Flaggen fehlen da, wo die nationale Würde fehlt. Mit ihrem völligen Mangel an Nationalstolz, ja ich möchte fast sagen, ihrem negativen Nationalstolz, sind die Deutschen in der Tat ein großer psychologischer Sonderfall, ein Seelenrätsel, unter den Völkern.
Es gibt manche Völker, deren Mentalität stark von der anderer abweicht – so sind etwa auch Juden, Chinesen, Amerikaner, Armenier, Araber keine „normalen“ Völker – doch geht deren Abweichung in gänzlich andere Richtungen. Die Deutschen aber sind als nationale Selbstverächter und Selbstverleugner einzigartig in der Welt. Warum also fehlt den Deutschen das, was allen anderen Völkern mehr oder weniger selbstverständlich ist, nämlich ein natürliches nationales Selbstwertgefühl?
Den meisten, die sich der Frage stellen, fällt zunächst Auschwitz ein. Das Wissen um die damaligen Schrecken wurde mittels Entnazifizierung, Umerziehung und dann später durch die Ideologie der 68er mit einer derartigen Intensität in die Seele der Deutschen eingehämmert, dass dieses Wissen auf jegliche Formierung nationalen Stolzes nur so wirken scheint zu können wie die Wärme auf den Schnee. –
Wenn diese Erklärung richtig wäre, so müssten die Deutschen in früheren Zeiten ein nationalstolzes Volk wie die anderen gewesen sein. Doch war dem so?
Werfen wir einen Blick in die etwas weiter zurückliegende Vergangenheit. Gehen wir zunächst ins 19. Jh., wo Fürst Bismarck 1863 bereits feststellen musste, dass sie Deutschen lieber für die Interessen anderer Völker kämpfen als für die eigenen:
Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eigenen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung leider auf Deutschland beschränkt ist.
Bismarck bemerkte dies, als breite Teile der deutschen Studentenschaft und des Bürgertums im Allgemeinen sich für den Januaraufstand der Polen gegen das diese unterdrückende russische Zarenreich begeisterte. Auch England und Frankreich unterstützten damals diesen Aufstand, mit dem Zweck, Russland zu schwächen. Die aufständischen Polen forderten einen von Russland unabhängigen eigenen Staat. Ein solcher aber wäre sofort in Gegensatz zu Preußen geraten und der natürlichste erste Verbündete Frankreichs gegen Preußen geworden. Bismarck erkannte dies, die Mehrzahl seiner idealistisch verbildeten Landsleute aber nicht.
Ein paar Jahre zuvor hatte Schopenhauer in seinen Parerga die deutsche Narrheit gerügt, alles Fremdländische würdelos nachzuäffen:
Die Deutschen sind sehr tolerant. Sie bewundern und ahmen leicht jede neue Narrheit (namentlich in Stil und Schreibart) nach, statt sie zu tadeln. Daher greift in Deutschland jede so schnell um sich. (P. I, 487.)
Dasselbe hatte schon Lessing ein Jahrhundert zuvor erkennen müssen als er die deutsche Bewunderung für das selbstgefällige Franzosentum rügte:
Wir sind noch immer die geschworenen Nachahmer alles Ausländischen, besonders noch immer die untertänigen Bewunderer der nie genug bewunderten Franzosen; alles was uns von jenseits dem Rheine kömmt, ist schön, reizend, allerliebst, göttlich, lieber verleugnen wir Gesicht und Gehör, als daß wir es anders finden sollten.
Doch auch im 18. Jh. war das schon lange nichts Neues mehr. Anfang des 17. schrieb Martin Opitz bereits:
Mit nicht geringen Kosten durchwandern wir fremde Länder und streben eifrig danach, unser Vaterland und unser eigenes Wesen unkenntlich zu machen. Indem wir begierig eine fremde Sprache erlernen, vernachlässigen wie die eigene und machen sie verächtlich.
