Aikido langweilig/sinnlos?

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Ich trainiere seit mehreren Jahren Aikido.

Leider befand ich mich bereits dreimal in realen Gefahrensituationen, in denen ich andere Personen, oder mich, schützen musste.

Aikido wird meist unterschätzt, da der angreifende Partner (Uke) kooperiert und sich hebeln bzw werfen lässt. Das sieht sehr ästhetisch aus, lässt aber manche an der Effizienz zweifeln.

Tatsache ist jedoch, das diese Kooperation des Partners einfach notwendig ist, um schwere Verletzungen zu vermeiden.

Wenn man Aikido direkt gegen einen nicht kooperierenden Angreifer einsetztund beispielsweise bei Würfen den Arm nicht loslässt, Gelenkhebel, oder Atemi-Techniken voll durchzieht - dann riskiert man schwere körperliche Schäden, wie etwa Knochenbrüche.

Um eines klar zu sagen:

Ich bin nicht stolz darauf, anderen Menschen in solchen Situationen Schmerzen zugefügt zu haben und ich war auch nicht begeistert, endlich Aikido unter realen Bedingungen anwenden zu müssen.

Allerdings sind alle Beteiligten ohne lebensgefährliche Verletzungen den Situationen entkommen, auch wenn ich in einem Fall vermutlich das Hangelenk gebrochen habe.

Aikido ist als Kampfkunst anspruchsvoll und keine Methode, mit der man in drei Wochen lernt, jemanden zusammenzuschlagen.

Wenn man aber dran bleibt, gewinnt man meiner Meinung nach weit mehr, als nur irgendeine Form körperlicher Überlegenheit, sondern innere Stärke und Ausgeglichenheit.

Woher ich das weiß:Hobby – Seit etwa 40 Jahren Training des Aikido

Enzylexikon  16.10.2015, 14:41

Wie Volker79 auch völlig richtig sagte, gibt es einen Unterschied zwischen Wettkampfsport, Kampfkunst und Selbstverteidigung

In der Kriegskunst dienten die Kampftechniken schlicht und einfach dazu, andere Menschen so schnell und einfach wie möglich zu töten, oder durch schwere Verletzungen kampfunfähig zu machen.

Im Wettkampfsport wurden meist alle potentiell tödlichen Techniken aus dem Training entfernt, damit man faire Wettkämpfe durchführen kann, ohne den Tod oder Langzeitschäden zu riskieren.

Gefährliche Techniken werden, wenn überhaupt, nur noch an hoch graduierte Lehrer weitergegeben. Er ist also nicht primär auf Selbstverteidigung ausgelegt.

In der Kampfkunst fand diese Entschärfung nicht im gleichen Maße statt, so dass oft gefährlichere Ekemente beibehalten wurden.

Allerdings wurde dem körperlichen Training ein geistig-philosophischer Rahmen gegeben, so dass die Konzentration nicht mehr zwangsläufig auf der optimalen Verteidigungsfähigkeit liegt, selbst wenn diese Fähigkeiten gefördert werden

Stattdessen wird die Kampfkunst als ein Weg zur Persönlichkeitsentwicklung gesehen, der über das reine Erlernen von Techniken hinausgeht, sondern das gesamte Leben beeinflusst.

Als Folge davon finden sich aber beispielsweise auch Bewegungsmuster, die vor allem der Atemregulierung dienen, oder philosophische Bedeutung haben, jedoch als Selbstverteidigung ungeeignet wären und unter diesem Gesichtspunkt eher unsinnig scheinen.

Dennoch stellen viele Kampfkünste weiterhin die Möglichkeit der Selbstverteidigung, wenn man den ritualisierten Rahmen anders betrachtet.

Die Selbstverteidigungssysteme lassen dagegen philosophische Konzepte weitgehend außen vor, sondern beschränken sich auf die Vermittlung psychologischer Kenntnisse und effektiver Techniken.

Dabei kombinieren sie Elemente aus verschiedenen Disziplinen und vereinigen sie unter einem bestimmten konzept.

So gibt es Selbstverteidigung für das Militär, Sicherheitskräfte und Privatpersonen - jeweils mit unterschiedlichem Schwerpunkt.

Wenn man jetzt fragt:

"Ist X, Y oder Z besser?"

Dann sollte man wissen, worauf man eigentlich aus ist. Was verspricht man sich vom Training? Was will man erreichen?

Wer sich nicht darüber im klaren ist, was man sich erhofft und sich nicht vorab über den Stil informiert, kann man dann sehr leicht enttäuscht werden, weil das Training so ganz anders verläuft, als vermutet.

Persönliches

Ich selbst habe mein Aikido-Training aus persönlichen Bedürfnissen begonnen, die nichts mit Wettkampf, oder Selbstverteidigung zu tun haben.

Mittlerweile bin ich zwar in der Lage, mich auch gegen Angriffe zu verteidigen, allerdings ist das für mich immer noch nicht die Motivation, sondern eher ein angenehmer Nebeneffekt.

Ich bin beispielsweise offener und fröhlicher geworden, auch meine Selbstwahrnehmung hat sich deutlich geändert.

Andere haben mehr Ausgeglichenheit und Selbstbewusstsein durch das Training entwickelt, sind im Umgang mit Menschen flexibler geworden und trauen sich nun mehr zu.

Das sind für mich Aspekte, die Aikido aus meiner Sicht wertvoll machen und der Grund, weshalb es für mich mehr ist, als reine Verteidigungstechnik.

