An die Männer: Gibt es wirklich diesen gesellschaftlichen Druck, "stark" sein zu müssen?

12 Antworten

Selbstverständlich gibt es ein von der Mehrzahl der Menschen akzeptiertes Rollenbild, wie sich Männlichkeit oder Weiblichkeit zu artikulieren hat. Ob man das für sich selbst nun gut findet, ist eine völlig andere Problematik.

Aber zur Männlichkeit gehört nun einmal, dass ein Mann keine Heulsuse sein darf, dass er sich nicht ständig über seine Leiden und Wehwehchen beklagen darf, dass er nicht laufend über seine Ängste, sein Scheitern, seine Misserfolge, sein Ungeliebtsein und sein Versagen in allen möglichen Lebenslagen lamentieren darf.

Ein Mann, der sich in dieser Weise darstellt, erlebt Spott und Verachtung, ja ihm wird die "Männlichkeit" abgesprochen, selbst von emanzipierten Frauen, die es sonst schätzen, wenn ihr Partner "auch mal" über sein Scheitern offen sprechen kann. 

Männer sollten prinzipiell stark sein, wobei mit stark nicht unbedingt physisch oder psychisch überlegen gemeint ist. Stark ist vielmehr ein Mann dann, wenn er vermehrt Souveränität ausstrahlt, also eine Haltung signalisiert, dass er mit Risiken, Belastungen, Widrigkeiten und Gefahren gelassen und kompetent umgehen kann. Sich auf so einen Mann verlassen zu können, ist das angestrebte Ideal. 

Und Deine Sorge, dass man diesem Männlichkeitsideal erst dann entsprechen kann, wenn man zahlreiche Belastungssituationen bewältigt hat, wenn man lebenserfahren ist und sich vor allem durch viel Arbeit und Training auch die notwendigen Kompetenzen angeeignet hat, diese Sorge ist sehr berechtigt. 

Bilanz: Deine Ausgangsproblematik, ob die Realisierung von Männlichkeit nicht auch einen erheblichen gesellschaftlichen Druck aufbaut, kann uneingeschränkt bejaht werden.

Dass es aber natürlich trotzdem immer wieder Frauen und Mädchen gibt, die sich zu typischen "unmännlich" erscheinenden Partnern hingezogen fühlen, die es lieben solche sanften, leidenden, meist depressiven Männern einfühlsam betreuen zu können, kann als Trost für all jene Männer gesehen werden, die meinen, dass sie einem zu hoch gesteckten Männlichkeitsideal nicht genügen können.

Hallo Mirage,

eine sehr gute Frage. Da scheint einiges dran zu sein, was Du da schreibst, aber so einfach ist es glaube ich nicht: Oberflächlich betrachtet scheint es so zu sein, wie Du schreibst. Das ist aber wirklich nur die Fassade, die Oberfläche. In Wirklichkeit werden auch an Frauen schwierige Erwartungen gestellt, die eigentlich schier unerfüllbar sind. Aber auch hier geht es nur um die Oberfläche.

Wie immer im Leben, ist die Realität deutlich komplizierter. Es gibt für die verschiedenen Geschlechter unterschiedliche Rollenerwartungen. Von Männern und Frauen, natürlich unterschiedlich, werden traditionell ganz unterschiedliche Eigenschaften erwartet, die, je ausgeprägter sie sind, um so männlicher/weiblicher wirkt jemand. Oberflächlich betrachtet.

Beginnen wir einmal mit dem Begriff "stark sein". Das wird je nach Umgebung ganz unterschiedlich gesehen und bewertet. Wir erwarten z.B. von einer Führungspersönlichkeit, dass sie stark ist. Aber was ist das? Schauen wir uns einmal genauer an, was von einer Führungspersönlichkeit erwartet wird: je nach Gruppe können die Erwartungen völlig gegensätzlich sein: In einer Gruppe gibt es immer Konflikte. Die Führungspersönlichkeit wird nur so lange anerkannt, wie sie diese Konflikte für alle zufriedenstellend regeln kann. Und da scheiden sich die Geister!

Die einen halten die Konflikte alle unter dem Teppich, und schaffen es dann tatsächlich eine zeitlang für Ruhe zu sorgen und manche bekommen Privilegien auf Kosten anderer. Das ist typischerweise in Diktaturen so. In solchen Gruppen ist es aber oft so, dass viele fähige und kompetente Menschen ausgegrenzt werden, weil sie die Macht der Führer begrenzen und deren Schwäche zutage tritt.  Das ist das konventionelle Modell das wir aus der Kaiserzeit übernommen haben. Es ist recht gut erforscht und hat einige ziemliche Schwächen.

