(Nur) ukrainische Flüchtlinge bekommen Bürgergeld - sinnvoll oder Ungleichbehandlung?

Die Union wagte den Vorstoß, die FDP forderte ein baldiges Ende der Bürgergeldzahlung an ukrainische Flüchtlinge. Diese erhalten nämlich aufgrund einer Sonderregelung aus dem Jahr 2022 anders als andere Flüchtende Bürgergeld. Zwischenzeitlich wurde die Forderung abgelehnt - die Community allerdings hat eifrig über die aktuelle Handhabe diskutiert.

gutefrage-Redaktion
24.6.2024
Euroscheine

Deshalb bekommen ukrainische Flüchtlinge Bürgergeld

Anders als andere Geflüchtete, haben ukrainische Flüchtlinge in Deutschland die Möglichkeit, Bürgergeld zu beziehen.

Seit 2022 haben sie einen sogenannten "Sonderstatus". Das bedeutet, dass im Falle eines ukrainischen Flüchtlings ein "Rechtskreiswechsel" vorgenommen werden kann. Das Verfahren ändert sich dadurch - weg vom Asylbewerberleistungsgesetz hin zum Sozialgesetzbuch.

Geflüchtete aus der Ukraine bekommen dadurch einen befristeten Aufenthaltstitel - ohne jegliches Asylverfahren. Begründet wurde dies durch den Massenzustrom, der das enorm aufwändige Asylverfahren und die damit zusammenhängende Bürokratie gesprengt hätte. Es wäre kaum umsetzbar gewesen, eine derart große Anzahl an Anträgen zeitgleich zu bearbeiten.

Doch diese Regelung gefällt nicht allen in der Politik. Der Vorwurf der Ungleichbehandlung wird lauter.

Wiederholte Kritik am Sonderstatus

Brandenburgs Innenminister (Michael Stübgen, CDU) spricht sich deutlich für ein Umdenken aus. Er hält eine Bürgergeldzahlung an ukrainische Flüchtlinge sogar generell für falsch. Als "grundsätzliche[n] Fehler" bezeichnete er die sofortige Auszahlung.
Seine Perspektive belegt er etwa mit der Beschäftigungsquote ukrainischer Geflüchteter, welche seiner Auffassung nach verschwindend gering sei.
Durch die Zahlung des Bürgergelds, so seine Schlussfolgerung, würde die
Arbeitsaufnahme ausgebremst.

Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag und ebenfalls CDU-Mitglied, stimmt der Forderung zu - auch für ihn ist klar: Die Auszahlung des Bürgergelds an ukrainische Flüchtlinge müsse enden.
Er erklärt, in seinen Augen würden die Zahlungen falsche Anreize schicken - besonders, da in Deutschland auch viele
wehrfähige Ukrainer leben, die sich "wegducken" würden.

Ähnlich sieht es auch der CSU-Politiker und bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Er hält es nicht für tragbar, dass Männer, die in der Ukraine der Wehrpflicht unterliegen, in Deutschland Bürgergeld beziehen und fürchtet auch hier mittelfristig gesellschaftliche Konsequenzen - besonders, weil auch hierzulande über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht gesprochen wird.

Schon zuvor hatte sich im Übrigen auch der Deutsche Landkreistag für das Ende des schnellen Bürgergeld-Bezugs ausgesprochen. Das Argument: Es käme durch die derzeitige Regelung zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu Gruppen anderer Geflüchteter.

Bild von der Zerstörung in der Ukraine

Regierung hält an Bürgergeldzahlungen für Ukrainer fest

Noch während die Diskussionen im vollen Gange waren, wurde die Forderung von Seiten der Bundesregierung abgelehnt.

Bereits zuvor hatte sich etwa Martin Rosemann, welcher der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ist, für die Weiterzahlung ausgesprochen. Eine Arbeitsaufnahme würde dadurch, so Rosemann, nicht verhindert werden, überhaupt würde durch die Arbeit des Jobcenters und durch das Bürgergeld erst der Zugang für eine arbeitsmarktpolitische Unterstützung ermöglicht.

Auch die Grünen wiesen die Forderung zurück.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte erst kürzlich die (vorerst) finale Entscheidung - derzeit sei nicht geplant, ukrainischen Flüchtlingen künftig Leistungen für Asylbewerber zukommen zu lassen. Das Weiterbeziehen von Bürgergeld soll möglich bleiben.

Außerdem wurde beschlossen, Ukrainern
bis 2026 einen Schutzstatus zu gewähren - sie müssen also weiterhin kein Asylbewerberverfahren durchlaufen.

Sprechblase und Stift

Ungleichbehandlung oder berechtigter Sonderstatus? Die gutefrage-Community hat diskutiert - eine Tendenz zeichnet sich ab.

In unserer Meinung des Tages haben wir Euch, die gutefrage-Community, nach Eurer Meinung zum Thema gefragt.
Die Umfrage lässt dabei eine relativ deutliche Tendenz erkennen: Die
Mehrheit derjenigen, die abgestimmt haben, sprechen sich für eine Beendigung der Bürgergeldzahlungen an ukrainische Flüchtlinge aus.

Balkendiagramm mit Abstimmungsergebnissen

Nutzer vanOoijen sowie Melanie2347 vertreten die Ansicht, die in der Abstimmung prozentual überwiegt - nämlich, dass Geflüchtete aus der Ukraine nicht weiterhin Bürgergeld beziehen können sollte:

Zuerst sei gesagt, dass diese Forderung gestern abgelehnt wurde. Ukrainische Flüchtlinge werden also Bürgergeld erhalten wie bisher auch.

