Das ist eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist.
Die Fichte hat nach wie vor ihre Befürworter, allerdings ist immer die Frage, wie viel forstliches Wissen da noch dahintersteckt. Da diskutieren viele Leute mit, die davon recht wenig Ahnung haben. Große Waldbesitzer sind in der Regel nicht selbst Leute mit forstlicher Ausbildung, sondern sind entweder Adelige oder zumindest mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund. Die haben zwar dann forstliches Personal, aber die müssen logischerweise auch die Interessen der Eigentümer umsetzen. Sprich: Geld. Jagd. Status.
Der Waldumbau ist eine gewaltige Herausforderung. Man hat eine enorm fichtenlastige Situation, mit der man jetzt arbeiten muss. In vielen Bereichen läuft man heute schon dem Borkenkäfer hinterher, sodass der "geregelte" und geplante Umbau nur noch eingeschränkt vollzogen werden kann.
Warum aber hat die Fichte dann noch ihre Fans?
Nun, es fehlt allein schon mal die Alternative. Der "Universalretter", die Baumart für fast alle Standorte. So, wie man die Fichte jahrzehnte- und jahrhundertelang eingesetzt hat. Was man aus heutiger Sicht übrigens nicht wirklich verurteilen sollte. Es bringt nichts, auf vergangene Förstergenerationen zu schimpfen, die unter vollkommen anderen Bedingungen wirtschaften konnten, als wir das heute tun. Man sucht die Retter-Baumart im Klimawandel vergeblich. Und sie sterben uns eine nach der anderen Weg. Ich erinnere mich an meine Anfangszeiten in der Forstbranche, da war die ganze Hoffnung auf der Buche. Heute geht selbst sie schon an vielen Standorten wegen Trockenheit und Hitze ein. Die Eiche plagt sich ebenfalls mit Trockenheit und Insektenschädlingen herum. Die Tanne ist standörtlich auch begrenzt und ist fast nur zu verjüngen, wenn das Jagdkonzept stimmt. Selbst die Kiefer, die das Ökogramm sogar auf Extremstandorten vorsieht, kränkelt ordentlich.
Die Lösung liegt aber nie in einer einzigen Baumart. Man muss mit Mischwäldern arbeiten. So ist man weniger anfällig gegen Schwächen einer einzigen Baumart, Schädlinge verbreiten sich wesentlich weniger gut und wenn man weg kommt von den Wäldern, wo alle Bäume gleich alt sind, senkt man Risiken für großflächige Zerstörungen erheblich. Das sind auch Konzepte, die z.B. der Staatswald in Bayern seit Langem verfolgt.
Der Haken daran ist aber, dass die Bewirtschaftung viel aufwändiger ist als bei einem reinen Fichtenforst. Letzteren kann man standardisiert bewirtschaften, ganz einfach mit Harvester. Hohe Leistungszahlen, entsprechend geringe Kosten bei der Holzbereitstellung, weniger Planungsaufwand. Dazu wächst die Fichte recht schnell. Klar trauert man der Fichte nach, wenn es um die Erwirtschaftung von Geld geht.
Der ideale Wald nach dem Umbau sollte strukturreich sein. Also: Bäume jeder Altersstufe gleichzeitig auf der Fläche. Das bedeutet aber dann, dass man sich einzelne Bäume zur Ernte suchen muss und nicht mal eben ein paar tausend Quadratmeter planmäßig zur Holzerntefläche erklären kann. Dazu kommt, dass sich zum Beispiel eine 120jährige Buche nicht so einfach per Harvester bearbeiten lässt, wie eine gleich alte Fichte - allein schon dadurch, dass die Buche nie so schnurgerade wächst, wie die Fichte.
Und dann kommt da noch ein ganz anderes Problem: Die Gesellschaft braucht Holz. Für alles Mögliche. Bauen, Möbel, Papier, Verpackungsmaterial, Paletten, Parkettböden, Furnier oder zum Heizen.
Die Fichte bringt uns dabei fast alles. Bauholz sowieso. Papier, Paletten, Verpackung und Brennholz kommt da auch mit raus, ein Baum wächst schließlich nicht als fertiger Balken. Aber: Die Fichte wächst sehr gerade. Ideal, wenn man lange, gleichmäßige Holzsortimente braucht.
Buche ist da schon problematischer. Keiner baut mit Buche. Man kann nicht einmal Leimbinder daraus machen, da kaum ein Klebstoff Buchenholz verlässlich verbindet. Dazu ist der Ertrag an hochqualitativem Holz allein durch die Wuchsform wesentlich geringer.