Aber die Menschen sind ja nicht dumm, und so gibt es Heute auch Gruppen, in denen ander Dinge als Stärke gelten: Hier spielt weniger das Interesse des Einzelnen eine Rolle, als vielmehr das Gruppeninteresse. In solchen Gruppen kann auch jeder seine Interessen verfolgen, aber halt nur in dem Rahmen, in dem die Gruppe von ihm Vorteile hat! Sein Wert bemisst sich nach seiner individuellen Leistung für die Ziele der Gruppe. Das ist eher das Demokratische, also aktuellere Modell.

Daraus folgt nun, dass die Eigenschaften des Einzelnen, die ihn inn der Gruppe stark machen, ganz unterschiedlich sind und sich sogar direkt wiedersprechen können.

Während es in der kaiserlichen Gruppe eher so ist, dass Ideen und Vorschläge in der Hierarchie nur von Oben nach unten organisiert werden dürfen, ist es in den demokratischen Gruppen leichter gute Ideen einzubringen und damit im Wert für die Gruppe steigen zu können. Deshalb sind modern organisierte Gruppen in der Regel auch viel erfolgreicher. Dort wird in gleichberechtigten Teams zusammengearbeitet, während in den konventionellen Gruppen klare Anweisungen zu befolgen sind.

Natürlich gibt es Mischformen. Richtet sich auch nach dem Ziel und den Aufgaben der Gruppe. Oft sind Mischformen am erfolgreichsten.

Das mit den Unsicherheiten ist so eine Sache. Wir leben Heute in einer Welt, in der oft Spezialisten ihr Fachgebiet nicht mehr komplett überblicken. Nun ist es aber oft so, dass im modernen Teams ganz unterschiedliche Fachgebiete und Fachrichtungen zum gemeinsamen Erfolg beitragen müssen! (Marketing, Vertrieb, Entwicklung Produktion .... ) Da ist es einfach nicht mehr möglich, dass nur einer sagt, was zu tun ist. Deshalb ist es sinnvoll, Möglichkeiten zu schaffen, dass jeder sein Wissen und Können zum gemeinsamen Ziel beitragen kann. Diese Zusammenarbeit und den Wissenstransfer zu organisieren ist Heute die Führungsaufgabe.

Natürlich gibt es Leute, die sind in Führungspositionen, und können natürlich nicht alles wissen und können! Meinen aber, sie müssten das! Und dann kommt einer daher und hat eine Idee und weiß etwas, was eine solche Führungsperson nicht weiß und kann. Ja, die werden dann unsicher und haben Angst, ihre weiße Weste könnte einen Fleck bekommen. sie werden aggressiv und bösartig und unterdrücken dann jede konstruktive Mitarbeit. Dieses Verhalten verringert den Erfolg der Gruppe, kann ihn sogar vollkommen gefährden. Nur um die Führungsrolle zu behalten. Solche Menschen sind schädlich für die Gruppe und sollten aus ihrer Führungsposition unbedingt abgelöst werden. In solchen Gruppen entsteht Mobbing und damit krankheitsbedingte Ausfälle.


Barney123  11.11.2016, 10:06

Fortsetzung

Aber schauen wir genau hier doch einmal genauer hin: Wir haben gesagt, dass es Heute nicht mehr möglich ist, alles zu können und zu wissen. Das ist eine Tatsache. Offen zuzugeben, etwas nicht zu wissen oder zu können ist doch keine Unsicherheit  -- genau genommen ist das doch eine Stärke! Sie eröffnet die Möglichkeit offen zu sagen: Wer eine gute Idee hat - einfach zum Gruppenerfolg beitragen! Seine eigenen Stärken und
Schwächen kennen ist also kein Grund für Unsicherheit. Sie zu
akzeptieren eröffnet die Möglichkeit andere Menschen mit ihren
spezifischen Eigenschaften zu akzeptieren und zu respektieren, und eröffnet anderen Mitgliedern die Möglichkeit, ihren individuellen Beitrag zum Gruppenerfolg zu leisten und damit Anerkennung und Akzeptanz zu erreichen!

Und ja, natürlich macht jeder mit diesen Anforderung in seinem Leben bekanntschaft. Aber wie oben geschrieben -- so unterschiedlich die Gruppen, so unterschiedlich die Erwartungen. Kommst Du in eine konservative Gruppe, in der die Leute alle autoritär erzogen wurden und daher wahrscheinlich einen Minderwertigkeitskomplex haben, musst du dich mit Ideen zurückhalten. Denn Du kannst Dich darauf verlassen, da gibt es einige  die können das nicht ertragen und fangen dann an zu mobben. Einfach mal Tante Google fragen. Bessere Leistungen und Fähigkeiten als die Anderen, ist die Hauptursache für Mobbing.

