Die politische Linke und der Islam

Wieso haben so viele politisch linke Menschen zum Teil schon regelrecht panische Angst vor Islamkritik? Dabei gehört Religionskritik ja zur urlinken Streitkultur.

Allerdings macht es den Eindruck, als sei, vor allem die neue Linke, in einigen Aspekten komplett abgefallen von der Prämisse des Fortschritt, welche diese Strömung im letzten Jahrhundert noch aufstreben ließ und gesellschaftlich großartige Entwicklungen hervorgebrachte.

Als Beispiel: gestern unterhielt ich mich mit einem guten Freund, der wie ich als Pfarrerssohn aufwuchs und dementsprechend die christliche Religion sehr detailliert kennt. Als wir uns erzählten, warum wir keine Christen mehr sind und wie diese Entwicklung vonstatten ging kamen wir auch zwangsläufig zu dem Punkt, dass Christen eine doch sehr exkludierende Gemeinschaft sind und der Missionsauftrag gefährlich ist und zu schlimmen Ereignissen führen kann.

Die positiven Aspekte wie Nächstenliebe, soziales Engagement, Gerechtigkeit, seien jedoch auch linke Werte meinte er, weshalb er mittlerweile politisch recht weit links steht.

Soweit waren uns einig, jedoch widersprach er mir, dass der Islam einen Missionsauftrag beinhaltet. Das ist schlichtweg falsch, denn die Daʿwa ist fester Bestandteil dieser Religion und die Islamische Expansion ist eindeutig auf das Konzept von Dar e-Salaam und Dar al-Charb zurück zu führen.

Dann kam eine unglaublich kurzsichtige Aussage: dieser wahnsinnig intelligente Mensch "argumentierte" doch tatsächlich damit, dass er ja Muslime kenne für die es keinen Unterschied mache, ob jemand Muslim, Christ oder Jude sei, da alle an den selben Gott glauben. Analog zum Christentum, in dem der jüdische Gott für den selben gehalten wird, der den Menschen nur ein "Update" gegeben habe. Leider kam dann meine Bahn und wir konnten nicht weiter reden.

Denn in seinen Aussagen konnte ich zwei triviale Fehler entdecken: erstens sieht die christliche Theologie auch die Missionierung der Juden vor, ebenso geht aus dem Koran hervor, dass selbst Juden und Christen dieses "Update" dringend nötig haben, um ins Paradies zu gelangen. Natürlich gibt es liberale Muslime für die der Missionsauftrag kein zeitgemäßes Konzept darstellt. Zweitens war sein "Argument" ein typischer Fall der Verfügbarkeits-Heuristik, denn die meisten illiberalen Muslime würde er niemals kennenlernen, weil er in seinem Leben einfach keinerlei Schnittstellen mit dieser Persongruppe hat.

Es ist mir bewusste, dass dieses Beispiel allein keine universelle Wahrheit darstellt. Jedoch fällt es immer wieder auf, dass z.B. das Christentum oft und gerne kritisiert und verächtlich gemacht wird, ähnliche Äußerungen über den Islam aber einen Tabubruch darstellen. Kennt ihr diese Problematik? Wie erklärt ihr Euch dieses Phänomen? Wie geht ihr damit um?

Interessant ist nämlich, dass man auf genau diese Gefahren aufmerksam gemacht wird, wenn man Leuten zuhört, die Exmuslime sind oder sich aufgrund theologischer Studien oder jahrelanger Lebenserfahrung in muslimischen Ländern mit dieser Thematik auskennen.

Islam, Christentum, Gesellschaft