Woher kamen die Vorfahren der Ungarn (die Magyaren)? Es gibt eine Theorie, die besagt, dass sie aus den mongolischen Grasländern kamen. Gibt es dafür Beweise?

3 Antworten

Meines Wissens nach fielen im 4. Jahrhundert die Hunnen in Europa ein und trieben da allerlei Unfug. "Hunnen" ist dabei eher ein Sammelbegriff für nomadische Reitervölker aus den weiten Steppen Asiens. Teile davon konnten sich in Europa insbesondere unter den Römern im mittleren Donauraum, also um das heutige Ungarn herum, festsetzen und unter Attila dort ein Königreich gründen.

Aus diesen Hunnenstämmen gingen dann die Ungarn hervor, wobei Hunnen, Hungary, Ungarn wohl denselben Wortstamm haben. Mit ihrer bewährten Reitertaktik und ihren Reflexbögen, die man von den Reitervölkern der asiatischen Steppen kennt, fielen die dann später immer wieder in Mittel- und Westeuropa raubend und plündern ein, bis sie 955 bei der Schlöacht auf dem Lechfeld von König Otto, dem späteren Kaiser Otto 1. vernichtend geschlagen wurden und ab da in Ungarn blieben.

Heute weiß man, dass die Sprache der Mansen (Mansi) die am engsten mit dem Ungarischen verwandte Sprache ist. (Nicht die Turksprachen.) Die Mansen leben heute östlich des Uralgebirges, ganz im Westen Sibiriens.

Man nennt dies auch den "Autonomen Kreis der Chanten und Mansen".

Mansen – Wikipedia

6-Ob Ugric-languages - Mansi languages - Wikipedia

Hurem né vituel huligel husz hul pugi. (mansisch)
Három nő a vízből hálóval húsz halat fog. (ungarisch)

Drei Frauen fangen mit einem Netz zwanzig (húsz) Fische aus dem Wasser.

Man kann sich leicht davon überzeugen, dass húsz (= 20) nur in Mansisch und Ungarisch (und Chantisch) vorkommt (in den "Ob-Ugrischen Sprachen"), in der türkischen Sprache ist 20 = yirmi.

Es ist zwar richtig, dass die Hunnen (deren Sprache nicht bekannt ist, meiner Ansicht nach könnte dies eine Turksprache gewesen sein, zumindest mal die Personennamen deuten darauf hin) schon um 400 n.Chr. in der Pannonischen Tiefebene waren, allerdings kamen die Vorfahren der Ungarn deutlich später dort an (kurz vor 800 n.Chr.).

Ungarisch ist keine Turksprache, sondern eine finno-ugrische Sprache, die aber dem Finnischen nicht sehr nahe steht, sondern vor allem den beiden Sprachen Mansisch und Chantisch (siehe oben).

Allerdings hat Ungarisch ein paar turksprachige Lehnwörter.
So ist kék das Wort für "blau" (Finnisch weicht hier ab!), und kék = kök wie in "köksche tau" (blauer Berg) in der kasachischen Sprache.

Ungarisch "halat" (Plural von "Fisch") entspricht dem finnischen "kalat".
Das Wort für "Frau" "" (oder né) entspricht dem finnischen "nai-" in "nainen/naisen/naista" usw. Der Verbstamm tud-/tied- für "wissen" gibt es auch in beiden Sprachen "tudom" (ich weiß) oder eben finnisch "tiedän".

"Kezét csókolom" (küss die Hand, wie in Österreich, nun eben ungarisch), die Hand ist "käsi" im Finnischen (das -t gehört zum ungarischen Akkusativ), auch eine oft genannte Korrespondenz.

Aber wie gesagt: Finnisch ist nicht ganz so nahe dran (linguistisch), viel näher liegt Mansisch - das kann ich aber nicht, ich habe nur ein klein wenig Finnisch gelernt (aber auch nicht "gut").

The Khanty and the Mansi, the Closest Linguistic Relatives of the Hungarians | Hungarian Conservative

Ungarisch ist eine höchst vielschichtige Sprache, es enthält sogar "skythische" Wörter, also solche Wörter, die man z.B. auch bei den Osseten findet. Die Basis (und damit auch die Grammatik) ist aber finno-ugrisch (typisch ist das Agglutinieren, das Ungarisch noch weiter als Finnisch perfektioniert hat).

Also Finno-Ugrisch kann man so teilen
> Finnisch (+ viele andere...)
> Ugrisch > Ob-Ugrisch (Mansi/Khanty) + Ungarisch

Es gab im letzten Jahr (16.12.2022 - 25.06.2023) eine Ausstellung "Reiternomaden in Europa: Hunnen, Awaren, Ungarn" im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale. Das Begleitbuch zur Ausstellung sollte Deine Fragen erschöpfend beantworten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung