Als Eu Bürger mit einem Studium in einem Nicht-Eu Land ausziehen und arbeiten?

2 Antworten

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Wenn ich hier in Deutschland mein Studium mache, kann ich dann im Ausland damit arbeiten, auch wenn es nicht in der EU ist?

Du kannst sogar auch ohne Studium im EU-Ausland arbeiten. Ein Studium, egal wo, ist überall auf der Welt „nur“ eine höhere (akademische) Berufsqualifikation, die allerdings zugegeben sehr zu empfehlen ist, wenn man auch ein wenig etwas verdienen möchte.

Allerdings muss man dazu sagen, dass ein Dualstudium beim deutschen Finanzamt natürlich eine Qualifikation ist, die im Ausland tatsächlich eher unbrauchbar ist. Warum sollte irgendein Unternehmen in Schweden einen Experten für Deutsches Finanzwesen brauchen? Selbst wenn sie beispielsweise nach Deutschland exportieren, entrichten sie ihre Steuern dafür beim schwedischen Finanzamt und brauchen wenn überhaupt Experten dafür. Es wäre also wenn dann sehr viel empfehlenswerter, irgendein allgemeines Studium an einer öffentlichen Uni, beispielsweise BWL zu studieren, denn die Inhalte von BWL sind in großen Teilen global gleich.

Weil was hat man denn sonst für Möglichkeiten, wenn man später mal in einem anderen Land leben will?

Ich antworte das häufig: die Jobsuche in anderen Ländern funktioniert ganz grundsätzlich ungefähr so, wie in Deutschland auch, und als Ausländer kommt dann nur noch hinzu, dass man außerhalb der EU (Malaysia) eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung (Visum) beantragen muss (was allerdings außer in sehr strengen Ländern wie USA, Australien oder Kanada eher kein Problem ist, wenn man einen Arbeitgeber gefunden hat). Das heißt, um deine Frage zu beantworten, man hat ganz ganz viele Möglichkeiten! Dass es trotzdem nur eine Minderheit der Deutschen ist, die auswandert, liegt nicht daran, dass es so ultra-kompliziert ist, sondern daran, dass a) die meisten schlicht nicht auswandern wollen, und b) von den Auswanderungswilligen einige schon an der Job-/Wohnungssuche oder sonstigen sehr grundlegenden Sachen scheitern, weil sie die Landessprache beispielsweise nicht sprechen. In Deutschland werden die meisten Ausschreibungen auch nur auf Deutsch gemacht, warum sollte das in deinen Wunschländern anders sein? Und wenn es dann daran scheitert schreiben die Leute „hat nicht geklappt, ist zu schwierig“ - nein, es ist überhaupt nicht schwieriger als in Deutschland, aber es ist sehr sehr sehr sehr sehr sehr klar, dass man bis zu einem gewissen Grad die Landessprache beherrschen sollte, um sich Informationen und Angebote aus dem Land überhaupt beschaffen zu können.

Oder gibt es vielleicht die Möglichkeit, eventuelle Berufe im Ausland im Homeoffice auszuüben, also weil man ja sowieso von zu Hause aus arbeitet, wäre der Standort ja eigentlich nicht relevant oder nicht? 

Theoretisch ja, allerdings gilt auch hier, dass du ggf. ein Visum dafür brauchst. Außerdem ist die essenzielle Frage, wo du deinen (angemeldeten) Wohnsitz hast und entsprechend steuer- und versicherungspflichtig bist. Klar kannst du nur offiziell deinen deutschen Wohnsitz behalten und physisch im Ausland sein, aber dann zahlst du eben auch deutsche Einkommenssteuer und deutsche Krankenversicherung und deutsche Miete und machst eine deutsche Steuererklärung, obwohl du im Ausland bist und dort ebenfalls zusätzlich Kosten hast…. Und einen Arbeitnehmer ohne Wohnsitz in Deutschland, das können aus steuerrechtlichen Gründen nur die wenigsten Arbeitgeber mitmachen (das lernst du dann ja beim Finanzamt).

bis zu meinem Abitur ist es noch eine lange Zeit, also hat meine berufliche Wahl noch ein wenig Zeit

Eben. Es ist ehrlich gesagt auch etwas langwierig, dir die Problematik mit Arbeitsrecht, Steuern und Sozialversicherung zu erklären, solange du das ganze noch nicht einmal „normal“ aus Deutschland kennst. Das, was du jetzt erstmal realistischerweise tun kannst, ist tatsächlich noch über andere Studienrichtungen nachzudenken. So gut wie alle Ingenieursrichtungen sind tendenziell auch empfehlenswert bei Auslandsplänen. Und weißt du, bei einem „normalen“ Studium hast du außerdem den Vorteil, ein oder zwei Auslandssemester in das Land deiner Wünsche zu machen und dir da schon mal anzugucken, wie das da so funktioniert. Du kennst Schweden, Madeira und Malaysia bisher maximal von Urlaub, aber in einem Land zu leben und zu arbeiten ist immer etwas vollkommen anderes.

Übrigens, wenn du noch drei Jahre bis Abitur hast, würde ich dir auch noch Schüleraustausch ans Herz legen. Ich hatte auch in der 11. Klasse ein Schüleraustauschjahr nach Japan gemacht, und das war der wesentliche Grund, warum ich später einen Job in Japan angenommen habe. Man kann Schüleraustausch natürlich nach Schweden machen, und nach Malaysia nämlich auch. Wie gesagt, es ist wichtig, das Land mal abseits von Hotel, Strand und Sehenswürdigkeiten kennenzulernen um einschätzen zu können, ob man dort wirklich dauerhaft leben möchte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lebe und arbeite seit 2017 in Japan

NameName4004 
Beitragsersteller
 18.08.2024, 09:31

Wow. Du hast mich wirklich ins Nachdenken gebracht. Vielen Dank für diese ausführliche Antwort, das hilft mir sehr. Ich werde jetzt tatsächlich darüber und über deine Worte nachdenken, du bist auch immerhin ein Experte dadrin weil du selber in Japan arbeitest

Niemals darfst Du glauben, dass Du in einem anderen Land genau so akzeptiert wirst und ebenso viele Freiheiten und Rechte haben oder soziale Toleranz erfahren wirst wie in Deutschland. Es fängt mit der Sprache an und geht mit der Anerkennung von Titeln etc. weiter. Deine Familie und Freunde hinter Dir zu lassen und in eine andere Stadt oder gar ein anderes Land zu ziehen, muss man auch bis in die letzte Konsequenz durchziehen können.

Ich würde Dir raten, zu überlegen, Dein Studium zunächst in Deutschland zu beginnen und dann nach dem BA Abschluss über ein Austauschprogramm (wie z.B. Erasmus) für ein oder zwei Semester ins europäische Ausland zu gehen. Nirgends wo auf der Welt hast Du als Ausländer so viele Möglichkeiten und Rechte (einschl. begrenztem Wahlrecht) wie innerhalb der EU.