Wieso will keiner mehr zur Bundeswehr?

6 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Jetzt muss man erstmal das Gesamtbild zurechtrücken:

  • Die kürzlich erfolgten Meldungen über den Einbruch bei den Bewerberzahlen bezogen sich auf die Meldungen zum Freiwilligen Wehrdienst. Diese sind tatsächlich stark rückläufig. Jedoch erzeugten diese Meldungen - bewusst oder unbewusst einseitig - ein etwas verzerrtes Bild. Denn im Tenor dieser "Katastrophenmeldung" ging unter, dass (in absoluten Zahlen) die Anzahl der Bewerbungen für Soldaten auf Zeit etwa um dieselbe Anzahl gestiegen ist, um die sie beim FWD gefallen ist. Heißt: Es entscheiden sich nun mehr Bewerber direkt für eine langfristige Verpflichtung, anstatt "nur" ein paar Monate FWD abzuleisten. Das ist eher positiv als negativ, denn bei allem Respekt für FWDL - aber diese "Kurzzeit-Soldaten" können kaum zu einer mittel- und langfristigen Stärkung der Bw beitragen. Entscheidend ist vielmehr die Zahl der Zeit- und Berufssoldaten.
  • Die Zahl der Zeit- und Berufssoldaten ist seit Juni 2016 (damals "kleinste Bundeswehr aller Zeiten") von rund 166.000 auf heute knapp über 170.000 gestiegen und steigt weiter - ein Zuwachs von 4.000 Längerdienden in rund 15 Monaten. Das ist eine ganz beachtliche Leistung, wenn man sich überlegt, dass das etwa der Hälfte der gesamten irischen oder neuseeländischen Streitkräfte entspricht.

Dann muss man aber auch klar sagen:

  • Ja, die Bundeswehr hat natürlich mit der eher militärskeptischen Haltung vieler Menschen in Deutschland zu kämpfen. Das kann man nicht verallgemeinern, aber es gibt diese Tendenz, die definitiv wirkmächtiger ist als in vielen anderen Ländern der Welt.
  • Dann ist die wirtschaftliche Situation in Deutschland und insbesondere der Arbeitsmarkt zur Zeit sehr stark. In der zivilen Wirtschaft gibt es in vielen Bereichen deutlich lukrativere Angebote als bei vergleichbaren Berufsfeldern in der Truppe (Bezahlung, Arbeitszeit, Aufstiegschancen etc.). Vor allem technische und IT-Berufe, die die Truppe händeringend sucht, sind nahezu überall gefragt.
  • Die Bundeswehr hat momentan das Problem, dass ausgerechnet in der Zeit, wo sie besonders dringend qualifiziertes Personal braucht, die Talsohle der Materialneubeschaffung und -einführung gerade erst erreicht wurde. Heißt: Noch nie in der Geschichte der Truppe liefen zeitgleich so viele neue und daher (angesichts der Komplexität modernen Militärgeräts kaum verwunderlich) unausgereifte Systeme zu. Dass es deshalb immer wieder zu Meldungen mangelnder Einsatzbereitschaft bzw. geringer verfügbarer Systeme kommt, tut natürlich dem Ruf der Truppe nicht gut. Viel zu wenige haben aber den nötigen tieferen Einblick in die Situation und reden dann wie der Blinde von der Farbe von der "Schrotttruppe" o.ä. Und natürlich wirken solche Effekte auch auf potenzielle Bewerber, die sich davon dann auch abschrecken lassen.
  • Es wird (leider) oft sehr einseitig über die Truppe berichtet - man hat immer wieder den Eindruck, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. So gibt es z.B. so gut wie keine überregionale Berichterstattung über Großmanöver, über Neuaufstellungen bzw. die internationale Zusammenarbeit der Bundeswehr. Hingegen landet jede Negativschlagzeile sofort groß in den Abendnachrichten. Bitte nicht falsch verstehen - natürlich ist das auch gut so, dass solche Dinge nicht verschwiegen werden. Aber wieso sollte z.B. eine Nachricht über ein Marinemanöver unter deutscher Leitung in der Ostsee weniger wert sein als eine über die Entlassung irgendeines Aufsichtsrats oder die Eröffnung einer Kunstausstellung? Die meisten größeren Nachrichtenmagazine haben da jedoch eine sehr klare Prioritätensetzung.
  • Die Bundeswehr ist in den letzten 20 bis 25 Jahren von allen Bundesregierungen mehr oder weniger bewusst kaputtgespart worden - sie war die "Melkkuh" des Bundeshaushalts. Diese Fehler auszugleichen wird noch Jahre dauern - ihre Folgen zeigen sich in der heutigen, wenig bewerbermotivierenden Gesamtsituation in vielen Bereichen.

