Begrenzte Interessen?

2 Antworten

Es fällt den meisten Autisten sehr schwer und kann sie überfordern, wenn sie sich mit einem Thema auseinandersetzen müssen, welches sie nicht interessiert. Das verstehen viele neurotypische Menschen nicht, denn jeder muss sich mal länger - meistens in der Schule - mit etwas beschäftigen, was ihn oder sie nicht wirklich interessiert, aber bei vielen Autisten ist das alles nochmal extremer.

Autisten haben sogenannte Spezialinteressen (keine Inselbegabungen bzw. haben das nur sehr wenige!). Diese helfen ihnen dabei, sich zu regulieren, zu entspannen, zu entfalten, eine Struktur in ihren Alltag zu bringen - Autisten mögen Struktur - und nicht selten können sie sich stundenlang mit einem Thema befassen. Dieses Thema kann alles sein. Von Zügen, zu Kosmetik, über Fernseher, den zweiten Weltkrieg, diverse Krankheiten, bishin zu sehr speziellen Themen. Da gibt es eine riesige Auswahl.

Mir zum Beispiel (Ich bin Autistin), fällt es sehr, sehr schwer, für etwas Interesse zu zeigen oder auch nur vorzutäuschen, wenn es mich eben nicht interessiert. Ich werde dadurch mental überfordert, werde sogar irgendwie traurig und bin auch nicht allzu gut darin, viele Fragen zu stellen, wenn mir jemand anderes von einem Thema erzählt, das mich nicht fasziniert. In mir ist ein Drang, immer nur über meine Themen zu reden, weshalb ich Menschen, die nicht mindestens ein Hobbys/Interesse mit mir teilen auch eher "abschreibe".

Oversharing ist bei vielen Autisten ein Problem. Wir merken nicht, wann wir eine Person mit unseren Vorträgen nerven z.B. Allerdings muss ich dort sagen, dass simple, verbale Kommunikation sehr viel helfen kann.

Für Autisten sind diese Spezialinteressen sehr, sehr wichtig. Da ist kaum mehr Platz für Dinge, die uns nicht interessieren. Ich kann endlos lang darüber reden, wie sehr ich Vögel liebe, aber wenn es um, keine Ahnung, Autos ginge, könnte ich nicht einmal mein Interesse vortäuschen. Wichtig ist, zu erwähnen, dass das auch bereits in der Schule so war. Ich war in allen Fächern unterirdisch (Wirklich unterirdisch, also fast nur 5en und 6en), aber in Kunst war ich mitunter eine der Besten - wobei unser Niveau auch echt sehr niedrig war und im Nachhinein betrachtet kann jedes Kleinkind besser zeichnen als ich - und in den wenigen Malen, in denen es hieß, wir sollten in Deutsch eine Geschichte schreiben, war ich sofort am Start.

Begrenzte Interessen bei neurotypischen Menschen bedeutet einfach nur, dass sie eben ein begrenztes Interesse haben, jedoch nicht unbedingt Autismus. Begrenztes Interesse alleine heißt nicht gleich Autismus.


rudinuss36 
Beitragsersteller
 24.02.2022, 14:13

Und ein nicht Autist?

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Zitruseulchen  24.02.2022, 14:23
@rudinuss36

Wie genau ist deine Frage gemeint? Was soll mit einem Nicht-Autisten sein? Tut mir leid, ich kapiere deine Frage nicht.

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Zitruseulchen  24.02.2022, 14:45
@rudinuss36

Na ja, neurotypische Personen (bzw. Personen ohne Autismus) haben auch Interessen. Die können auch in einem Thema sehr stark aufgehen, sehr viel Fachwissen sammeln usw.

Ein weiterer Unterschied zwischen neurotypischen und autistischen Menschen ist bei dem Thema auch, dass ein autistisches Kind nicht selten aus seiner Bahn geworfen wird, wenn es plötzlich heißt, es soll sich anziehen und mit zu Omi fahren, obwohl doch heute geplant war, dass es mit seiner Modelleisenbahn spielen darf. Das kann zu einem Overload/Meltdown und/oder Shutdown führen. Dies ist etwas völlig anderes, als ein quängelndes Kind, welches einen Trotzanfall hat, aber auch autistische Kinder können Trotzanfälle haben. Das Kind liebt seine Oma, aber das war eben nicht geplant. Die Struktur ist zerstört, der Halt ist nicht mehr gegeben, es kommt zu einer Überforderung.

Viele neurotypische Menschen - würde ich behaupten, wobei ich genau so wenig für neurotypische Leute sprechen kann, wie für alle Autisten - denken sich dann eben "Ja gut, was soll's, mache ich das eben später", oder wenn sie für ein Thema lernen müssen, das ihnen am Allerwertesten vorbeigeht, denken sie sich "Wird ja auch nicht besser, also einfach machen". Geht bei Autisten nicht bzw. nur sehr schwer.

Also ... Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich deine Frage(n) beantworten konnte.

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rudinuss36 
Beitragsersteller
 24.02.2022, 17:04
@Zitruseulchen

Ich verstehe den Unterschied nicht.

Wusstest du das Autisten neurotypische Personen als eNTe bezeichnen?

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Zitruseulchen  24.02.2022, 17:08
@rudinuss36

eNTe? Habe ich noch nie gehört. Für was soll das stehen? ... 🦆

Inwiefern verstehst du den nicht? Zugegeben: Das ist für Laien meist schwer zu verstehen. Wenn du dich selbst jahrelang mit dem Thema befasst, versteht man es irgendwann. Ich bin auch nicht sonderlich gut im erklären, muss ich zugeben.

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rudinuss36 
Beitragsersteller
 24.02.2022, 18:49
@Zitruseulchen

neurotypische

Ich versteh den Interessensunterschied ncht so recht.

Normale menschen interessieren sich doch auch nicht für alles?!

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Zitruseulchen  24.02.2022, 20:14
@rudinuss36

Interessenunterschied? Da gibt es keinen Interessensunterschied. Ich als Autistin kann mich auch für etwas interessieren, für was sich ein neurotypischer Mensch interessiert. Nur wenn dieses Interesse sich bei einem Autisten zu einem Spezialinteresse entwickelt, ist die Intensität und die Bindung damit mitunter eine andere oder eine stärkere als bei neurotypischen Leuten.

Aber es ist eben auch möglich, dass neurotypische Menschen solch eine Intensität entwickeln. Ein neurotypisches Kind wird aber beispielweise nicht aufgrund von Überforderungen im Gehirn einen Meltdown bekommen, wenn es - um wieder mein Beispiel von vorhin aufzugreifen - doch nicht mit der Modelleisenbahn spielen kann, sondern wenn dann einen Trotzanfall. Dieser Trotzanfall hat zum Ziel, den eigenen Willen durchzusetzen. (Weil Kinder nun einmal in dem Alter lernen, dass sie eigenständige Lebewesen sind.) Ein autistischer Meltdown hat den Ziel, das Gehirn vor Überbelastung zu schützen und sich selbst zu regulieren. Er kann oftmals in für Außenstehenden vollkommen unverständlichen Situationen kommen. Etwas, was für die meisten neurotypischen Personen mit einem Schulterzucken bewältigt ist, kann für Autisten eine riesige Hürde darstellen.

Es ist wirklich schwer, das zu erklären. Deshalb ist es wichtig, zu sagen: Nur, weil jemand sich nur für wenige Dinge begeistern kann, lässt das noch lange nicht auf Autismus hindeuten.

Neurotypische Menschen interessieren sich nicht für alles, korrekt. Ich denke aber, sie können sich eher mal zusammenreißen und trotzdem mit etwas beschäftigen, was sie nicht interessiert. Sie können Interesse vortäuschen, passende Fragen stellen, auch ein wenig mitreden, oder zumindest den Anschein machen - Auch dann, wenn sie kaum Ahnung von der Thematik haben und sich zu Tode langweilen. (Das mag definitiv nicht auf alle neurotypischen Leute zutreffen und kommt wohl auch stark auf die Situation an. Die meisten "Normalos" können zumindest der Höflichkeit wegen so tun als ob.)

Spezialinteressen sind für Autisten oftmals etwas, bei dem sie schwer von abkommen. Das macht Klick und schon sind wir drin. Dann kleben wir fest, während nerotypische Leute damit nicht solche krassen Probleme haben.

Es ist kaum zu erklären, weil ich eben nur aus einer autistischen Perspektive reden kann. Ich weiß nicht, wie neurotypische Menschen das wahrnehmen. Für Autisten hat das solch einen unbeschreiblich signifikanten Stressabbaueffekt. Wir können die Welt kaum filtern, alles ist uns zu viel, doch da ist dieses eine Thema, in dem wir aufblühen, indem wir so gerne Wissen sammeln, in dem wir uns über Stunden täglich geborgen fühlen, weil es uns hilft, nach all dieser Anstrengung, dieses Energieverlustest, zur Ruhe zu kommen. Natürlich ist das für uns so wichtig, natürlich werden wir traurig, wütend, frustriert, verwirrt und/oder enttäuscht, wenn wir diesem nicht nachgehen können. Das ist dann beinahe wie die Luft zum Atmen für uns. Die Umwelt saugt uns erbarmunglos die Energie aus den Körpern, jeder Einkauf, jedes Treffen mit Freunden muss mit stundenlangem Beschäftigen mit dem Spezialinteresse/den Spezialinteressen ausgeglichen werden. Alleine. Schwer vorstellbar, wenn man dazu in der Lage ist, Geräusche, Gerüche, Gefühle ... einfach sämtliche Eindrücke zu filtern. Sofort in Wichtig und Unwichtig einzuteilen. Ich würde behaupten, Spezialinteressen könnten sogar als eine Art von Stimming durchgehen. (Viele Autisten betreiben Stimming.)

Das ist wie Urlaub für unser Gehirn. Das ist wie das "Ich chille heute einfach mal auf der Couch" der Neurotypischen. Für unsere Spezialinteressen benötigen wir keinen Kraftaufwand (Ist nicht bei jedem Autisten/jeder Autistin so, für mich persönlich wird sogar meine eigene Existenz zum Kraftaufwand) und wenn wir dann drin sind - was meist sehr schnell geschieht, das geht ruckzuck - können wir nicht einfach mittendrin aufhören. Wenn wir durch irgendetwas unterbrochen werden, kann es uns schwer fallen, an der Stelle weiterzumachen, an der wir aufgehört hatten. Wir sind so richtig drin, in den Spezialinteressen und tanken damit unsere Energie.

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Ein Autist könnte z. B. immer nur über Minecraft oder Busfahrpläne sprechen. Immer. Beim Frühstück, in der Schule, einfach immer, wenn er mit jemandem ins Gespräch kommt. Und er würde dabei tiefes Glück verspüren, ohne zu merken, dass andere schon genervt sind und sich nicht für andere Themen interessieren.


rudinuss36 
Beitragsersteller
 24.02.2022, 14:08

Ein nicht autist?

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