Assalamu Alaikum,
Zunächst einmal danke ich dir für deine Fragen, die auf eine tiefere Auseinandersetzung mit den Lehren des Islam abzielen. Als Muslima möchte ich dir helfen, den Kontext und die Bedeutung dieser Verse zu verstehen, da Missverständnisse darüber oft zu Verwirrung führen.
Der Koran ist kein Text, der Gewalt rechtfertigt oder fördert, sondern er spricht in bestimmten historischen Kontexten von Konflikten, in denen die Muslime damals in Notwehr handeln mussten. Der „Schwertvers“ (Koran 9:5) ist ein solcher Vers, der in einem ganz bestimmten Kontext offenbart wurde – nämlich während einer Zeit, in der die Muslime in Medina von den Heiden in Mekka verfolgt und bedrängt wurden. Der Vers bezieht sich auf eine Situation, in der die Muslime von ihren Gegnern in den “Schutzmonaten” angegriffen wurden und sich verteidigen mussten. Diese Verse sprechen von einer spezifischen historischen Situation und können nicht auf alle Zeiten und Kontexte übertragen werden.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Koran Gewalt nur dann erlaubt, wenn es um Notwehr geht. Die Muslime werden aufgefordert, sich zu verteidigen, aber nicht in einer Art und Weise, die den Frieden und das Leben unschuldiger Menschen bedroht. Der Vers endet auch mit einer klaren Aufforderung zur Vergebung, wenn der Gegner bereut, betet und sich zu einem friedlichen Weg bekennt: „Wenn sie aber bereuen, das Gebet verrichten und die Abgabe entrichten, dann lasst sie ihres Weges ziehen!“ (Koran 9:5). Dies zeigt, dass der Islam einen klaren und wichtigen Unterschied zwischen dem Verteidigen des Glaubens und ungerechtfertigter Aggression macht.
Was die Frage betrifft, ob Allah „alle Menschen liebt“, so gibt es im Koran viele Stellen, die uns zeigen, dass Allah die Barmherzigkeit und Gerechtigkeit liebt. Allah ist Ar-Rahman (der Allbarmherzige) und Ar-Rahim (der Allvergebende). In der Tat spricht der Koran über das universelle Angebot von Allahs Barmherzigkeit für alle Menschen, und es ist im Islam der Glaube, dass Allah jedem Menschen die Möglichkeit gibt, umzukehren und zu bereuen. So heißt es im Koran: „Wahrlich, Allah vergibt alle Sünden“ (Sure Az-Zumar, 39:53).
Der Vers aus Sure 5, Vers 32, bestätigt die heilige Bedeutung des Lebens und schützt es. „Wer einen Menschen tötet, der tötet die ganze Menschheit; und wer einem Menschen das Leben rettet, der rettet die ganze Menschheit“ (Koran 5:32). Dies zeigt, dass im Islam das Leben eines jeden Menschen sehr wertvoll ist, unabhängig von seiner Religion oder Herkunft. Gewalt gegen unschuldige Menschen ist nicht gerechtfertigt.
In Bezug auf deine Frage, warum ein Mensch die Rolle Gottes übernehmen sollte und anderen das Leben nehmen sollte: Der Islam lehrt, dass nur Allah der wahre Richter ist. Muslime haben nicht die Erlaubnis, sich selbst als Richter über Leben und Tod zu setzen. Die Pflicht eines Muslims ist es, zu rechtmäßigem Zeitpunkt gerecht und friedlich zu handeln, niemals das Leben eines anderen Menschen zu nehmen, es sei denn, es handelt sich um rechtmäßige Strafen, die in einer gerechten und fairen Gerichtsbarkeit festgelegt sind, was jedoch unter dem göttlichen Urteil steht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Islam Gewalt niemals als Lösung sieht, sondern nur als letzten Ausweg in Situationen der Notwehr und Verteidigung. Der Koran fordert immer zu Geduld, Vergebung und Friedfertigkeit auf. Das Bild von Allah, das der Koran vermittelt, ist eines der größten Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, das alle Menschen einschließt, unabhängig von ihrer Religion oder ihrem Hintergrund.
Ich hoffe, dass diese Erklärung dir hilft, den Qur‘an in seinem richtigen Kontext zu verstehen. Wenn du weitere Fragen hast, stehe ich dir gerne zur Verfügung.
Wa Salam,
deine muslimische Schwester