Wie entwickelt man perverse oder masochistische Fantasien?

4 Antworten

Zuerst einmal: du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass es nicht nur EINE Erklärung für ein bestimmtes menschliches Verhalten gibt.

Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Menschen sind verschieden. Auch wenn sie äußerlich (scheinbar) das gleiche tun, können ihre Beweggründe jeweils andere sein.
- Ein bestimmtes Verhalten und Reagieren kann bei der gleichen Person durch mehrere Motive gleichzeitig bestimmt ( = 'determiniert') sein.
- Je nach theoretischem Modell des Erklärenden können Erklärungen für das gleiche Phänomen unerschiedlich ausfallen.

Zu deiner speziellen Frage noch:
Es wäre zu präzisieren, wann man von "perversen" Fantasien und wann man von "masochistischen" Fantasien spricht - damit man nicht aneinander vorbeiredet.

Fazit: Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze, die auf unterschiedliche Fälle unterschiedlich gut zutreffen.




Timmy001  04.01.2017, 22:21

Wo ich so dein Text lese, ich hab schon lange so Gedanken, das ich von mehreren Frauen ausgepeitscht werde, bis ich hinten überall blute und voller Striemen bin. Oder anders gefoltert werde. Oder ich angebunden werde und gekitzelt werde, bis ich komm. Das ist aber nicht immer so, das ich daran denken muss, aber oft. Ich hab mich manchmal gefragt, ob ich gestört bin. Habs bis heute nicht Geschaft, das meinem psychologen zu sagen. Wenn er fragen würde, viel es mir leichter darüber zu sprechen. Mein leiblicher Vater hat uns früherer ständig wegen eigentlich kleinigkeiten geschlagen und verdroschen, bis meine Mutter ihn verlassen hat. Dann bekam er näherungsverbot. Kann das sein, das meine Fantasien damit zusammenhängen? Aber in meinen Vorstellungen werde ich eigentlich fast immer von Frauen geschlagen. Und meine Mutter hat uns nie geschlagen.

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Tamtamy  04.01.2017, 22:30
@Timmy001

Hallo, Timmy!
Ja, das ist wirklich nicht selten, dass jemand, der als Kind misshandelt wurde, solche oder ähnliche Vorstellungen entwickelt!
So gesehen, ist das nicht 'unnormal'.
Du hast ja jetzt einen Schritt gemacht, dich damit mitzuteilen.
Ich könnte mir vorstellen, dass es für dich - nach Überwindung einer möglichen Scham am Anfang - eine Erleichterung mit sich bringt, wenn du das auch deinem Therapeuten mitteilen könntest.
Wenn es dir hilft, könntest du das ja auch in ein paar Sätzen aufschreiben und ihm das Geschriebene übergeben mit der Bitte, das mal zu lesen. Guten Mut!

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Timmy001  05.01.2017, 16:01
@Tamtamy

Ja, danke! Das mit dem aufschreiben isn super Tipp !!

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Luxusproblem42 
Beitragsersteller
 05.01.2017, 19:06
@Tamtamy

Ok das war seltsam... Trotzdem ist der Umgang hier ziemlich nett. Danke noch mal für deine Antwort Tamtamy.

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Timmy001  28.01.2017, 01:17
@Luxusproblem42

Oh, hey Luxusproblem42,

Hab eben erst gesehen, das ich mich in deine Frage ungefragt eingemischt habe und selbst ne Frage gestellt habe 😯 . Tut mir leid, war mir damals leider nicht gleich bewusst 🙄

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Was "pervers" ist und was nicht, ist von Kultur zu Kultur unterschiedlich, und auch abhängig vom Zeitpunkt.

In Europa galt z.B. vor 100 Jahren noch JEDE sexuelle Aktivität als "pervers", die nicht der Fortpflanzung (in der Ehe) galt (deswegen Freuds: "Kinder sind polymorph pervers!"); vor 50 Jahren war Pornographie auch den Erwachsenen verboten; etc.

Schon das Alte Testament ist frauen- und sexualfeindlich, das Christentum hat dem noch Lustfeindlichkeit hinzugefügt. Klar, denn der Sohn Gandalfs ist unter Qualen am Kreuz gestorben -> "christliche Leidensethik".

