Ich bin lesbisch, seit etwa fünf Jahren in einer festen Beziehung und nur teilweise geoutet; ich denke, es kommt drauf an, in welcher Umgebung man sich bewegt, ob man sich outen sollte oder nicht.
In meiner Familie zum Beispiel wissen es offiziell meine Eltern und ein Großelternpaar, aber ich denke, die anderen merken das auch - nur habe ich mir bisher nie ein Herz fassen können, weil meine unwissenden Großeltern sehr christlich und konservativ sind und ich einfach Angst habe.
Meine Freunde wissen alle Bescheid - wobei ich in der Schulzeit einige Freunde verloren habe, nachdem ich mich geoutet habe. Das waren keine richtigen Freunde, werden jetzt wahrscheinlich alle sagen, aber natürlich tut so etwas trotzdem weh.
Ich habe vor ein paar Jahren ein Freiwilliges Soziales Jahr auf einer Rettungswache gemacht, da habe ich mich zu der Zeit nicht getraut, mich zu outen - ich habe den Kontakt aber gehalten und mittlerweile auch vor den ehemaligen Kollegen mein Coming Out gehabt. Es gab auf der Wache schon Gerede, als ich da war, und eigentlich haben alle es geahnt, aber ich war damals wie gesagt zu feige.
Mittlerweile weiß ich, dass ich bei den Jungs keine Angst hätte haben müssen.
Insgesamt bin ich mittlerweile viel offener geworden und erwähne auch bei neuen Bekanntschaften früher als damals, dass ich eine Freundin und keinen Freund habe - ich warte einen geeigneten Moment ab, weil ich nicht finde, dass man direkt jedes Gespräch mit dem Thema eröffnen muss, aber sobald es irgendwie "kritisch" wird, so dass ich sonst verleugnen müsste, lesbisch zu sein, stehe ich dazu.
Ich würde es aber wie schon erwähnt davon abhängig machen, mit wem ich es zu tun habe; man entwickelt, finde ich, mit der Zeit auch ein Gefühl dafür, welche Leute das wie aufnehmen.
Das Argument, dass es einem egal sein kann, was andere von einem denken, halte ich zum Beispiel für den Arbeitsplatz nicht besonders clever - selbst wenn man wegen seiner Sexualität nicht diskriminiert werden darf, kann es immer Leute geben, die damit irgendwie ein Problem haben und einen deshalb schneiden.
Man muss für sich selbst herausfinden, bei wem es einem wichtig ist, dass er Bescheid weiß. Die Sexualität gehört ja zu einem und macht einen großen Teil aus, und bei Freunden halte ich es für selbstverständlich, sich zu outen.
Auf der Arbeit dann wieder je nach dem.
Es kommt aber auch drauf an - auf der Rettungswache hatte ich irgendwann zum Beispiel das Gefühl, dass ich mich verstecke, und irgendwie hat mich das unter Druck gesetzt; ich wollte den Kollegen eigentlich erzählen, dass ich tatsächlich Mädchen mag, habe mich aber nicht getraut. Ich denke, wenn man das Gefühl hat, sich jemandem öffnen zu wollen, sollte man das tun.
Zum Thema Leute kennenlernen und Beziehungen führen - ich dachte von meiner Freundin immer, sie sei hetero. Sie wusste, dass ich lesbisch bin, aber das Zusammenfinden war schon etwas schwieriger dadurch, wenn auch nicht unmöglich.
In der Öffentlichkeit zeigen wir uns selten als Paar, weil wir hier sehr ländlich leben. Wenn wir in Homobars oder mal weiter weg in eine größere Stadt ausgehen, sind wir da etwas offener, aber sonst halten uns die meisten Leute wahrscheinlich einfach bloß für gute Freundinnen :)