Sehen wir uns den Hebräerbrief mal etwas genauer an:
Kapitel 3,12: "Habt acht, ihr Brüder, dass nicht in einem von euch ein böses, ungläubiges Herz sei, dass im Begriff ist, von dem lebendigen Gott abzufallen."
- Dieser Vers liest sich so, als ginge der Unglaube, gegen den man sich nicht mal unbedingt wehren kann (also eine unbewusste Handlung) dem Abfall voraus. Abfall wäre also nicht gleichbedeutend mit Unglaube. Das Adjektiv "böse" lässt auf eine Gott gegenüber feindlich oder zumindest gleichgültig gesinnte Einstellung schließen. Eine böse/gleichgültige Einstellung und Unglaube können also dazu führen, dass man von Gott abfällt. Dass dieser Abfall eine bewusste Handlung zu sein scheint, lässt folgender Vers vermuten:
Hebräer 10,26: "Denn wenn wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, so bleibt für die Sünden kein Opfer mehr übrig,"
- Auch die folgenden Verse in Kapitel 10 lassen auf eine bewusste Entscheidung in böser Absicht schließen.
Hebräer 10,29: ", wieviel schlimmerer Strafe, meint ihr, wird derjenige erachtet werden, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt wurde, für gemein geachtet und den Geist der Gnade geschmäht hat?"
- Wir können in diesem Vers lesen, dass eine solche Person, die die Sünde des Abfalls begeht, den Sohn Gottes verachtend behandelt und sich obendrein mit der Ansicht eins macht, dass der Herr Jesus NICHT der Messias, sondern ein gewöhnlicher Mensch mit "gemeinem" (also gewöhnlichem) Blut gewesen sei, dass keine Sünden sühnen könne. Viel mehr macht sich ein solcher Mensch mit dem Beschluss des Sanhedrins eins, dass der Herr Jesus zurecht gekreuzigt wurde, weil er ein Verführer war.
- Dies geht auch aus dem von dir erwähnten Kapitel 6 hervor: "da sie den Sohn Gottes wiederum kreuzigen und zum Gespött machen."
Fazit: Von was für einer Art Mensch wird im Hebräerbrief also gesprochen?
Es ist ein Mensch, der:
- erleuchtet wurde (Wahrheit des Evangeliums ist ihm verständlich geworden)
- die himmlische Gabe geschmeckt hat (evtl. ist mit dieser Gabe, der Herr Jesus gemeint)
- Heiligen Geistes teilhaftig wurde (er hat also von der überführenden Wirkung des Heiligen Geistes profitiert - teilhaftig heißt aber nicht "versiegelt")
- das gute Wort Gottes geschmeckt hat (er hat Gottes Wort eindrücklich erfahren, also geschmeckt, aber nicht in sein Leben verinnerlicht, also nicht gegessen)
- die Kräfte der zukünftigen Weltzeit geschmeckt hat (er hat also eindrucksvoll von den Wunderwerken der apostolischen Zeit erfahren, die ein Vorgeschmack auf die Kräfte des Tausendjährigen Friedensreiches des Herrn Jesus waren, und als beweiskräftige Zeichen dienen sollten, dass die Apostel, wie auch zuvor schon der Herr Jesus, wirklich von Gott gesandt waren)
Und diese Sorte Mensch, die all diese Erfahrungen gemacht hat, OHNE die geistige Wiedergeburt zu erleben, entschließt sich nun, dem christlichen Glauben abzuschwören, dass Opfer des Herrn Jesus zu verwerfen.
Im damaligen Kontext handelte es sich wohl um einen Juden, der sich aufgrund der gesellschaftlichen Minderstellung und Verfolgung als Christ dazu entschloss, wieder in das orthodoxe Judentum zurückzukehren, und somit, wie bereits erwähnt, dem Beschluss des Sanhedrins zuzustimmen, dass der Herr Jesus NICHT Gott, also auch nicht der Messias sei.
Auch für uns heute gilt, dass, wenn wir solche Erfahrungen machen und uns dann bewusst vom Bekenntnis zum Herrn abwenden, wir wohl als Abgefallene gelten, und nicht mehr zur Buße erneuerbar sind. Die Frage bleibt jedoch offen, ob wir überhaupt "die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters schmecken" können, so wie es die Christen zur apostolischen Zeit konnten. Nichtsdestotrotz sollte es NIEMALS zu einer bewussten Absage an Christi Erlösungswerk kommen.