Die Kinder haben den Eltern ohnehin zu gehorchen und sie gefälligst zu respektieren - da war Schmusepädagogik nicht gefragt, sondern der Rohrstock: Kinder hatten ihre Eltern zu siezen (merkt man heute noch bei den Angelsachsen: die siezen alle - das "You" heißt "Sie" nicht "Du", welches "Thou" bedeutet).

Dazu kommt noch, dass Schmerz und Lust im Gehirn im gleichen Bereich verarbeitet werden! So kann biologisch Lust den Schmerz dämpfen (z.B. bekämpfen viele Frauen Menstruationsschmerzen mit Sex), aber Schmerz kann auch lustvoll sein. Was da dann dominiert wird im Laufe der Entwicklung festgelegt.

Beides in Kombination hat dann dazu geführt, dass der einzige(!) Beitrag der westlichen Welt zum weltweiten Kanon der Sexualität der Sado-Masochismus ist. Andere große Kulturen waren durchaus lustvoller (Kamasutra, altchinesische Liebeskunst/Tao der Liebe).

Sicher, es macht durchaus auch einfach Spaß, sich zum Vergnügen mal "auszuliefern" oder zu "dominieren". Aber das sind halt die Gründe, warum das ausgerechnet in unserer Kultur so ein Thema wurde ...

PS: Was mich angeht: Liebevolle Kindheit mit Zärtlichkeit genug für 3 Leben, sowie keine Beschränkung meiner kindlichen und jugendlichen Lust und Neugier. Sollte ich jemals eine Freundin haben die auf SM steht, dann dürfte sie das gerne ausleben - nur eben ohne mich.

PPS: Ist auch kein Zufall, dass heute die sexuell restriktivsten Gesellschaften auch die gewalttätigsten sind (USA, Russland, Arabien, Indien).


Luxusproblem42 
Beitragsersteller
 05.01.2017, 19:13

Du hast dir wirklich Mühe gegeben es so anschaulich zu beschreiben wie möglich. Jetzt habe ich einige neue Beispiele wenn ich über das Thema spreche. Und krank finde ich eigentlich das alte Weltbild... es ist so rassistisch und kalt. Danke für deine Antwort und deine Meinung. Klare

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Libertinaer  06.01.2017, 03:44
@Luxusproblem42

"Und krank finde ich eigentlich das alte Weltbild... es ist so rassistisch und kalt."

Ja, absolut.

Es waren auch die Christen, die im 4. Jhdt. anfingen, Homosexuelle auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Vorher hat man geliebt wie man wollte.

An dem Tag, an dem im englischen Parlament das Verbot der Pornographie auf der Tagesordnung stand, wurde auch über das Verbot von Arsen abgestimmt. Erstere wurde verboten, letzteres nicht. Man hielt Pornographie für deutlich schädlicher. =:-o

Bis in die 1960er Jahre war die Sexualäufklärung (sofern man davon reden konnte) fest in kirchlicher Hand. Und was einem als Kind eingetrichtert wird, dominiert ggr. das ganze restliche Leben:"Wenn ich den Glauben eines Menschen mit 8 oder 9 Jahren habe, habe ich ihn für den Rest seines Lebens.

Je früher ich damit anfange, jemandem einzuimpfen, was er glauben soll, umso eher bleibt er dem für den Rest seines Lebens treu. Auch wenn er mal abgleitet, irgendwann kehrt er zurück.

Und wenn es zu emotionalen Entscheidungen kommt, wie: wen heirate ich, wen wähle ich, dann wird religöser Glaube mächtig." (Dr. Michael Persinger, Neurologe)

Davon wieder loszukommen kostet sehr große Überwindung ...

"Die bedeutendste negative Leistung des Christentums war die 'Problematisierung' der Sexualität (...) Wir brauchen eine Geisteshaltung, die in der Sexualität kein 'Problem', sondern ein 'Vergnügen' sieht. Den meisten Leuten fehlt dazu die Sicherheit - und oft auch die Liebe." (Dr. Alex Comfort, Arzt, Psychologe, Wissenschaftler und Schriftsteller)

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Die Ursachen sind vermutlich so verschieden wie die Menschen selbst. Studien haben ergeben, dass unter Masochisten nicht mehr Missbrauchsopfer sind als unter nicht-Masochisten. Allerdings ist die Zahl psychischer Erkrankungen höher. "Höher" heißt aber nicht "die meisten"! Es gibt sehr viele Masochisten, die glücklich und behütet aufgewachsen sind. Viele wissen nicht, wie sie wohl diese Neigung entwickelt haben. Sie war einfach da.

