Geht die Justiz eurer Meinung nach zu lasch oder zu streng mit Straftätern um?

Ich lese momentan einen Roman, in dem ein Polizeikommisar folgende Aussage trifft:

Solange ein Bandenverbrechen mit vier Jahren, eine Steuerhinterziehung aber mit fünf Jahren bestraft wird, solange ein Mörder mit einem guten Anwalt, der auf psychische Schäden im Kindesalter plädiert, mit zehn Jahren davonkommt, in diesen zehn Jahren brav im Gefängniskirchenchor mitsingt und in der Zelle Marienbilder malt und deshalb als resozialisiert nach sechs Jahren entlassen wird, solange ist etwas faul in unserer Justiz! Denken Sie nur an den Fall in Norddeutschland: Da kommt eine Frau nach einigen Jahren Haft aus der Haftanstalt. Vorzeitig, wegen guter Führung. Und was geschieht? Ein paar Monate späte begeht diese Frau einen Raubüberfall auf eine andere Frau und verletzt sie mit mehreren Messerstichen schwer. Verhaftung, Verhör, klarer Tatbestand. Und wie reagiert die Staatsanwaltschaft? Sie läßt die Frau frei. Kein Inhaftierungsgrund, weil ein nachweisbarer fester Wohnsitz vorhanden ist! - Ja, wo leben wir denn! - Angenommen, ich schlage dir jetzt den Schädel ein – mit 'nem Bierglas, nachdem ich schon vier Bier und zwei Schnäpse geschluckt habe. Was nun? Sehr wenig. Ich kann nachweisen, daß ich vor Jahren einen Autounfall hatte, mit einem Schädel-Hirn-Trauma. Ein Psychiater bescheinigt mir, daß ich im Augenblick des Mordes aufgrund einer Alkoholisierung in einem einmaligen Affekt-Tunnelsyndrom gehandelt habe, wobei das Wort 'einmal' das wichtigste ist … Kein Gericht wird mich wegen Mordes verurteilen, höchstens wegen Totschlags bei einer vorübergehenden Unzurechnungsfähigkeit. Da kommt ein mildes Urteil raus! Dabei wollte ich dich umbringen! Es war eiskalter Mord! Aber ich laufe weiter frei herum und du bist tot! - Bei uns ist eine Menge faul in der Justiz. [Die Ecstasy-Affäre von Heinz G. Konsalik, Ausgabe von 1996]

Es ist selbstverständlich ein Roman mit einer fiktionalen Handlung, dennoch beobachtet man immer wieder, auch in den modernen sozialen Netzwerken, dass öffentlich bekannte Gerichtsurteile teilweise als zu lasch eingestuft werden. Oft hört man, dass eine Gefängnisstrafe viel zu kurz sei.

Wie bewertet ihr das ganze - auch in Hinblick auf die teils überspitze Aussage des Kommissars? (Ich bitte um sachliche, begründete Beiträge.)

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Das Rechtssystem geht ausgewogen mit Straftätern um, weil ...

auch in den modernen sozialen Netzwerken, dass öffentlich bekannte Gerichtsurteile teilweise als zu lasch eingestuft werden. Oft hört man, dass eine Gefängnisstrafe viel zu kurz sei.

Leider sind das oft die Leute, die von der Funktionsweise der Justiz wenig bis gar keine Ahnung haben und überwiegend (zu) emotional auf solche Urteile reagieren. Dazu komm noch, dass Medien das ziemlich fördern durch reißerische Meldungen und oft auch einfach falsch oder unzureichend berichten. Um ein Urteil einigermaßen kritisieren zu dürfen, sollte man wenigstens das Urteil auch gelesen haben. Würde vermutlich schon reichen, sich auf fachkundigen Journalen zu informieren.

Man muss auch verstehen, dass jeder Fall unterschiedlich ist. Ein Bandenverbrechen muss nicht immer "schlimmer" sein, als eine Steuerhinterziehung.

Was ist falsch an einem Anwalt, der seinen Job gut macht?

Die Justiz kann auch nicht alles vorhersehen. Hätte sie wissen müssen, dass die Frau wieder ein Verbrechen begeht? Wäre es nicht einerlei, ob es nun nach 3 oder nach 5 Jahren geschieht? Sollte man dann nicht alle Straftäter gleich für immer einsperren?

Und wie reagiert die Staatsanwaltschaft? Sie läßt die Frau frei. Kein Inhaftierungsgrund, weil ein nachweisbarer fester Wohnsitz vorhanden ist!

Ist das wirklich die Entscheidung der Staatsanwaltschaft? Es mag zwar richtig sein, dass ein Inhaftierungsgrund nicht vorliegt, aber nicht weil ein nachweisbarer Wohnsitz vorhanden ist, sondern vor allem überhaupt kein Haftgrund vorliegt.

Angenommen, ich schlage dir jetzt den Schädel ein – mit 'nem Bierglas, nachdem ich schon vier Bier und zwei Schnäpse geschluckt habe. Was nun? Sehr wenig. Ich kann nachweisen, daß ich vor Jahren einen Autounfall hatte, mit einem Schädel-Hirn-Trauma. Ein Psychiater bescheinigt mir, daß ich im Augenblick des Mordes aufgrund einer Alkoholisierung in einem einmaligen Affekt-Tunnelsyndrom gehandelt habe, wobei das Wort 'einmal' das wichtigste ist … Kein Gericht wird mich wegen Mordes verurteilen, höchstens wegen Totschlags bei einer vorübergehenden Unzurechnungsfähigkeit. Da kommt ein mildes Urteil raus! Dabei wollte ich dich umbringen! Es war eiskalter Mord!

Der Komissar sollte eigentlich wissen, dass ein Schuldspruch wegen Totschlags nich wirklich was mit einer verminderten Schuldfähigkeit zu tun hat. Jemanden den Schädel einschlagen kann sowohl Mord als auch Totschlag sein.

Bei uns ist eine Menge faul in der Justiz.

Das ist bestimmt so. Die Justiz besteht aus Menschen, die nicht die Heiligsten, Fleißigsten, Schlausten, Empathischsten Menschen sind. Leider ist sie auch (ja, man darf es nicht leugnen) von der ersten Gewalt abhängig. Ihr fehlen offenbar Mittel, ihre Pflicht gegenüber den Bürger zu angemessen zu erfüllen. Der Rechtsfrieden steht auf der Kippe (?) Dazu kommen unaussprechbare Gesetze. Leider auch Fehlurteile, die Leben und Freiheit zerstören können.

In der Justiz ist es aber nicht so faul, finde ich, dass man ihr nicht mehr vertrauen kann. Man vertraut doch auch einem Freund, von dem man weiß, dass bei ihm eine Menge faul ist.

Ab und zu ist der Gedanke nicht verkehrt: Was erwarte ich von der Justiz? Bin ich zufrieden mit ihr? Und wenn nicht, woran liegt das? Bin ich vielleicht zu emotional? Hat sie sich vielleicht was dabei gedacht?

Ein Schwarzweißdenken führt zu nichts.

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