mittagessen selbständig gemacht haben und draußen herumgeirrt sein! Als wir auf einer Etage hielten, kam auch noch meine Vorgesetzte dazu und bekam das Malheur leider mit. Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu.
Wie würdet ihr das einschätzen?
Habe ich versagt?
Ich bin der Meinung, bei dem ganzen Gewusel von insgesamt 30 Bewohnern, die mit zur Kirche waren, kam man einfach nicht alle im Blick haben.
Liebe Grüße
1 Antwort
Hallo,
erstmal möchte ich sagen, dass es in solchen Situationen immer schwierig ist, alles perfekt zu machen. Du arbeitest in einem anspruchsvollen Umfeld und es ist klar, dass nicht immer alles nach Plan läuft.
Zu deiner Frage, ob du versagt hast: Nein, das hast du nicht. Du hast in einer schwierigen Situation das Beste getan, was du konntest. Du hast versucht, die Bewohnerin zu überzeugen, sich angemessen zu kleiden und die Fußstützen zu benutzen. Als sie aggressiv wurde, hast du eine Entscheidung getroffen, um die Situation zu deeskalieren. Das war verantwortungsbewusst und zeigt, dass du das Wohl der Bewohner im Blick hast.
Was die demente Bewohnerin betrifft, die nach dem Mittagessen verschwunden ist: Es ist natürlich unglücklich, dass sie draußen herumgeirrt ist und nass geworden ist. Aber wie du selbst sagst, bei 30 Bewohnern kann man nicht ständig alle im Blick haben. Es ist wichtig, aus solchen Situationen zu lernen und vielleicht in Zukunft einen besseren Plan zu haben, um solche Vorfälle zu vermeiden. Aber das bedeutet nicht, dass du versagt hast. Warum gibst du dir denn die alleinige Schuld dafür?
Es ist normal, dass man sich in solchen Situationen fragt, ob man etwas falsch gemacht hat. Aber es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass man in der Pflege und Betreuung immer wieder mit unvorhersehbaren Situationen konfrontiert wird. Du machst einen wichtigen Job und es ist klar, dass du dir Sorgen um das Wohl der Bewohner machst. Das zeigt, dass du engagiert und verantwortungsbewusst bist.
Es könnte auch hilfreich sein, wenn du dich mit deinem Team (oder mit deiner Vorgesetzten) zusammensetzt und über die Situation sprichst. Gemeinsam könnt ihr mögliche Verbesserungsvorschläge erarbeiten und Strategien entwickeln, um solche Vorfälle in der Zukunft zu vermeiden. Es ist immer gut, aus Erfahrungen zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
Lass dich nicht von einem schlechten Tag unterkriegen.