Letztlich geht es immer darum, was man selber für sich aus dem Training von Judo, Karate, Aikido, Krav Maga usw. ziehen kann.

Einige wollten ursprünglich nur Selbstverteidigung erlernen,  merkten dann aber, dass ihnen das Training einfach Freude bereitet und es ihnen letztlich die "Tauglichkeit" der Methode egal ist.

Mancher findet im Wettkampfsport wie Judo eine ganz persönliche Philosophie und Lebenseinstellung, ohne jemals mit asiatischen Lehren in Verbindung gekommen zu sein.

Andere erfreuen sich einfach an ihrem neuen Körperbewusstsein und der Fitness, sie fühlen sich wohler und strahlen diese Zufriedenheit auch aus.

Einige waren vorher aggressiv und haben gelernt, besser mit ihren Aggressionen umzugehen, anstatt alles kurz und klein schlagen zu wollen.

Es ist also völlig egal, ob andere Aikido "doof" finden, denn schließlich geht es hier um dich und um deine eigene Erfahrung.

Wenn dir Aikido irgendetwas bringt und du Spaß daran hast, dann sind diese Kommentare selbsternannter Experten unter irgendwelchen YouTube-Videos völlig irrelevant für dich.

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Takaki 
Beitragsersteller
 19.10.2015, 17:43
@Enzylexikon

Okay, super vielen Dank für diesen Wahnsinnskommentar. Das war echt hilfreich und sehr überzeugend.

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Enzylexikon  19.10.2015, 18:08
@Takaki

Freut mich, wenn der Beitrag gefällt. :-)

Allerdings will ich niemanden von irgendetwas "überzeugen" - höchstens vielleicht davon, einfach mal alles auszuprobieren, was dir interessant erscheint, ohne dich dabei von den Erfahrungen, oder Ansichten anderer Menschen beeinflussen zu lassen. :-)

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Takaki 
Beitragsersteller
 19.10.2015, 18:17
@Enzylexikon

Ja, das meine ich. Davon hast du mich überzeugt. (:

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Enzylexikon  06.06.2016, 18:10

Vielen Dank für den Stern. :-)

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Letztlich ist es doch gar nicht die Frage was andere sagen, welche anderen Erfahrungen die Menschen gemacht haben und was irgendwo "steht“.Es gibt bestimmt eine Menge Menschen die nichts von Fußball halten, von Golf oder Basketball. Aber wenn es dir doch Spaß macht?Du wirst erst herausfinden ob dies der richtige Sport für dich ist wenn du's ausprobiert hast. Ich selber habe zwar diesen Kampfsport nie betrieben (bei mir war es Karate-und ich wollte doch eigentlich immer Kung Fu machen "grins") aber ich sehe eine wunderschöne, traditionelle und auch hoch effektive Form der Selbstverteidigung. Man Kampfsport ist immer nur so interessant wie man ihn betreibt. Die einen finden Judo zu lasch, Karate zu starr, Kickboxen zu brutal, Kung Fu zu schnell und und und...Also, mach deine eigenen Erfahrungen und geht die Sache ganz offen an.Und mal ein Tipp: Schau dir mal bei YouTube die Videos von Steven Seagall an. Und zwar nicht die der letzten zehn Jahre, denn der Mann ist alt geworden und hat mittlerweile ein Alkoholproblem, sondern die aus den achtzigern und die wenigen Originaldokumente von Wettkämpfen aus den siebzigern. Dort kann man recht gut erkennen was man damit eigentlich anfangen kann. Ich wünsche der glückliches Händchen bei deiner Entscheidung

Woher ich das weiß:Hobby – Braungurt in 2 und Blaugurt in 1 Stilrichtung

Die einzig richtige Kampfkunst für Dich ist die, welche Du mit Spaß und daraus folgendem Engagement betreibst. Zu Auseinandersetzungen auf der Strasse kann man Romane schreiben und jeder ist da der schlauste. Aber ich habe auf Lehrgängen Aikido-Leute getroffen, die waren einfach furchterregend. Es hängt davon ab, wieviel Du hineinsteckst, denn nur das kommt am Ende wieder heraus. Wie Deine Kampfkunst dann heißt, ist ziemlich egal. Aber in verschiedene Stile hineinzuschnuppern war noch nie ein Fehler. Schau Dir die Schulen an und mach Probetrainings, das bringt Dir mehr als 100 schlaue Texte hier...


Aikido ist effektiv, wegen der defensiven Haltung ist es schwieriger zu lernen und benötigt sehr lange. Es wird Deine Haltung zu den Kampfkünsten verändern und die Persönlichkeit auch. Wie beim Judo sind so einige Bremsen eingebaut. Es ist eins der Kampfkünste, wo man Situationen entschärfen kann bis zur friedlichen Lösung im Idealfall.

Das ist halt aufwendiger als einfach zu zu langen. Und man sieht sich in Leben bekanntlich zweimal.

Ist Fußball sinnvoll? Basketball? Tennis? Handball? Was ist der Zweck hinter diesen Sportarten? Der Sinn und Zweck ist es, Spaß zu haben, unter anderen Menschen zu sein und sich sportlich zu betätigen.

Die Diskussion, ob eine Kampfkunst sinnvoll oder sinnlos ist, die finde ich ziemlich sinnbefreit.

Wenn man "nur" das Ziel hat, sich besser selbst verteidigen zu können, sind die meisten Kampfsportarten nicht ideal für dieses Ziel. Die meisten haben übrigens keine Ahnung, was sie trainieren müssten, um für sich mehr persönliche Sicherheit zu schaffen.