Diese Sucht nach dem Fremden bei gleichzeitiger Geringschätzung des Eigenen zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte. Es lassen sich mühelos Tausende solcher Zeugnisse finden. Eines aus dem 16. Jahrhundert lieferte Sebastian Franck in seinem Germaniae Chronicon von 1538:
[Die Teutschen haben] aller ding ehe acht […] dann jres eygen dings […] Aus dissem ist geflossen / das die Teutschen ehe von Indianern wissen zu sagen / dann von Teutschen […] dann Teutsche seind von art ein volck / das nicht von seim ding helt / nur fremd ding gut ding […] künst / spraach / weißheit / weise red vnd that / lassen sie gern demütig anderen […] Welsch hare lassen [sie] machen / mit seltzamen beschoren köpffen / verkerter spraach / welche so sie es gleich reden / ongern vnd verkert / als künden sie es nimmer reden […] Es ist kein volck / es bleibt bei seiner spraach vnnd kleydung / dunckt sich der gemeyd sein / vnd rhümpt sich deren / will auch das mans darbey erkenn. Allein die Teutschen verleugnen jhr spraach vnd kleydung / vnd geen in frembder seltzamer mummerey herein […] ein volck das äffisch alles allen lendern will nachthon vnd reden […] Auß disser vnachtsamkeit ist kommen / das wir nicht von vns selbs haben noch wissen […] das vns die Römer nit vergebens Barbaros haben genent / vnd in dem fall nit vnrecht thon.
Wir sehen also, die deutsche Selbstverachtung ist nicht neu. Sie ist keine Folge von Auschwitz, stammt nicht aus dem 20. Jh., sondern ist weitaus älter. Sie scheint dem Deutschen geschichtlich sehr früh habituell geworden zu sein, was die Frage nach der Ursache interessant macht. Es können also auch nicht geschichtliche Katastrophen wie etwa der Dreißigjährige Krieg gewesen sein, welche die deutsche Volksseele in Richtung dieses peinlichen nationalen Masochismus deformiert haben.
Es fällt schwer, DIE Ursache zu finden. Doch folgende Faktoren mögen ihre Rolle spielen:
1. Ein in allen germanischen Völkern habitueller Idealismus aufgrund eines genetisch bedingt überstarken Gewissens. „Typisch deutsch“ ist ja auch die Frage nach Vertretbarkeit oder Vereinbarkeit mit dem Gewissen. Nirgends in der Welt gibt es so viele Pazifisten, Vegetarier aus ethischer Überzeugung, Kernkraftgegner, Flüchtlingsretter, Entwicklungshelfer und andere Formen von Gut- und Bessermenschen. Bereits Tacitus rühmte die Sittenstrenge, Ehrlichkeit und Redlichkeit der Germanen. Dabei scheint das Gutmenschliche im Germanen nicht aus einer besonderen Herzlichkeit hervorzugehen, also nicht aus dem Gemüt zu stammen, sondern fast ausschließlich aus dem Gewissen (Über-Ich). Der Deutsche hat von allen Völkern wohl die stärkste Gewissens-Moral und nur die Deutschen konnten so etwas wie einen Kant mit seinem Kategorischen Imperativ hervorbringen. Der Deutsche ist sittlich gut, weil es seine (vom Gewissen diktierte) innere Pflicht von ihm so verlangt. Begriffe wie „Pflicht“, „Vorschrift“ oder „Gehorsam“ sind die Quintessenzen des Deutsch-Seins. Daher waren die Deutschen in der Zeit, als man noch „christlich“ war, auch die gottesfürchtigsten Christen überhaupt in Europa. Die Lutheranische Spielart des Christentums ist reinste Gewissens-Moral, die in starkem Gegensatz steht zur veräußerlichten Beichtmoral der Südländer oder gar der verlogenen Pseudomoral der Angelsachsen.
2. Antigermanismus seit den Tagen Cäsars. Bereits das römische Weltreich hatte sich an den freiheitsliebenden Germanen die Zähne ausgebissen. Es wundert also nicht, dass die Römer versuchten, möglichst viele Germanen in ihr Imperium hinein zu holen, hatte man dadurch doch nicht nur die wohl tapfersten und stärksten Krieger, die es gab in der Welt, sondern auch die treuesten und zuverlässigsten Untertanen – gerade auch im Kampf gegen die einfach nicht bezwingbaren freien germanischen Stämme. Zugleich wurde der naturverbundene Lebensstil der Germanen in den Dreck gezogen, die germanische Tugendhaftigkeit verspottet und die kulturelle Überlegenheit der Römer als antigermanische Ideologie gelehrt.