Beim reden. Kommt halt drauf an. Natürlich gibt es Leute, die haben keine Ahnung und von denen hörst Du natürlich diese abgedroschenen Sätze. Wer macht sich denn über solche Dinge gedanken? DSDS oder Dschungelcamp sind doch unterhaltsamer als sich eigene Gedanken machen und sich vernünftig zu interessieren. Gibt aber auch andere.

Und Frauen sind doch auch nicht anders. Dort gibt es halt den Zickenkrieg. Gibt aber auch vernünftige Frauen.

Muss ja niemand seine Zeit mit solchen Leuten verplempern. Lästig wirds halt, wenn genau die Dich stalken.

Ist halt wie im richtigen Leben

LG

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Liebe xMirage95, dass Männer es in der Gesellschaft tendenziell schwerer haben als Frauen, würde ich nun nicht geradezu behaupten. Es reicht zusagen, dass sie es auch nicht leichter haben. Genau so, wie Frauen es empfinden, dass an sie von der Gesellschaft eine Rollenerwartung herangetragen wird, empfinden das bewusst oder unbewusst auch Männer. Mit derselben Berechtigung, wie Frauen das als "sexistisch" empfinden können, können auch Männer das so empfinden. Und ebenso, wie Frauen empfinden, dieser "Sexismus" gehe von Männern aus, können auch Männer empfinden, er gehe von Frauen aus. Der Druck, sich rollenkonform zu verhalten, für den Mann also, den "starken Typen" herauszukehren, tritt ja vor allem in dem Alter und der Situation auf, in dem er auf Partnerinsuche ist und feststellen muss, dass fast alle Mädchen und Frauen kein "Weichei" als Partner haben wollen. Zwangsläufig wird er sich abgewöhnen, eines zu sein, und er wird das schnell tun. Ich gehe davon aus, dass es umgekehrt Mädchen und Frauen entsprechend geht. Aber Kerle erleben es eben so, dass der gesellschaftliche Druck, sich rollenkonform zu verhalten, vor allem vom weiblichen Geschlecht ausgeht.

Ich weiß nicht ob das alle Männer haben aber ich hab so eine Art "Beschützerinstinkt"

Und um beschützen zu können muss man nunmal stark sein.

Das ist auch so eine Sorge die immer wieder durch meinen Kopf geistert... dass ich nicht stark genug bin :S


nintendoluk  11.11.2016, 12:13

Ich glaube aber nicht, dass ich es als Mann schwerer hab
Die Mädls haben da schon auch ihre Probleme ^^'

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Dieser Druck ist mir auch als Frau (ich hoffe, ich darf dennoch antworten) aufgefallen.

Es fängt schon damit an, wenn hier Jungs fragen, ob sie bei einem Film weinen dürfen und die Antwort lautet nur wenn der Lieblings-Fußballverein verliert.

Es geht weiter, dass schwul in unserer Gesellschaft als Beleidigung angesehen wird. Was ist denn schon schlimm daran schwul zu sein? Im Gegenzug dazu ist Lesbe als Schimpfwort für Frauen weniger gebräuchlich.

Depressionen ist in unserer Leistungsgesellschaft besonders schlimm für Männer, da sie Probleme haben diese Krankheit zuzugeben, da sie als Schwäche angesehen wird. Erfolgreiche Suizide werden von mehr Männern begangen.

Besonders gut kann ich mich an die eine Gegebenheit erinnern: Auf einem Parkplatz mühte sich ein Mann damit ab, etwas hochzuschaffen, damit er darunter noch etwas verstauen konnte. Das Ding wollte aber nicht dort bleiben, wo es sollte. Daher habe ich ihm meine Hilfe angeboten. Oftmals ist eine dritte Hand von Nutzen. Er hat höflich abgelehnt. Als ich dann weiter gegangen bin, hat er mich gefragt ob er denn so schwach aussehe. Das hat mich wirklich getroffen, denn ich wollte ihn nicht beleidigen oder ähnliches. Alles, was ich zu diesem Zeitpunkt gesehen habe, war ein Mensch, der ein Problem hatte.

Allerdings darf man nicht den Fehler machen und behaupten, dass es Männer schwerer als Frauen haben. Letzten Endes kranken beide Geschlechter an den Geschlechterklischees, die eigentlich niemand wirklich erfüllen kann.

Bei Frauen hingegen erlebe ich es öfters, dass diese Klischees in Frage gestellt werden und dass deutliche Ansagen gemacht werden, wie sie behandelt werden wollen.

Bei Männern bekomme ich das weniger mit, obwohl die Krankheit Depressionen ich durchaus als ernstes Problem einschätze.

Wir sollten uns alle immer vor Augen halten: Niemand ist ein Klischee.