Warum kann oder will Markus Gabriel sein eigentliches Anliegen nicht ebenso klar beschreiben, wie hier ein Literaturkritiker es schafft?

1 Antwort

Markus Gabriel kann man trotz berechtigter Kritik zugutehalten, dass er den Szientismus, der besonders unter vielen Physikern favorisiert wird, kritisch hinterfragt. Ein rein physikalisches Weltbild reicht nämlich nicht aus, um alle Phänomene zufriedenstellend zu erklären. Denn der menschliche Geist lässt sich nicht vollständig durch physikalische Theorien erfassen; es bleibt ein Residuum, das rein geistiger Natur ist und nicht durch physikalische Messungen vollständig beschrieben werden kann. Wissenschaft lebt vom kritischen Diskurs. Daher ist es wichtig, dass Wissenschaftler immer wieder neu anerkennen, dass ihre Wahrheitsansprüche nur hypothetisch sind und jederzeit durch neue Erkenntnisse revidiert werden können. Aus diesem Grund erscheint mir der philosophische Beitrag von Markus Gabriel zu einer selbstkritischen Wissenschaftstheorie von fundamentaler Bedeutung. Es gibt nicht "die" Wissenschaft, und die Vorstellung, sie sei die einzig legitime Meinung, wird uns oft fälschlicherweise von den Medien suggeriert. Die Wissenschaften differenzieren sich nach verschiedenen Wissensgebieten und spezifischen Methoden und zeichnen sich gerade durch ihren kritischen Diskurs und Pluralismus aus. Viele Menschen aber können als quasi „wissenschaftsgläubig“ betrachtet werden, weil sie irrtümlich meinen, dass alles, was die Wissenschaft lehrt, absolut wahr sei. Der Beitrag der Philosophie als emanzipatorische Wissenschaft ist ein notwendiges Korrektiv gegenüber übermäßiger Wissenschaftsgläubigkeit, und daher sind auch die philosophischen Interventionen von Markus Gabriel gegenüber einem Szientismus lobend anzuerkennen.


grtgrt 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 10:07

Dass Philosophie ein deutlich weiteres Themenfeld adressieren kann als Wissenschaft, wird weder durch mich noch durch andere Vertreter der Naturwissenschaft bestritten.

Naturwissenschaft wird immer dort enden, wo nichts mehr bewiesen oder wenigstens durch sorgfältige Beobachtung der Natur plausibel gemacht werden kann.

Da philosophisches Denken aber ausschließlich Überzeugungen liefern kann, macht es keinen Sinn, wenn Philosophie nicht dort auf Naturwissenschaft aufbaut, wo jene wirklich Ergebnisse liefert (z.B. auf Erkenntnissen der Quantenphysik, die zeigen, dass es eine ständig Wirkung generierende, uns aber dennoch völlig unbekannte Wirklichkeit tatsächlich gibt), die Welt also keineswegs nur aus Sinn bestehen kann: Realitäten, von denen es ebenso viele gibt, wie denkende Lebewesen sind das, was Gabriels Sinnfelder ausmacht:

Jede der durch ein denkendes Wesen erdachte Realität ist seine persönliche Meinung davon, was wirklich sei (sprich: seine persönliche Vermutung oder Überzeugung, wie das wirklich Wirkende denn eigentlich beschaffen sein könnte).

So gesehen sind Gabriels Sinnfelder einfach nur Meinung, die sich bildet, wo bewusstes oder unbewusstes Denken am Werk ist. Quantenphysik zeigt uns, dass die Welt tatsächlich aus noch weit mehr besteht. Philosophie, die das ignoriert, scheint mir nichts wert zu sein.

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grtgrt 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 11:41
@grtgrt

Mit anderen Worten:

Das "Sinnfeld aller Sinnfelder", von dem Gabriel behauptet, es sei die Welt, enhält nichts weiter als Meinungen.

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