Die später aus den Trümmern des Römerreiches hervorgegangene Kirche hat die Ideologeme des altrömischen Antigermanismus fortgeführt und die Irrlehre des „Ex oriente lux“ konstruiert, nach der alle Erkenntnis und alle Kultur aus der christlichen Erleuchtung kommen würde, die von Nazareth aus in die Welt getragen worden sei. Vor dieser Erleuchtung hätte es in der Welt nur Irrtum, Barbarei und Finsternis gegeben, besonders bei den Völkern nördlich der Alpen.
Obgleich die Wissenschaft diese Lehre gründlich widerlegt hat, wurde sie auch in modernen Zeiten als eine Art eingefahrener Topos in verschiedenen Formen immer wieder bemüht. Besonders in Südeuropa, wo sie stark dem Wunschdenken der dort lebenden Romanen schmeichelt, findet sie eitlen Anklang. Aber auch ernsthafte Denker wie z. B. der Schweizer Psychologe Carl Gustav Jung sind noch im 20. Jh. darauf hineingefallen. Dagegen hatte bereits im 17. Jh. in Schweden Olof Rudbeck der Ältere und im 19. Jh. in Deutschland Denker wie Eugen Dühring anhand von Quellen, die weit über den obligatorischen Tacitus hinausgehen, gezeigt, dass die Germanen in vorchristlicher Zeit bereits über eine Sittenkultur verfügten, die der späteren christlichen in jeder Hinsicht ebenbürtig war.
Neben der kirchlichen Ex-oriente-lux-Ideologie spielten auch der politische, über Jahrhunderte anhaltende nationale Antigermanismus Frankreichs und später auch Großbritanniens sowie schließlich der USA ihre Rollen. Zu Frankreich und England haben die Deutschen stets aufgeblickt und an diesem die weltweite Machtstellung, an jenem die verfeinerte Kultur hoch bewundert. Die USA traten vor allem nach 1945 stark in die Aufmerksamkeit der Deutschen und es gelang den Amerikanern mittels der Propaganda ihrer „reeducation“ rasch, sich dem unterworfenen Volk im Herzen Europas als großartige Befreier und Bringer von Demokratie zu inszenieren.
Deutschenfeindliche Töne, die aus diesen, von den Deutschen geachteten Ländern kamen, waren somit stets direkte Fußtritte gegen den auf dem Boden liegenden deutschen Stolz, sobald sich dieser zu erheben versuchte.
Des Weiteren gab es Antigermanismus immer auch in unseren direkten östlichen Nachbarvölkern, also etwa bei den Russen, Tschechen und vor allem den Polen. Doch anders als der westliche Antigermanismus hat dieser die Deutschen meist weniger innerlich treffen können, da die Deutschen sich diesen Völkern nicht unter-, sondern eher überlegen fühlten. Dies ist im Grunde bis heute so geblieben.
3. Schließlich scheint ein völkerpsychologischer Faktor eine Rolle zu spielen, den ich die intravölkische Aggression des Deutschen nennen möchte. Es ist nämlich nur teilweise deutschfeindliche Propaganda aus dem Ausland, wenn es heißt, die Deutschen hätten keine Manieren, wären im Umgang hart, kalt und ungehobelt und würden zudem stark zum Neide Ihresgleichen gegenüber neigen. Die rohe, wenig höfliche Art vieler Deutscher – nicht nur der Unterschicht, die in jedem Volk ungehobelt ist, sondern durchaus auch von Akademikern – lässt jene Arten vom Charme, den das alltägliche Leben in Ländern wie beispielsweise Frankreich, Spanien oder Irland haben kann, bei uns gewöhnlich im Keime ersticken. So unterwürfig und speichelleckerisch der Deutsche gegenüber Fremden sein muss, so rüde und gleichgültig verhält er sich oft seinem Volksnächsten gegenüber. Germanus Germani lupus.
