Hallo Simplaflex,
gerne. ;-)) Kein Wunder, dass Du nicht schlafen kannst!
Sorry, ist jetzt viel zu lang geworden...
Für Eltern und Angehörige ist es eine entsetzliche Belastung, wenn Kinder gemobbt werden, weil man in der Schule NICHTS tun kann, um ihnen zu helfen. Du bist darauf angewiesen, dass die Schulleitung und Lehrkräfte Dein Kind schützen und stehst ohnmächtig und hilflos daneben. Deshalb finde ich es auch klasse, dass Du Deine Schwester unterstützt und sie in die Schule begleitest.
Also der No Blame Approach wird hier: http://www.no-blame-approach.de/no_blame_approach.html so beworben: Ohne Schuldzuweisung und Sanktion.
Das ist allerdings eine unwahre Behauptung, weil die MobberInnen positiv sanktioniert werden. Sie mobben erst Deine Nichte bis sie immer stiller wird und es ihr immer schlechter geht. Das Mobbing fällt ja häufig erst auf, wenn das Opfer schon isoliert ist, die schulischen Leistungen nachlassen und / oder es sich auffällig still oder sehr aggressiv verhält.
Beim No Blame Approach ist es so, dass Mobbing bagatellisiert wird: Es interessiert die Lehrkräfte und die Schule nicht, unter welchem Mobbingverhalten (physisch, psychisch, verbal und/oder nonverbal) Deine Nichte zu leiden hatte und welche Auswirkungen es auf sie hatte. Alles wird großzügig totgeschwiegen: Weder Mobber noch deren Eltern oder gar die ganze Klasse mitsamt der Eltern wird informiert, dass es Mobbing in der Klasse gibt und welches Verhalten als problematisch erkannt wurde und unerwünscht ist.
Statt dessen werden die MobberInnen belohnt, sie dürfen dem Unterricht fernbleiben und werden in angenehmer Atmosphäre bei Keksen herzlich willkommen geheißen. Und dann werden Sie zu Experten für deine "hilflose" Nichte ernannt und sollen ihr mit einer Unterstützergruppe helfen, sich in die Klasse zu integrieren. Die Befürworter des No Blame Approach hoffen, dass die MobberInnen, wenn man ihnen keinen Klartext zumutet und ihre positiven Seiten lobt, ihr Verhalten ändern und das Opfer in Ruhe lassen.
In der Psychologie heute 03/2017 war ein guter Artikel "Wir waren alle ein wenig berauscht von unserem Mitgefühl" über die Schattenseiten von Empathie. Empathietraining bei Strafgefangenen ist oft erfolgreich und führt dazu, dass sie andere beim nächsten Mal noch gerissener übers Ohr hauen. ;-)) Und wenn es beim nächsten Mal wieder Kekse und positive Anerkennung als positive Sanktikon gibt, haben MobberInnen ja auch wirklich nichts mehr zu befürchten.
Für Deine Nichte wäre der No Blame Approach entwürdigend und diskriminierend, sie wird quasi den MobberInnen als Klassenkameradin vorgeführt, die alleine nicht klarkommt und auf ihre Hilfe angewiesen ist. Dein Bauchgefühl ist also goldrichtig.. ;-)) Lass das bloß nicht mit ihr machen, schon gar nicht, wenn ihr nicht wisst, was vorgefallen ist. Wenn z.B. auch strafbare Sachen wie sexuelle Übergriffe in der Klasse vorkommen, dann muss darüber offen mit allen geredet werden und nicht statt dessen über die "Gefühle" deiner hilflosen Nichte.
Stell Dir mal vor, Du wärst mit einem gewalttätigen Typen zusammen. Dann kommt jemand und sagt Dir, jetzt machen wir mal einen Schnitt und schauen positiv nach vorne. Was passiert ist, interessiert nicht, wir schauen POSITIV nach vorne. Wenn der Typ ab sofort Mitleid mit Dir hat und Dich in Ruhe lässt, ist alles wieder gut! Problem gelöst! Ich würde mir ziemlich verarXXXt vorkommen und bevormundet. Das ist der No Blame Approach, der "so super" wirkt, weil das Opfer wieder isoliert wird und diesmal einem noch ungünstigeren Machtungleichgewicht ausgeliefert ist.
Versuch mal mit Deiner Nichte zusammen etwas zu unternehmen, was ihr viel Spaß macht. Vielleicht fahrt Ihr sogar ein Wochenende weg und kommt mal entspannt ins Gespräch. Sag Ihr, was immer in ihrer Klasse passiert, sie soll den Mut haben, mit Dir oder einer anderen Vertrauensperson zu sprechen. Und schaut nach einer No-Blame-Approach-freien Schule!!
Viel Glück Oxana