Eine schöne Frage :-D
Also zuallererst bekenne ich mich auch als jemand, der lieber mehr Freizeit hat als mehr Geld. Das war früher anders, da habe ich mich auch noch stärker auf das heilige Arbeits- und Konsumspiel eingelassen. War auch nett, aber so getrieben. Gerade aus dem Gedanken sich dann ständig belohnen zu müssen, in fast jedem Urlaub noch weggefahren etc etc und eigentlich will man auch einfach nur mal sein :-D
Ich erzähl jetzt mal grob wie die Leistungsgesellschaft ihren Anfang nahm und das allergröbste bis heute. Dann findest Du es vielleicht gar nicht mehr wild, der Leistungsgesellschaft beim Untergehen zuzusehen.
Als der Protestantismus durch Luther eine neue Arbeitsmoral in die Welt gebracht hat und damit nach Max Weber (Protestantische Ethik) den ideologischen Grundstein für den Kapitalismus gelegt hat, war es am Anfang sehr schwer, gegen die bestehende, katholische Arbeitsmoral anzukommen. Die Menschen wollten nicht mehr arbeiten, als sie für ein angenehmes, aber bescheidenes Leben brauchten, auch nicht für bedeutend mehr Geld. Irgendwann hat sich dann die protestantische Ethik so in die Köpfe eingefressen, dass man akzeptierte, mit Arbeit und Anhäufung dem Protestanten Gott dann doch am besten huldigen zu können und der Terror ging los.
Was dann sehr viel später den heute allseits bekannten Konsumrausch entfesselt hat, war der flächendeckende Einzug des Fernsehers. In Längsschnitterhebungen zur Lebenszufriedenheit lässt sich nachzeichnen, dass ab diesem Zeitpunkt, das Empfinden sich verschoben hat dahingehend, dass die Leute ihren Status und was sie hatten niederer einschätzten als zuvor. Weil davor die einzige Vergleichsgröße der Nachbar oder sonst wer normales aus dem Umfeld in Frage kam und man sich vor dem, weil etwa vom gleichen „Rang“ nicht so minderwertig fühlen musste, wie vor den Schönen und Reichen aus dem TV, mit denen man sich jetzt zu messen hatte, waren die Leute davor noch mir ihrer Welt zufriedener. Die Upperclass, vor allem des Unterhaltungsfernsehens, wurde zum Maßstab für das, was als erstrebenswert angesehen wurde. Und nicht nur der Lifestyle der vorbildlich konsumierenden Fernsehgeister regte ganz gezielt Konsumwünsche an, sondern nochmal eine ganz neue Dimension der Werbung in bewegten Bildern. Ab jetzt konnte man im ganz großen Stil Konsumwünsche aller Art erzeugen.
Die Konsumverherrlichung hat sich dann im kalten Krieg nochmal radikalisiert. Die UDSSR mit ihrer Planwirtschaft, ihrer Reise- und Freizeitbeschränkung, dem Mangel an Waren und deren Vielfalt wurde dem Schlaraffenland USA und seinem Marshall-Plan Anhängsel gegenübergestellt. Die Freiheit des Westens, ist die Freiheit jederzeit alles konsumieren zu können, Der Osten stand für Rückstand Mangel und Unfreiheit. Durch diesen weiteren ideologischen Schachzug haben sich die Konzepte Freiheit = Konsum miteinander verschmolzen.
Ob es Freiheit ist, die meiste Zeit der Woche einem Unternehmen zu opfern und dann in der wenigen Freizeit gehetzt in reizüberfluteten Konsumstätten das ganze Geld ausgeben zu müssen, wegen dem Status und dergleichen und weil man sich da belohnen und entschädigen muss, dass kann überdacht werden.
„Ideologie ist ein System von Überzeugungen und Begriffen, das die soziale Wirklichkeit in einer Weise sinnhaft strukturiert […] ohne dass bestehende Zwangsverhältnisse problematisiert werden“ (und die letzte Ideologie war der Katholizismus, waren zwar auch umnachtet, aber haben wenigstens den Planeten ganz gelassen :-D)
Ideologien gibt es wohl, seit Menschen schwafeln können. Und unsere schützt die Menschheit auch gerade davor umzulenken. Schon in den siebziger Jahren hat der Club of Rome die „Grenzen des Wachstums“ rausgebracht und das fünf vor zwölf verkündet. Haben alle ignoriert. Jetzt ist fünf nach zwölf und es wird immer noch munter weiter geshoppt.
Arbeiten sich ja auch schon Ökonomen und Soziologen ne Weile dran ab und zum Drosseln und runterfahren der Wirtschaft gibt`s schon gute Ideen. Das Problem daran: Regierungen sind so am Wickel der Wirtschaft, die hätten schon gar nicht mehr die Macht, das Monster derart zu zähmen. Das System hat einfach auch die letzten dreißig Jahre eine so rasante Dynamik angenommen, eine geheime Steuerungsinstanz, wie Q-annon z.B. sich da ausmalen – sowas ist schon lang gar nicht mehr möglich.
Um abschließend mit Marx zu sprechen: Das Kapital ist zum Subjekt geworden.