Kurz zu mir: Ich habe Neurowissenschaften studiert und promoviere derzeit in Kognitionswissenschaft. Ich habe während meiner Studien viel von diesen auch landläufig bekannten Anpassungen des Gehirns mitbekommen. Darunter fällt auch die berühmte Prismenbrille, die du schon erwähnt hast. Es dauert dabei tatsächlich etwas länger als 1-2 Tage, bis sich das Gehirn komplett darauf einstellt und auch um sich wieder auf "normal zu setzen", wenn die Brille abgenommen wird. Das alles ist immer eine Frage der Dauer der veränderten Reize. Google doch mal "Feelspace" an der Uni Osnabrück. Da geht das ganze sogar "mit einem neuen Sinn".
Bezüglich der Dauer der Reize ist es immer eine Sache dessen, was das Gehirn als "normal" gelernt hat. Was wir von Geburt an wissen, ist sehr stark verankert. So zum Beispiel "wo ist oben" (siehe Prismenbrille) oder, dass Schatten Dinge dunkler machen http://www.illusionen.biz/blog/wp-content/uploads/2015/02/Schachbrett_Schatten.jpg).
So ist es auch mit der Geschwindigkeit von Videos. Hier gibt es aber Unterschiede zu betrachten. Zunächst mal hat dein Gehirn eine sehr genaue Vorstellung davon, was normale Sprechgeschwindigkeit ist. Ändert sich diese bei Menschen, die einfach schneller sprechen, oder durch das Hochsetzen der Geschwindigkeit von Videos, fällt deinem Gehirn das sofort auf. Evtl hast du kurz Probleme zu folgen, aber schnell kommst du wieder gut mit.
Wenn du den Spieß dann umdrehst (nämlich nach einiger Zeit - ein paar Minuten reichen schon - das Video wieder auf normal stellst), dann denkt dein Gehirn, dass diese Geschwindigkeit viel zu langsam ist, weil es sich darauf eingestellt hat, schnellere Sprache zu hören. Auch hier kommt es dir aber schnell wieder normal vor (weniger als eine Minute, würde ich sagen - aus eigener Erfahrung).
Zu den langfristigen Effekten: Wer viel Egoshooter spielt, hat nachgewiesenermaßen gutes Training für eine bessere Hand-Augen-Koordination und behält leichter den Überblick über das schnelle Geschehen im Spiel (oder generell dann auch in Videos). Das Gehirn verarbeitet aber die Informationen nicht schneller. Diese Geschwindigkeit ist festgesetzt. Vielmehr filtert das Gehirn besser entsprechend der gestellten Aufgabe. Was ronnyarmin schrieb, ist aber auch nur halb richtig. Bei doppelter Geschwindigkeit halbiert sich nicht notgedrungen die Menge der wahrgenommenen Sinneseindrücke. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, nämlich auch der genannte Filter, Aufgabenstellung, Ablenkungen etc.
Videos auf doppelter Geschwindigkeit zu gucken kann dein Gehirn also nicht schneller machen, sondern nur geübt darin, schnelle Videos zu verstehen. Dass dir die Videos erst zu schnell und beim Zurückstellen dann wieder zu langsam vorkommen ist ein ganz kurzer Effekt, der nicht bestehen bleibt.
Was bringt dir das also? Ganz einfach: Zeitersparnis! Zessons hat den Sinn hier nicht ganz verstanden ;) Wenn man viele Videos schauen möchte und nicht viel Zeit hat, bringt es natürlich was, die Geschwindigkkeit zu erhöhen. Bei 2x kann man dann selbstverständlich in der gleichen Zeit doppelt soviele Videos schauen. Ich selbst mache das übrigens auch, habe mich aber auf 1,5x eingestellt. Bei 2x ist es mir schon häufig passiert, dass der Ton so verhackstückelt wurde, dass ich ein paar Sachen nicht verstanden habe. Mit 1,5x bin ich auch bei schneller sprechenden Youtubern auf der sicheren Seite.
Kurz zusammengefasst: Dein Gehirn gewöhnt sich sehr kurzfristig an die schnelleren Videos, es bleiben aber vermutlich keine langfristigen Effekte (außer, dass du besser schnelle Videos schauen kannst). Schau die Videos ruhig schnell an, dann hast du mehr Zeit für andere Sachen!
Ich hoffe, das hilft dir weiter.