Darwin Superstar der Evolutionstheorie?

2 Antworten

Darwin war nicht der erste, der sich Gedanken zur Evolution machte. Vor ihm war bereits Jean-Baptise de Lamarck (1744-1829) davon überzeugt, dass die Arten, anders als es der biblische Schöpfungsmythos behauptet, veränderlich seien. Er glaubte, dass Evolution ein gerichteter Prozess wäre, der nach stetiger Höherentwicklung strebte und war davon überzeugt, dass die Veränderlichkeit der Arten durch Vererbung erworbener Eigenschaften hervorgerufen würde. In beiden Punkten irrte Lamarck sich jedoch, wie wir heute wissen. Die Vererbung erworbener Eigenschaften war damals aber weit in Forscherkreisen bekannt, auch Darwin zweifelte nicht daran, hielt sie jedoch nicht für den Hauptgrund der Evolution.

Bereits rund tausend Jahre vor Darwin erwähnt der muslimische Gelehrte al Jahiz (776-869) in seinen Schriften schon ein Prinzip ganz ähnlich der natürlichen Selektion. Und auch bei Aristoteles (384-322 v. Chr.) finden sich schon erste Denkansätze, die ein Selektionsprinzip zugrunde legten. Das alles waren aber nur lose Denkansätze, nicht konsequent zu einer Evolutionstheorie ausformuliert.

Warum wurde also ausgerechnet Charles Darwin (1809-1882) zum Superstar der Evolutionstheorie? Weil Darwin der erste war, der die losen Fäden zusammenführte und das Konzept der Evolution damit konsequent und logisch zu Ende dachte. Darwin war der erste, der erkannte, dass die Evolution in Wirklichkeit nicht eine einzige Theorie ist, sondern aus fünf einzelnen Theorien zusammengesetzt ist. Er erkannte als erstes, dass die Arten veränderlich sind. (Theorie der Veränderlichkeit) Als zweites erkannte er, dass alle Arten eine gemeinsame Abstammung haben (Deszendenztheorie), dass drittens die Evolution nicht sprunghaft, sondern graduell verläuft (Gradualismustheorie), dass viertens die Arten sich durch die Veränderungen im Lauf der Zeit auseinander entwickeln und die Artenvielfalt durch die Evolution zunimmt (Divergenztheorie) und fünftens schließlich, dass die Veränderung der Arten und die Entstehung neuer Arten durch die natürliche Selektion hervorgerufen wird (Selektionstheorie). Die Vereinigung all dieser fünf Einzeltheorien quasi unter einem gemeinsamen Dach war vor Darwin niemandem gelungen. Wesentliche Beobachtungen und Daten hat er dafür während seiner Reise an Bord der Beagle zwischen 1831 und 1836 gesammelt. Nach seiner Rückkehr sammelte er weiter Daten und stand in engem Austausch mit Forscherkollegen, u. a. mit Charles Lyell (1797-1875), Joseph Dalton Hooker (1817-1911) und Asa Gray (1810-1888), die ihn dazu ermutigten, seine Erkenntnisse in einem Buch zu veröffentlichen. Mit ersten Notizen hatte er bereits 1842 begonnen. Ab 1856 begann er schließlich am Manuskript seines Buches zu arbeiten, das den Titel Natural Selection tragen sollte.1857 schrieb er einen Brief an Asa Gray, in dem er seine Theorie erläuterte.

Darwin war nicht der einzige, der zu dieser Zeit die richtigen Schlüsse zog. Auch Alfred Russel Wallace (1823-1913) zog aus Beobachtungen, die er im indonesischen Archipel gemacht hatte, ganz ähnliche Schlüsse. Dieser übersandte an Darwin einen Brief (heute als Ternate-Manuskript bekannt) mit der Bitte, diesen an Lyell weiter zu leiten. Obwohl er erkannte, dass Wallace ihm bei der Publikation zuvorkommen könnte, leitete Darwin den Brief an Lyell weiter. Dieser und Hooker setzten sich dafür ein, dass Darwin und Wallace zusammen ihre Erkenntnisse vor der Linnean Society vorstellen sollten. Am 1. Juli 1858 wurden Auszüge aus Darwins Manuskript sowie der Brief an Asa Gray und Wallace' Ternate-Manuskript vorgestellt und am 20. August in gedruckter Form gemeinsam veröffentlicht. Darwin unterließ es, sein Buch Natural Selection zu beenden, weil es seiner Ansicht nach zu lange gedauert hätte. Er begnügte sich stattdessen damit, eine kûrzere Fassung zu schreiben, die 1859 unter dem Titel On the Origin of Species veröffentlicht wurde.

Darwin und Wallace waren nie Kontrahenten, sie standen immer in kollegialem Austausch und befeuerten sich gegenseitig in ihrer Forschung. In seinem Folgewerk Descent of Man, in dem Darwin seine Evolutionstheorie auf den Menschen ausweitet, ist Wallace der von ihm am häufigsten zitierte Autor. Weshalb heute vorwiegend Darwins Name populär ist und nicht Wallace', liegt wahrscheinlich daran, dass Darwin v. a. durch sein akribisches Sammeln von Daten nicht nur die theoretischen Grundlagen lieferte, sondern bereits praktische Belege vorwies, mit denen er seine Theorie untermauern konnte. Auch dieses eifrige Sammeln von Belegen und das vorausschauende Denken haben Darwin zum "Superstar" der Evolutionstheorie gemacht. Darwin wusste, dass seine Theorie für viele ein Dorn im Auge sein würde und deshalb sammelte er bereits im Voraus Argumente, um seinen Kritikern quasi den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er legte z. B. schon dar, weshalb der Fossilbericht lückenhaft ist und weshalb dies seiner Theorie nicht widerspricht - ein Argument, das noch heute Kreationisten gern als "Gegenbeweis" anführen möchten, das aber eben schon von Darwin einkassiert wurde und auch heute schlicht unhaltbar ist, genauso wie jeder andere angebliche "Einwand" gegen die Evolutionstheorie.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
SchakKlusoh  06.02.2024, 09:56

Danke wegen der Erwähnung von Wallace!

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er beschrieb die Ursachen für die Evolution mit Hilfe der Selektionstheorie.

Er legte sozusagen den Grundstein für die heutige allgemein anerkannte synthetische Evolutionstheorie.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologielehrer SI/II a. D.