Denkt ihr das die Explosion psychischer Erkrankungen an Verfall der Moral liegt?
Hatte letztes eines Studie gelesen, in denen jede zweite junge Frau (unter 16) an einer psychischen Erkrankung leidet. Auch wenn diese Zahl bisschen übertrieben scheint, lässt sich ja schon ein Trend ableiten.
Ich war gestern noch fünf Stunden mit einem guten Freund wandern, der aus Russland kommt. Er sagte, dass die Menschen dort deutlich glücklicher seien und dass ihr aufgefallen sei dass in unserer Klinik die meisten jungen Leute an Depressionen etc. leiden. Was denkt ihr?
liegt das an Verfall unser moralischen Vorstellungen, Werte und Normen?
19 Stimmen
9 Antworten
Die russische Population hat mit vielen Stigmatisierungen zu kämpfen: Man macht die mentale Gesundheit mit sich selbst aus, möchte nicht von Anderen als verrückt abgestempelt werden oder als unseriös angesehen werden.
Ich wäre somit vorsichtig durch ein Gespräch zwei Länder zu generalisieren.
Dass es in Deutschland und vielen weiteren europäischen Ländern (wie zB Schweden) deutlich mehr Menschen existieren, die Depressionen oder andere geistige Krankheiten haben, liegt daran, dass Deutschland mehr zugänglich ist, sich um die Betroffenen zu kümmern als auch Stigmatisierung angesprochen werden. Je offener ein Land damit umgeht, desto eher ermutigt es den Menschen ihre Krankheiten behandeln zu lassen. Würde Deutschland konservativ wegsehen und das Stigma befürworten, Menschen für verrückt halten oder "sich nicht zusammenreißen zu können", dann würde die Statistik wieder anders aussehen.
Nichtsdestotrotz gibt es noch Menschen, die "mental illness" weiterhin entkräftigen. Und auch in DE müssen sich noch Betroffene mit Stigmatisierungen auseinandersetzen.
https://www.globallyminded.org/home/depression-in-russia/
https://www.expatica.com/ru/healthcare/healthcare-services/mental-health-in-russia-121123/
Du sprichst von Beamten, die Depressionen oÄ haben. Darüber kann man sich streiten.
Ich spreche über Nicht-Beamte.
Nein, ich spreche von allen, die sich jemals an die Psychiatrie gewendet haben, um Hilfe zu bekommen. Man bekommt diese Hilfe (oder auch nicht), aber dann ist der Hilfesuchende bei jeder Behörde für sein restliches Leben abgestempelt. Nie wird er in der BND arbeiten können, nie als Pilot, nie bekommt er stabiles Sorgerecht usw. Keinesfalls bleibt sein Hilferuf nur dem jeweilgen psychiatrischen Krankenhaus bekannt. Das meine ich. Und das Schlimme ist, dass das dem Hilfesuchenden vor seinem freiwilligen Psychiatrie-Besuch hier in Deutschland oft nicht bewusst ist!
Behörde = Beamtenstatus
BND = Beamtenstatus
Bei der Ausbildung zum Piloten kann man sich natürlich streiten, aber aufgrund des germanwings-Unfalls wird das wohl noch viel Zeit zur Aufklärung beantragen
Ja, klar... Fakt ist, jede Behörde weiß, dass dieser Mensch mal psychiatrische Hilfe gesucht hat, ob dieser Mensch das will oder nicht. Und jede Behörde berücksichtigt das auch bei ihren Entscheidungen! Das ist das Entscheidende. Das meine ich mit "klebrig".
