Aufgeblasenes (Frühstücks-)wekchen?

weckchen... - (Lebensmittel, Brötchen, Bäckerei)

2 Antworten

Du liegst richtig, bei den "aufgeblasenen" Brötchen kommen meist Emulgatoren zum Einsatz. Hauptsächlich wären hier die Diacetylweinsäureester (unter Bäckern oftmals einfach nur DAWE genannt) zu nennen, aber auch ähnliche Erzeugnisse wie Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren. Die Emulgatoren sorgen dafür, dass der Teig gärstabiler ist, also stärker aufgehen kann, ohne dass der Teig wieder zusammenfällt. So bekommt man beim Backen dann besonders viel Luft in das Gebäck. Zusätzlich werden in den meisten Fällen Malz (ein natürliches Backmittel aus gekeimtem Getreide), Zucker und oft auch künstlich hergestellte Enzyme eingesetzt. Auch diese Zusätze sorgen für ein besonders luftiges Gebäck und eine gebräunte Kuste.

Ohne solche Zusätze würde man übrigens niemals solche aufgeblähten Brötchen hinbekommen. Es gibt durchaus auch natürliche Zutaten, die teigstabilisierend wirken. Abgesehen von dem bereits genannten Malz und Zucker wäre das zum Beispiel Schmalz oder auch Butter, manchmal auch eher bedenkliche Zutaten wie Süßlupinenmehl oder Sojamehl (hohes allergenes Potenzial). Der Effekt ist aber bei Weitem nicht so stark wie bei künstlichen Backmitteln. Selbst viele Bio-Bäcker nutzen Emulgatoren für ihre Brötchen, weil sie sich sonst vermutlich einfach nicht gut verkaufen. Die meisten Kunden haben sich inzwischen einfach an die Luftbrötchen gewöhnt und wollen nichts anderes mehr.


geberrat 
Beitragsersteller
 07.08.2014, 08:55
Selbst viele Bio-Bäcker nutzen Emulgatoren für ihre Brötchen, weil sie sich sonst vermutlich einfach nicht gut verkaufen.

... siehe dieses Croissant eines Bioland-Bäckers: http://abload.de/img/2014-08-07_shot_003syu8t.jpg

Unterscheidet sich weder vom Aussehen, noch von der Konsistenz und leider auch vom Geschmack eines konventionellen Croissants :(

Ein typischer Fall von Emulgatoren, die m.E. in Biobackwaren nichts zu suchen haben?

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spike72  13.08.2014, 19:36
@geberrat

Das ist schwer zu beurteilen. Ich finde nicht, dass das Croissant künstlich aufgeblasen aussieht. Plundergebäcke, dazu gehören auch Croissants, gehen auch ohne Zusatzstoffe sehr locker auf, wenn der Teig sehr gut gemacht ist. Der Ofentrieb funktioniert bei Plunder- und Blätterteiggebäcken in erster Linie durch die physikalische Lockerung ausgehend von den einzelnen Fettschichten im Teig. Emulgatoren bewirken hier also eher, dass der Teigling vorm Backen unempfindlicher ist, also beispielsweise beim Transport nicht so leicht kaputt geht. Im Endprodukt merkt man nicht so viel davon. Dass der Geschmack sich nicht zu sehr unterscheidet, hat auch erstmal nichts zu bedeuten. Gerade bei Buttercroissants ist das Aroma der Butter sehr dominant.

Bei Weißbroten, Brötchen und teilweise auch bei Rührkuchen und Biskuitböden (Torte) merkt man es hingegen deutlich leichter, ob mit Hilfsstoffen gearbeitet wurde. Da sind die Gebäcke dann einfach in manchen Eigenschaften ausgeprägter, als man es mit natürlichen Methoden jemals hinbekommen würde. Also Brötchen sind dann extrem luftig, das Weißbrot ist innen weich wie Watte, der Rührkuchen ist übertrieben saftig und der Tortenboden hat richtig große und glasige Poren. Man sieht das oft ja auch in Diskussionen in Koch- und Backformen. Da wird einfrig diskutiert, warum die selbstgemachten Brötchen nie so wattig-zartsplittrig werden wie beim Bäcker und der Marmorkuchen niemals so zart-saftig. Ohne die Spezialmargarinen, Enzyme und Emulgatoren der Bäcker wird man das niemals so hinbekommen, aber man merkt eben, dass so auch neue Erwartungen bei den Käufern gesetzt werden. Wenn also ein Brötchen beim Bäcker mal etwas kompakter ist oder der Marmorkuchen etwas trockener, dann vermutet man dahinter sofort (fäschlicherweise) schlechtere Qualität.

Bei Bioland-Waren kann man davon ausgehen, dass nur eher schwache Backmittel verwendet werden, da hier nur wenige Hilfsstoffe erlaubt sind. Statt dem üblichen DAWE (Diacetylweinsäureester, der Stoff, der die Brötchen ballonartig aufblasenässt) dürfte also nur Sonneblumenlecithin oder Ähnliches verwendet werden.