Warum das so ist war mir jedoch von Beginn an unklar und ich verstehe es auch bis heute nicht.

Der Asylgrund ist klar. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber wieso erhalten Ukrainer nicht dieselben Leistungen wie andere Menschen, die aufgrund Krieg etc. aus einem Nicht-EU-Land nach Deutschland geflohen sind?

Es mag sein dass ich diesbezüglich eine Bildungslücke habe, aber für mich ist Kriegsflüchtling gleich Kriegsflüchtling und somit sollte da keine Zweiklassengesellschaft etabliert werden, sondern es sollten alle Flüchtlinge dieselben finanziellen Leistungen erhalten.

Zur Antwort

Es ist tatsächlich eine Ungleichbehandlung und da fehlt mir die Rechtfertigung. Natürlich muß den Flüchtlingen weiter geholfen werden gerade wenn noch Kinder dabei sind. Aber 2 Klassen Flüchtlinge sollte es nicht geben.

Einen Unterschied zwischen Wehrpflichtgen und nicht Wehrpflichtgen sollte man nicht betreiben. Wäre auch rechtlich gar nicht möglich.

Zur Antwort

Schere110 und HeinzHubert sehen das Ganze anders - für sie steht fest: Die Bürgergeldzahlungen sollen weiterhin möglich sein.

Ich bin der Meinung, die Flüchtlinge aus der Ukraine sollten weiterhin Bürgergeld bekommen, zumal sie ja nicht freiwillig ihr Land verlassen haben sondern nur, weil der Krieg herrscht und sie sich in Sicherheit gebracht haben. Wir sollten nicht vergessen dabei, wie gut es uns hier geht in Frieden.

Zur Antwort
Was denkt Ihr über die Bürgergeldzahlungen an ukrainische Geflüchtete?

Wenn die Menschen in der Ukraine schon Leib und Leben riskieren, um uns in Europa vor russischem Größenwahn und Invasion zu schützen, müssen wir die Flüchtlinge hier unterstützen.

Wie steht Ihr zu dem Argument mit der Wehrpflicht? 

Die Menschen flüchten vor einem Krieg und dessen Unmenschlichkeiten und Grausamkeiten. Das als „Wehrpflichtverweigerung“ abzuwerten, sind Propagandalügen konservativer Medien und Politiker.

Sollte unterschieden werden in wehrpflichtig und nicht-wehrpflichtig? 

Menschen, die vor einem Krieg in ihrem Heimatland flüchten in Deutschland zur Wehrpflicht zu verpflichten, zeugt schon von sehr viel Menschenverachtung.

Denkt Ihr, dass der Bezug von Bürgergeld den Prozess der Jobsuche und auch die Motivation tatsächlich verlangsamt?

Nein, Bürgergeld sichert nur die grundlegenden Bedürfnisse der Bezieher. Urlaub, Kino oder Restaurantbesuch, Auto und weitere Annehmlichkeiten lassen sich davon nicht finanzieren. Das war schon bei Hartz 4 billige Propaganda konservativer Medien und Politiker.

Zur Antwort

neugierig131 hat angegeben, eine andere Meinung zu haben und stellt diese in der folgenden Antwort ausführlich dar:

Ungleichbehandlung geht gar nicht.

Auch nach Grundgesetz nicht!

Und genau das passiert hier.

Vielleicht weil es bürokratisch erstmal so schneller zu lösen ist / war? Schnelle und einfache Lösungen sind meistens nicht die besten.

Das kann zu Unmut führen. Als politischer Entscheidungsträger sollte man sich dieser Konsequenzen bewusst sein.

Vor allem, wenn es keine nur anfängliche Übergangslösung war, sondern als neuer Standard gesetzt wird.

Die Folgen davon sind vermutlich nicht die bessere Lösung. Für Deutschland nicht. Und für niemanden in Deutschland.

Wenn Sinn und Zweck der ganzen Asyl- und Flüchtlingspolitik sein soll, im Land Hass gegen Asylanten und Flüchtlinge zu schüren und dabei offiziell das Willkommensschild hochzuhalten, wäre das äußerst beschämend und entwürdigend (außen "hui" und innen "pfui"). Und nur aus "Wählerfanggründen" so zu entscheiden, wäre noch verwerflicher.

Besser wäre, konsequent jegliche "Schmarotzer des Systems" zu strafen (Deutsche wie Nicht-Deutsche) und Methoden einzubauen, die ein Ausnutzen des sozialen Systems erschweren (Lebensmittelgutscheine statt Bares, strengste Kontrollen und Verwirkung der Leistung bei Missbrauch des Systems usw.).

Dann würden nur noch die, die es wirklich nötig haben, sich diesen "Druck" geben und wären dankbar für die Hilfe, alle anderen würden dann doch lieber schauen, wie sie selbst für sich sorgen, weil ihnen die Restriktionen zu doof wären und "normal arbeiten" dann doch "leichter" ist (oder vielleicht auch woanders leben).

Das bedeutet auch, dass man es den Leuten ermöglichen muss, dass sie irgendwo arbeiten können, auch wenn es zum Beispiel noch sprachliche Barrieren gibt.

Und schon gäbe es weniger Unmut und niemand, der arbeitet und nicht gerade zu den Besserverdienenden gehört, würde sich (wie heute einige) schlechter dastehend oder benachteiligt fühlen gegenüber einem Bürgergeldempfänger oder Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Das ist mein Resümee, das ich aus Erlebtem auf beiden Seiten des Schreibtisches ziehen muss.

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