Hier der Text:
Ingo Rütten: Die Macht der Werbung – oder das Märchen vom bösen Wolf (2016)
Du gehst durch den Supermarkt und willst Bier kaufen, aber nicht irgendeins, sondern nur Beck’s, weil es nach der großen weiten Welt schmeckt. Du kaufst Zigaretten und greifst nach den Gauloises, der Marke, die dich als Individualisten ausweist. Du willst eine Jeans und holst die nicht bei Aldi, sondern
im neuen Diesel-Store.
Warum? Ganz einfach! Du wurdest manipuliert. Durch Werbung. Wie in Science-Fiction-Romanen werden dir immer und immer wieder Markenbotschaften eingetrichtert. Wie ein Mantra graben sich die Produktnamen in dein Hirn. Du wurdest manipuliert. Durch Werbung. Du würdest dich ja gerne anders entscheiden. Nach dem Preis. Nach Qualität. Nach objektiven Kriterien. Aber du wurdest
manipuliert. Durch die böse Werbung ... Ich arbeite seit 10 Jahren in dieser Branche und diese Argumentation begegnet mir immer wieder. Und jedes Mal verblüfft sie mich aufs Neue. Intelligente und selbstbewusste Menschen versuchen, mir zu erklären, dass sie durch Werbung manipuliert werden. Sie glauben allen Ernstes, dass sie gegen die Markenbotschaften wehrlos sind. Doch das ist Unsinn. Denn Werbung kann niemandem den freien Willen nehmen. Jeder bleibt zu jedem Zeitpunkt
Herr seiner Entscheidungen.
Werbung schafft es lediglich, die Entscheidung für eine bestimmte Marke wahrscheinlicher zu machen. Dadurch, dass die Marke sympathisch dargestellt wird. Durch die Lieferung von Argumenten, die die Wahl für dieses Produkt und gegen die Konkurrenz leichter machen soll. Oder durch eine häufige Wiederholung des Logos an allen Orten, damit die Marke wichtig und präsent erscheint. Die
letztendliche Entscheidung liegt aber ganz in der Hand des selbstständig denkenden Menschen. [...]
Gruppenzwang, Prestigesucht oder Gewohnheit kann Menschen zu mancher Markenwahl manipulieren. Werbung vermag das zum Glück nicht.