Lessing zu Fabeln?
Lessing sagt zu Fabeln einige Dinge, die ich irgendwie nicht verstehe ...
Lessing:
Ja, ich will es wagen, den Tieren und anderen geringern Geschöpfen in der Fabel noch einen Nutzen zuzuschreiben , auf welchen ich vielleicht durch Schlüsse nie gekommen wäre, wenn mich nicht mein Gefühl darauf gebracht hätte. Die Fabel hat unsere klare und lebendige Erkenntnis eines moralischen Satzes zur Absicht. Nichts verdunkelt unsere Erkenntnis mehr als die Leidenschaften. Folglich muss der Fabulist die Erregung der Leidenschaften soviel als möglich vermeiden. Wie kann er aber anders z.B. die Erregung des Mitleids vermeiden, als wenn er die Gegenstände desselben unvollkommener macht und anstatt der Menschen Tiere oder noch geringere Geschöpfe annimmt?
1 Antwort
Das ist nicht Lessings interessanteste Aussage zur Fabel, aber gut.
Hier will er nur rechtfertigen, warum Tiere in seinen Fabeln vorkommen: Tiere oder "noch geringere Wesen" schaffen eine Distanz, die es ermöglicht, Mitleid zu erregen, ohne Identifizierung (Tiere = das sind wir doch nicht!) und somit ohne Leidenschaften zu bewirken.
Nun aber zur "Erkenntnis", die nicht "verdunkelt" werden soll - da wird es interessanter.
In seine Fabeln bezieht sich Lessing auf antike Vorlagen (vor allem Äsopus), aber die unterschiedliche Behandlung ist da entscheidend: Während Äsopus genau beschreibt, wie die Moral aussieht, spart sie Lessing aus. Im Einklang mit seinem "dynamischen" Wahrheitsbegriff ist der Text so angelegt, dass der Leser selbst die jeweilige Moral ausmachen soll (diese Moral ist dann die Wahheit, die auf seine Zeit zutrifft).
Eine solche geistige Leistung erfordert tatsächlich, dass das Erkennntnisvermögen des Lesers nicht durch "Leidenschaften" "verdunkelt" wird.