Wenn nun ein Deutscher von Bildung und mit einem gewissen oberflächlichen internationalen Überblick, seine ernüchternden Alltagserfahrungen mit anderen Deutschen mit den verklärten Eindrücken vergleicht, die er auf Reisen oftmals macht, so muss sein Urteil über „die Deutschen“ und das Deutschtum im Allgemeinen natürlich denkbar schlecht ausfallen. Der Antigermanismus der Medien, Hollywoods, des etablierten Geschichtsbildes usw. erleichtert dem Deutschen dann ein solches negatives Urteil über sein eigenes Volk – hier kommt eines zum anderen.
Vordergründig könnte man die intravölkische Aggression bei uns auch aus einer Rückwirkung des zweiten Faktors, des Antigermanismus des Auslandes, herleiten. Doch diese Erklärung trifft zu kurz. In diesem Falle müssten ja die Menschen, die der Propaganda dieses Antigermanismus am meisten ausgeliefert sind, die Akademiker und Bildungsbürger, auch die im Schnitt unfreundlichsten und rüdesten überhaupt sein, während das einfache Straßenvolk, das weniger von der antideutschen Agitation mitbekommt, am wenigsten zur Grobheit den eigenen Volksgenossen gegenüber aufgelegt sein. Dies ist aber nicht der Fall, eher im Gegenteil sogar. Daher scheint die rüde, wenig höfliche Art den bzw. sehr vielen Deutschen eher habituell zu sein.
Somit sind, um zum Schluss zu kommen, die Deutschen als Volk heute wie ehedem in einer kaum beneidenswerten Lage. Wir denken unweigerlich an Friedrich Carl von Moser, der schon 1765 über den deutschen Nationalgeist klagen musste:
[…] doch so wie wir sind, sind wir schon Jahrhunderte hindurch ein Rätsel politischer Verfassung, ein Raub der Nachbarn, ein Gegenstand ihrer Spöttereien, uneinig unter uns selbst, unempfindlich gegen die Ehre unseres Namens, ein großes und gleichwohl verachtetes, ein in der Möglichkeit glückliches, in der Tat selbst aber seiner bedauernswürdiges Volk.
Für die Deutschen als Volk ist die Existenz in der Welt des brutalen Ringens um Macht somit eine einzige dauerhafte Krise und der Neurotizismus der deutschen Volksseele die leider wohl notwendige Folge der Umzingelung durch lauter häufig neidische und potentielle feindliche Nationen. So sah Friedrich Hebbel 1860 das Damoklesschwert, das dauerhaft über dem Leben des deutschen Volkes schwebt:
„Es ist möglich, daß der Deutsche noch einmal von der Weltbühne verschwindet, denn er hat alle Eigenschaften, sich den Himmel zu erwerben, aber keine einzige, sich auf Erden zu behaupten, und alle Nationen hassen ihn wie die Bösen den Guten. Wenn es ihnen aber wirklich einmal gelingt, ihn zu verdrängen, wird ein Zustand entstehen, in dem sie ihn wieder mit den Nägeln aus dem Grabe kratzen möchten.“
Doch was, wenn der Deutsche wirklich einmal vom Planeten verschwunden sein sollte? Wer soll dann die großen, bahnbrechenden Erfindungen machen, die uns das Leben heute so leicht machen im Vergleich mit dem Leben früherer Zeiten? Wer soll Entwicklungs- und Wirtschaftshilfe zahlen für die armen Staaten der Erde? Wer soll den Notleidenden und Flüchtenden der Welt Zuflucht und Schutz gewähren? Andere Staaten? Wohl kaum, ausgenommen vielleicht unsere germanischen Verwandten im skandinavischen Norden. Doch deren Völker sind zu klein an Zahl um das Elend der Welt wirkungsvoll überwinden zu können. Zudem würden diese Völker, die tüchtigen Schweden, Dänen und Norweger, dann rasch zur Zielscheibe des Antigermanismus werden, wie es zuvor die Deutschen waren. Nicht, weil wie manche Nationale bei uns glauben, irgendeine Verschwörung bestünde, die bewusst die gezielte Ausrottung des germanischen Menschenschlages anstreben würde, sondern aufgrund des neidgeleiteten Instinktes des antigermanischen Ressentiments, das, aufgrund eigener Unterlegenheitsgefühle, stets die Tüchtigsten und Anständigsten anzubellen sucht – und nicht nur zu bellen, sondern auch zu beißen!
Fassen wir endlich Mut, bissig zu sein, und beißen wir zurück! –