Eiche kann ein sehr wertvolles Furnierholz sein, aber dafür muss sie erst einmal mehr als 200 Jahre wachsen. Zum Bauen ist sie zu schwer - von Spezialanwendungen abgesehen.
Und was ist mit den ganzen fremdländischen Baumarten? Mit denen fehlt in der Regel schlicht die Erfahrung. Wie muss man sie pflanzen? Schadet sie den heimischen Wäldern? Bringt sie Schädlinge mit? Wie verhält sie sich in unseren Klimabedingungen? Kann man mit dem Holz etwas anfangen?
Positive Beispiele wären Roteiche und Douglasie. Man spielt auch viel mit Baumhasel, Schwarzkiefer und Robinie - wobei man bei letzterer immer noch darüber diskutiert, ob sie nun invasiv ist oder nicht.
Die Prognosen und Studien sind auch immer vorsichtig zu deuten. Man arbeitet in der forstlichen Praxis, z.B. in der Beratung von Privatwaldbesitzern, schon lange mit Prognosen. Zum Beispiel vergleicht man die Baumarten darin, welches Anbaurisiko sie im Jahr 2100 haben werden - auch basierend auf Modellrechnungen. Eine schlechtere Prognose sagt aber nicht, dass man die Art komplett streichen muss. Nein, man arbeitet durchaus noch weiter damit, aber nur in geringen Anteilen im Mischwald. Man gibt keine Baumart komplett auf. Allerdings sorgen diese Prognosen auch oft für Verunsicherungen.
Fazit: Die Fichte ist flächendeckend auf dem Rückgang. Der Waldumbau kommt sowieso, wenn nicht schon vom Menschen gemacht, erledigt ihn die Natur jetzt von selbst. Die Alternativen sind aber kostenintensiver, viel aufwändiger, schwer umzusetzen und auch die Vermarktung ist viel schwerer. Zudem ist nicht garantiert, dass die Alternativbaumart dem Klimawandel unbedingt weiter standhalten kann - eine nach dem anderen kränkelt momentan. Auch sie haben ihre Schädlinge und auch sie werden von den Extremwetterereignissen weiter geschädigt. Warum also sträuben sind manche (Groß-)Privatwaldbesitzer ein wenig, ihren Waldumbau so voranzutreiben, wie das z.B. mancherorts der Staatswald seit Langem tut? Weil es Geld kostet und auch risikobehaftet ist.
Und mancherorts passt das Jagdkonzept nicht. Grade der adelige Großprivatwald züchtet regelrecht das Wild - und mit hoher Wilddichte sind besonders Laubbäume und die Tanne kaum pflegbar. Die Fichte ist unempfindlicher, sie wird viel seltener verbissen.
Der Artikel, den du verlinkst, ist aber allgemein extrem pessimistisch geschrieben. Ja, wir haben schon heute mit Schwierigkeiten bei der Bewirtschaftung zu kämpfen und man stellt sich schon heute die Frage, welche Art man auf manchen Standorten noch pflanzen soll. Man darf aber nie vergessen, dass die prinzipiell natürliche Vegetation Mitteleuropas großflächig der Wald wäre. Und das wird sich bis auf einige Extremstandorte auch nicht ändern. Es wird immer Baumarten geben, die wieder aufwachsen. Unsere Aufgabe ist nur, zu verhindern, dass große Flächen kahl werden. Und dafür müssen wir dann eben auch mit Baumarten spielen, die nicht europäisch sind. Die Studie beschränkte sich nämlich explizit darauf. Dabei spielt die forstliche Praxis längst auch mit Arten, die nicht heimisch sind. Eben: Douglasie und Roteiche (Nordamerika), Zedern (Afrika), etc.
Und die Aussage dass Großprivatwaldbewirtschafter sind gegen Waldumbau sträuben, weil sie Fichten wollen, ist so verallgemeinert erst einmal falsch. Klar gibt es die, aber alle über einen Kamm zu scheren, macht keinen Sinn.
Und wenn man Aufwand, Kosten, Erträge (und bei älteren Leuten) und die Erinnerungen an vergangene Zeiten, wo die Waldwirtschaft noch anders war, betrachtet, kann ich manchem eine gewisse Nostalgie nicht übel nehmen. Auch wenn klar ist, dass jeder, der heute forstlich ausgebildet ist und draußen in der Praxis mit dem Waldumbau kämpfen darf, nicht mehr von Fichtenreinbeständen schwärmt.