Der Immobilienmarkt reagiert immer mit deutlichem Zeitverzug auf die Änderungen am Finanzierungsmarkt. Die Finanzierungszinsen orientieren traditionell mit den Renditen auf 10-jährige Staatsanleihen. Steigen die Renditen, steigen die Zinsen für Immobiliardarlehen.
Es ist aufgrund der aktuellen Zinslage im Median bei ca. 3,70 - 4,20% p.a. nominal davon auszugehen, dass Immobilienpreise entsprechend nachgeben.
Ich merke in meinem beruflichen Alltag (Ich bin Immobilienmakler) seit Mitte des vergangenen Jahres, dass die Nachfrage ganz massiv nachgibt.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Immobilienpreise in den vergangenen zehn Jahren aufgrund der lockeren Geldpolitik teilweise mehr als verdoppelt haben. Weiterhin muss man anmerken, dass viele der Käufer der vergangenen Jahre überhaupt nur in den Genuss eines Immobilienerwerbs gekommen sind, weil die Zinsen historisch niedrig waren.
Durch die dadurch sehr niedrigen Anforderungen an die Kapitaldienstfähigkeit (trotz der hohen Kaufpreise) konnten sich auch Geringverdiener eine Immobilie leisten.
Wenn man nun berücksichtigt, dass die Banken in der Haushaltsrechnung unter gewöhnlichen Umständen nicht viel mehr als 30% der Gesamtbelastung für die Immobilienfinanzierung einplanen dürfen, wird das Feld der finanzierbaren Kaufinteressenten - selbst bei Besserverdienern sehr dünn.
Beispielrechnung:
Kaufpreis 450.000 EUR; Haushaltsnettoeinkommen 4.500 EUR monatlich; 50.000 EUR Eigenkapital
Kaufnebenkosten (Niedersachsen) ohne Makler 7% = 31.500 EUR
Finanzierungssumme (= Beleihungsauslauf): 431.500 / 97% BLA
Annuität: Zins + Tilgung = 4,00% + 2,00% = 6% = 25.890 EUR / 12 = 2.157,50 EUR
Bei diesem Beispiel entfallen also nur auf die Darlehensrate bereits fast 48% des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen. Eine Bank wird diese Finanzierung - selbst mit sehr guter Bonität also nicht begleiten (können).
Die Immobilienpreise müssen also - sollten die Zinsen längerfristig auf diesem Niveau bleiben - teilweise massiv korrigieren.
Ich habe dazu auf meiner Website auch einen Blogbeitrag geschrieben: https://www.albrecht-ventures.com/2022/12/23/immobilienkauf-bei-steigenden-zinsen-lohnt-sich-das/
ABER: Je nach Region ist die verfügbare Substanz deutlich zu wenig um der nach wie vor starken Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden, es herrscht also Wohnraumknappheit.
Weiterhin können viele Bauträger aufgrund der aktuellen Lage nicht mehr rentabel bauen und gehen in die Insolvenz. Der nach wie vor starken Nachfrage wird also kein neues Angebot entgegengebracht, was die Preise - zumindest in A- und B-Städten und Gemeinden zumindest konstant halten wird.
Mittelfristig ist aber mit einer moderaten Entspannung der Nachfragesituation am Markt zu rechnen, da aufgrund des demographischen Wandels viele der eigengenutzten Immobilien (der vorwiegend Baby-Boomer) aus Altersgründen auf den Markt kommen werden.
Auch werden viele der Immobilienkäufer der vergangenen 5-10 Jahre, die sich die Darlehenszinsen nur auf 10 Jahre festschreiben lassen haben, bei anstehender Refinanzierung zu aktuell gültigen Konditionen ihre Immobilie nicht mehr halten können und diese verkaufen (müssen). Auch das führt zu einem größeren Angebot und einer entspannenden Nachfragekurve.
Fazit: Die Immobilienpreise werden in den A- und B-Städten- und Gemeinden voraussichtlich um 10-20% korrigieren, in weniger gefragten Lagen und auf dem Land vermutlich auch deutlich mehr. Ob es sich also lohnt zu warten hängt mit der Entwicklung der Immobiliardarlehenszinsen zusammen, die genauso in den Sternen steht, wie der allgemeine Kapitalmarkt.