Ab wann gilt etwas als wissenschaftlich erwiesen?

4 Antworten

Das geschieht im sogenannten Peer-review Verfahren.

Wenn jemand eine neue Theorie aufstellt, schreibt er dazu einen Fachaufsatz, in dem er die Theorie genau erläutert und wie sie begründet wird. Diesen Aufsatz schickt er an ein Zeitschrift für wissenschaftliche Veröffentlichungen, die diesen Aufsatz vor der Veröffentlichung mindestens zwei Fachleuten auf ihrem Gebiet, den sogenannten Peers, vorlegt. Deren Aufgabe ist es dann, die Beweisführung zu überprüfen und Fehler zu suchen. Dann schreiben sie ein entsprechendes Gutachten und wenn das positv ausfällt, wird der Artikel veröffentlich und anderen Wissenschaftlern dadurch zugänglich gemacht. Die versuchen dann, ebenfalls Fehler zu finden, was häufig eine Diskussion auslöst, wenn die Theorie nicht ganz wasserdicht ist. Kann aber niemand einen Fehler trotz Suche finden und wird die neue Theorie bei der großen Mehrheit der Fachleute deshalb als gültig anerkannt, gilt sie im Sinne deiner Frage "als erwiesen". Das bleibt sie dann solange, bis vielleicht doch mal jemand ankommt und es nachweislich besser weiß.


Ingrid1111 
Beitragsersteller
 16.11.2017, 11:26

danke für deine Antwort. Aber ich habe schon öfters mitbekommen, das der Begriff "Theorie" negativ belegt ist. so als ob es heißen würde, dass etwas als Theorie zu bezeichnen, bedeuten würde, dass es erwiesen ist, dass es nicht stimmt.

Oder ist das eine weitverbreitete Bildungslücke?

Hamburger02  16.11.2017, 16:13
@Ingrid1111

Da wird, speziell von Religiösen, der große Fehler gemacht, einen Alltagsbegriff völlig identisch auf die Wissenschaften zu übertragen und daraus Fehlschlüsse herzuleiten.

Zwischen Alltagssprache und wissenschaftlicher Sprache gibt es oft trotz gleichlautender Begriffe große Unterschiede in der inhaltlichen Bedeutung. Um denselben Inhalt darzustellen, muss man die Begriffe gegeneinander verschieben:

Alltagssprache   ---   Wissenschaftssprache:
Beweis                      gut belegte Theorie.
                                 Beweise gibt es in den Wissenschaften
                                 nicht  (außer in der Mathematik).

Theorie                      Hypothese

Vermutung                Spekulation

Im Alltag meint man mit "das ist doch bloß eine Theorie von dir", das hat sich jemand ausgedacht und dafür gibt es keine Belege. In der Wissenschaft versteht man aber unter Theorie, dass die entsprechende Aussage belegt, mehrfach überprüft ist und bislang keine nachvollziehbares Argument dagegen gefunden wurde. Das würde man in der Alltagsprache dann Beweis nennen.

Insofern sagt der Wissenschaftler, die Evolutionstheorie ist eine hervorragend belegte Theorie ohne Gegenbeleg, während man in der Alltagssprache sagen müsste, die ET ist tausendfach bewiesen und es gibt keinen einzigen Gegenbeweis.

Eine Theorie gilt als wissenschaftlich erwiesen, wenn 

1. sie mit den Beobachtungen, die sie beschreibt in Einklang steht

2. es bisher (!) keine Beobachtungen gibt, die sie widerlegen würden. Das nennt man Falsifikation. Die Falsifikation muss prinzipiell möglich sein, sonst gilt eine Theorie nicht als wissenschaftlich.

"Schwäne sind weiß" (Theorie)

1. Ja, die Schwäne, die ich sehe, sind weiß

2. Huch, es gibt auch schwarze Schwäne! (Falsifikation)
Also Theorie stimmt nicht!

Beispiel,

Die Bewegung der Planeten konnte mit den Gravitationsgesetzen von Newton und den Kepler'schen Gesetzen hervorragend beschrieben werden. Durch Anwendung dieser Gesetze wurde sogar ein neuer Planet (Neptun) berechnet und entdeckt, weil die Bahn des Uranus nicht den Gesetzen folgte. - hurraah!

So, jetzt kommt Merkur - der verhält sich auch nicht so, wie die Theorien es gefordert haben. Die Suche nach einem weiteren Planeten, mit dem man die Abweichung erklären könnte, blieb erfolglos - bis Einstein durch seine allgemeine Relativitätstheorie zusätzliche Faktoren bereitstellte, die das Verhalten des Merkur hervorragend erklären konnte. Dadurch wurden Newtons und Keplers Theorien nicht ungültig, sondern nur unvollständig.

So entwickeln sich wissenschaftliche Theorien und deren "Beweisbarkeit". Wissenschaftler gehen mit dem Begriff "Beweis" recht vorsichtig um - sie verwenden lieber den Begriff "Beleg".

Wenn also mit dem Begriff "wissenschaftlich bewiesen" hantiert wird - insbesondere in den Bereichen der Esoterik, Homöopathie, Rutengehen etc. - ganz vorsichtig und pingelig werden.

So etwas gibt es in der Wissenschaft nicht.

Man kann Belege vorlegen, die einen Umstand erklären. Aber Beweise, wie vor Gericht, gibt es nicht.

Alle Erkenntnisse der Wissenschaft stehen unter dem Vorbehalt der Falsifikation. Alles ist offen für eine Widerlegung.

Bei vielen Bereichen ist hiermit nicht zu rechnen. Wie z.B. bei der Evolutionstheorie. Es gibt keinen vernünftigen Grund für die Annahme, diese könne in Gänze widerlegt werden.

Wir können hier also von gesichertem Wissen ausgehen. Und die Anwendung solcher Erkenntnisse an der Realität bestätigt sie immer wieder.

Dass wir hier diese Nachrichten austauschen, zeigt, dass gewisse Erkenntnisse der Wissenschaft verlässlich genug sind, zu reproduzierbaren und stabilen Ergebnissen zu führen.

Eine Theorie ist das am besten belegte Konstrukt menschlicher Erkenntnisgewinnung. Darüber hinaus geht es nicht.

Wenn wir also eine gut belegte Theorie haben, können wir praktisch davon ausgehen, dass sie verlässlich genug ist, die Realität soweit zu beschreiben, wie wir sie erfassen können.

Da die Wissenschaft aber eben nicht mit Beweisen und Dogmen arbeitet, könnte es auch immer anders sein.

Wenn Wissenschafter BEweisen können, dass es der Wahrheit entspricht.