Zu den einzelnen Aussagen:

Verschiedene Meinungen waren zum Beispiel, dass Masochismus eine Störung und unnatürlich ist.

"Unnatürlich" gibt es meiner Meinung nach nicht. Alles hat irgendwo seinen Grund, man sieht ihn nur häufig nicht. Und gerade psychische Störungen sind doch "natürlich" - sie entstehen duch schlechte Erfahrungen. Masochismus kann in seltenen Fällen eine Störung sein. Nämlich dann, wenn der Masochist wirklich real leidet. Zum Beispiel, indem er absichtlich eine Kündigung provoziert, damit er sich schlecht fühlen kann. Solches Verhalten ist allerdings nicht sexuell motiviert und daher etwas anderes.

Eine andere Antwort war, dass man sich so entwickelt, wenn man von seinen Eltern oft geschlagen wurde und Gewallt und Liebe eng miteinander verbunden sind.

Kann wohl passieren. Aber die aller wenigsten Masochisten wurden von den Eltern geschlagen. Und längst nicht jeder, der geschlagen wurde, wird Masochist. Solche Szenarien sind also echt Einzelfälle.

Die nächste Person die ich dann gefragt habe meinte, dass sich das entwickelt, wenn man in einen Moment der Erregung Schmerz erlebt und das Gehirn das falsch aufnimmt.

Das ist Konditionierung. Schau einfach mal auf Wikipedia nach dem Begriff. Und ja, das kann sicher ein Grund sein. Wobei sich da auch Masochisten zum Teil uneinig sind.

Ich will endlich wissen was jetzt davon stimmt. 

Alles und nichts. Eindeutige Erklärungen gibt es nicht. Masochisten selber können oft nur raten. Und Psychologen sind sich auch uneinig darüber, ob das nun eine Störung ist oder nicht.

Du darfst nicht vergessen, dass Menschen sehr komplexe Wesen sind. Ein Charakterzug oder eine Eigenschaft kann viele "Ursachen" haben. Wieso sind manche Menschen Introvertiert, andere Extrovertiert? Wieso mache Unternehmungslustig, andere faul? Wieso steht einer auf große Brüste, der andere auf kleine? Ich denke, der Mensch lebt gerade durch seine Varianz.

Das war jetzt vermutlich nicht die Antwort, die du erhofft hast. Ich hoffe, ich konnte dir trotzdem etwas weiter helfen, einen Gedankenanstoß geben.


Luxusproblem42 
Beitragsersteller
 05.01.2017, 19:02

Danke das war klar, dass es wieder keine 100% genaue Ursache gibt. Der Meinung, dass es unnatürlich ist bin ich auch nicht. Warum sollten Menschen etwas machen, dass unnatürlich ist? Wenn man etwas unbewusst oder aus inneren Antrieb macht ist es doch natürlich.

Ich werde in Zukunft nicht mehr so oft einen allgemein zutreffenden Grund suchen. Trotzdem danke für die Antwort hat geholfen. Klare

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Geschmäcker sind eben verschieden. Die Menschen, die sich mit Masochismus null identifizieren können, sagen, dass dies komplett unnatürlich sei. Dabei ist jeder Mensch individuell. Und man kann dies gar nicht so pauschal sagen, woher dies nun kommt.


Luxusproblem42 
Beitragsersteller
 05.01.2017, 19:11

Das andere etwas das sie als fremd verstehen als pervers oder krank bezeichnen ist wohl der Grund. Was Krank ist kann ich eigentlich nirgendwo nachlesen. Meine Frage war also eigentlich falsch gestellt wie ich jetzt merke. Danke für deine Meinung und dass du mich wie die anderen noch mal darauf aufmerksam gemacht hast, dass es von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist.

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