Das liegt an Stress. In Russland ist das Leben gefährlicher, aber Menschen machen sich meistens keine Gedanken. Was kommt, kommt, hauptsache ich habe alles getan was ich konnte - so denkt ein Russe. Außerdem sind in Russland Familien geschützt, Kinder werden nicht wegen schmutzigen Wohnungen oder Schulschwänzen oder so aus den Familien gerissen, sondern nur bei gravierenden Straftaten. Das Jugendamt gibt es dort nicht. Mit seinem Eigentum (auch Immobilien) kann der Russe alles anstellen was er will, es gibt kein strenges Baurecht usw. Grundstücke sind größer, für einen echten Garten bestimmt. Bürokratie ist weniger. Alles in allem, der Mensch hat dort deutlich mehr Freiheit als hier (Meinungsfreiheit eher nicht - nicht wegen dem Staat, sondern wegen Mitbürgern), aber ist auch deutlich mehr Gefahren ausgesetzt als hier. Das ist ein natürlicherer Zustand eines Menschen, deshalb verursacht dieser Zustand weniger psychische Krankheiten als der Zustand der Menschen in Deutschland. Außerdem hat in Russland dieser nahezu rechtsfreier Raum seit dem Zerfall der Sowjetunion dafür gesorgt, dass viele Menschen mit psychischen Krankheiten starben und keine Kinder hinterließen, was für eine psychisch gesündere Generation gesorgt hat, und dass die Gesellschaft auf bloßem Vertrauen von Menschen zueinander gegründet werden musste. Wo ausgesiebt wird, dort bleibt das Bessere zurück! So ist Russland. Aber einem wie mir war es zu viel Risiko.
Nein, denn man muss sowieso Strukturen finden, die einen glücklich machen. Und dazu hat man heute jede Freiheit.
Die Zunahme psychischer Erkrankungen ist insbesondere ein Zeichen, dass man heute darüber reden kann und auch Hilfe bekommt. Früher musste man alles runterschlucken und sich fügen. „Moral“ ist in erster Linie ein Unterdrückungsinstrument.
Meine beiden Töchter studieren gerade im Ausland und sind sehr glücklich. Vor 60 Jahren war das noch fast unmöglich. Alleine als Frau??? Die gehören doch hinter den Herd. Damals warst Du als Frau ohne Mann auch nicht viel wert. Alleine in eine Kneipe gehen? Unmöglich.
Wer mit Freiheit nicht umgehen kann, kann sich ja ein Unterdrückungssystem seiner Wahl suchen. Christentum zum Beispiel oder auch Russland.
Russland ist kein Unterdrückungssystem für Frauen, solange diese allein sein wollen. An der Uni, wo ich dort studierte, waren die meisten Studenten Mädchen. Das ist kein Arabien oder so. Alleinerziehende Mütter gibt's auch viele.
Das ist richtig: Frauen sind ziemlich gleichberechtigt - solange sie hetero sind. Alle nicht-hetero-Menschen haben es da ziemlich schwer.
Das stimmt. Das dort nicht strafbar, aber die Gesellschaft ist dagegen.
Nein, das hat nichts mit Moral zu tun, sagt aber viel über das Denken deiner Bekannten aus.
In einer Diktatur zählt das Individuum eben nichts; da ist jede Abweichung von der Norm eben schon eine Sünde oder halt unmoralisch.
Psychische Erkrankungen zeigen eben gerade, dass das Leben nicht geradlinig verläuft, sondern jeder Mensch seinen eigenen Weg geht. Das ist keine Frage von Moral, Stärke oder Schwäche, sondern gehört zum Menschsein dazu.
Russland war zwischen 1991 und 2014 eher eine Anarchie als Diktatur. 2014 bin ich von dort weg. Seitdem hat sich dort angeblich vieles geändert.
Ich denke, es hat etwas mit unserer Entchristianisierung zu tun. Unsere Kirchen werden uns fremd, weil es kaum noch größere Familien gibt und unsere Schulen uns zu Materialisten, aber nicht zu Christen erziehen. In guten Gemeinden konnte man alle seelischen Nöte besprechen und Heilung finden. Ob das ein Psychologe kann, bezweifele ich, denn ohne Gott, glaube ich, geht nichts!
Es ist schön, dass Deutschland meistens so gut mit den Betroffenen umgeht. Aber dass diese Menschen dann lebenslang im Visier der Behörden sind, auch wenn die Situation schon längst vorbei ist und man das definitiv nicht mehr will, das ist schlecht. Die Akte ist da, und man kann nichts mehr dagegen tun. Dann bekommt man Kinder - und - tadaaam! Das ist alles wie weicher klebriger Schmutz - ja, er ist weicher, angenehmer als der harte Stein, aber eben klebrig, kannst dann kaum wegwaschen.