wiki01  03.12.2017, 07:37

Tolle Antwort. Trage ich vollumfassend mit. Leider habe ich nicht den Eindruck, dass der Fragesteller deine Antwort in Gänze durchlesen wird. 

2
navynavy  03.12.2017, 09:05
@wiki01

Danke für die Blumen!

Das muss er auch nicht. Die Antwort steht da, und mir ist es lieber, es lesen sie 20 andere Nutzer als 1 Fragesteller😉

2
Night123321 
Beitragsersteller
 04.12.2017, 21:32
@navynavy

Also natürlich lese ich mir alle Antworten durch!  Und wie kommt ihr überhaupt darauf dies wäre nicht so?

1
navynavy  04.12.2017, 21:39
@Night123321

Zunächst mal: Danke für den Stern! :-)

Das war eine plausible Vermutung aus einer gewissen Erfahrung hier auf GF heraus - häufig legen Fragesteller keinen Wert auf ausführliche, abwägende und fundierte Antworten, sondern wollen entweder kurz und knackig ihre Sichtweise bestätigt haben oder es fehlt ihnen schlicht an der Lust, längere Texte durchzulesen.

Umso schöner, dass du offenbar hier eine Ausnahme bist ;-)

0

Och das unsinnige Lied von Patriotismus....

wenn das Wort nur durch solch einen Unsinn und durch Leute ( angeblich ) definiert wird die es sich auf die Stirn schreiben und meinen sie definieren es mit Fremdenfeindlichkeit und nationalistischem Müll........ dann sollte man sich für das Wort schämen 

Otto-Normalbürger ist i.d.r mehr ,,Patriot ´´ als genannte Hansel........

warum seine Zeit, schlecht bezahlt, im Dreck und Unsinn wie Militär verschleudern, wenn man auch währenddessen seinen Berufsweg starten oder ausbauen kann

1. Die Bundeswehr geht bei Zeitsoldaten schon von Bewerbmangel aus wenn sich nicht mindestens 20 Bewerber auf eine Stelle melden.

2. Wegen der gefährlichen Auslandseinsätze möchten viele kein Zeitsoldat werden.

3. Es gibt viele Bewerber für Stellen bei Luftwaffe od Marine ,jedoch nicht für Panzergrenadiere,  hieß ja schon zu Wehrpflicht Zeiten , "er ist kein Mensch er ist kein Tier er ist ein Panzergrenadier".

4. Freiwillige Wehrpflicht 9 bis 23 Monate, ist schlecht bezahlt und man verliert Zeit für Ausbildung / Studium daher bewerben sich viele Interessenten eher als Zeitsoldat 2 bis 17 Jahre , hier gibt es teutlichen Berwerberübschuss,  nur wer als Zeitsoldat abgelehnt wird ,wird wohl kaum freiwillig Wehrdienst leisten .

Von folgenden Meldungen hast du wohl nicht gehört:

Und zwar wurde bekannt dass viele der dortigen Frauen in der Bundeswehr sexuell belästigt werden oder sexuell misshandelt werden.

Meine Behauptung: Millennials bzw. Generation Y