Ich finde grundsätzlich den Einsazt von Backmitteln nicht schlimm. Das Problem ist jedoch heutzutage, dass der ursprüngliche Sinn von Backmitteln heute oft aus den Augen verloren wird, sowohl in der konventionellen als auch in der Bio-Produktion. Ursprünglich wurden Backmittel entworfen, um kleinere Fehler in den Rohstoffen auszugleichen, also etwa bei einer besonders schlechten Mehlernte, oder auch um die Fehlertoleranz in der Backstube etwas erhöhen, sodass nicht sofort die ganze Brotladung hinüber ist, wenn mal der Teig vielleicht mal 20 Minuten zu lange ruhen musste, weil es ein techinsches Problem mit dem Ofen gab. Heutzutage ist es aber oft so, dass die Backmittel derart vollgeladen sind mit Zusatzstoffen, dass diese einfach mal prophylaktisch jede möglichen Rohstoff- oder Aufarbeitungsfehler ausgleichen, also quasi die Herstellung der Backwaren "idiotensicher" wird, sodass jede Hausfrau zu Hause damit perfekte Brötchen backen könnte. Also ähnlich wie bei einer Fertig-Kuchenbackmischung aus dem Supermarkt, bei der man nur alles zusammenkippen und kurz umrühren muss und trotzdem einen perfekten Kuchen aus dem Ofen holen kann. Und hier wird meiner Meinung nach übers Ziel hinausgeschossen und dadurch geht auch die Vielfalt verloren, weil sich Brot und Brötchen bei verschiedenen Bäckern teils kaum voneinander unterscheiden. Backmittel sollten gutes Handwerk nicht ersetzen, sondern es unterstützen.

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geberrat 
Beitragsersteller
 17.07.2014, 15:05

Oh, vielen Dank -- hab schon nicht mehr mit einer weiteren Antwort gerechnet. Doch gut Ding, will eben Weile haben ;) -- für Deine ausführliche Antwort!

Hatte mal spaßeshalber einen Satz von Dir in Google eingegeben -- auch interessant, allgemein zu Backmischungen und Bäckersterben...:

http://www.der-sauerteig.com/phpBB2/viewtopic.php?p=69496&sid=8c7516d9537f56bd2a4ee7120cdd57a3

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spike72  17.07.2014, 15:57
@geberrat

Ich hatte die Frage leider erst heute gesehen, deswegen die verspätete Antwort :).

Im von dir genannten Forum bin ich nicht aktiv, aber kenne es vom Lesen her auch. Du hast da aber ein interessantes Thema gefunden. Die Sache mit der Krise der Bäckereien ist schon ein sehr komplexes Themenfeld. Meiner Meinung nach ist das größte Problem von Bäckereien, dass sie zu sehr versuchen, sich an die Philosophien der Supermärkte, Discounter und Backshops anzugleichen. Das heißt also: ständige Verfügbarkeit aller Backwaren von morgens bis abends, niedriger Preis, immer gleichbleibendes Backergebnis. Das geht natürlich zulasten der Qualität und bringt letztendlich dem Kunden rein gar nichts. Denn wieso sollte man beim Fachgeschaft die Backwaren aus Fertigmischungen und künstlichen Backmitteln kaufen, wenn es sie im Discounter zum halben Preis gibt? Besser wäre es, wenn sich Bäckereien durch Qualität abheben, also gegen den Strom schwimmen würden. Also auf hochwertige Zutaten setzen (Butter statt Margarine, lange Teigführung mit wenig Hefe statt hohe Mengen an Backmitteln, eigene Rezepturen statt Fertigmischungen), Klasse statt Masse (lieber wenige, aber sehr hochwertige Backwaren, als eine Fülle an minderwertigen Backwaren), auf langfristiges Kundenvertrauen hinarbeiten (Transparenz in Bezug auf Zutaten und gute Kundenberatung), wirtschaftlich arbeiten (lieber riskieren, dass man am späten Abend keine Brötchen mehr bekommt, als am Ende des Tages tonnenweise Reste entsorgen zu müssen). Wenn alles stimmt, darf es dann gerne auch etwas mehr kosten.

Die Suche nach einem wirklich guten, traditionell arbeitenden Bäcker ist heutzutage aus Sicht des Kunden die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ist doch klar, dass man dann lieber zum Discounter geht, denn da hat man wenigstens nicht das Gefühl, für die mäßige Qualität einen überhöhten Preis zu bezahlen, so wie das bei so manchem "richtigen" Bäcker leider der Fall ist.

Aber gut, das nur so nebenbei noch, es gehört ja nicht direkt zur Frage, aber ist eben ein spannendes Thema.

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geberrat 
Beitragsersteller
 18.07.2014, 12:34
@spike72

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen...

... außer, dass ich das Thema genau so spannend finde und ich der Backwarenauswahl "meiner beiden" kleinen Bioläden voll & ganz vertraue :-)

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In den meisten Bio-Weckchen ist nicht so viel Backpulver oder Hefe enthalten. Außerdem setzen sie auf volles Korn, was das Aufgehen der Backwaren schwieriger macht. Wenn gute Hefe verwendet wird, ist es kein Problem solche aufgeblasenen Brötchen zu essen. Wenn allerdings billige Hefen benutzt werden, bekommen viele Menschen davon Verdauungsprobleme. Mit Emulgatoren hat das allerdings nichts zu tun - hier geht's um die verwendeten Triebmittel.


geberrat 
Beitragsersteller
 07.07.2014, 11:15

Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort, insb. für "billige vs. nicht-billige Hefen"...!

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