Wie kann man den Satz von Aristoteles interpretieren?

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In der Fragebeschreibung steht nicht ein einziger Satz des Aristoteles, sondern dort stehen drei Aussagen. Von diesen folgen nur die ersten beiden kurz hintereinander, die dritte steht in einem anderen Werk.

Die Aussagen sind philosophische Anthropologie. Die beiden ersten geben grundlegende Bestimmungen, was für ein Wesen der Mensch ist.

Aristoteles, Politika (Politik) 1, 2 1253a: ὁ ἄνθρωπος φύσει πολιτικὸν ζῷον

Der Mensch ist seinem Wesen/seiner Natur nach ein auf eine Gemeinschaft ausgerichtets Lebewesen.

Die Aussage kann biologisch gedeutet werden (natürliche Beschaffenheit eines Lebewesens/Tieres) und als Hinweis auf einen Sozialtrieb (der Mensch als „Herdentier“) verstanden werden. Vorzuziehen ist aber meiner Meinung nach im Zusammenhang der Gedanken bei Aristoteles insgesamt eine weitergehende Deutung (die den erwähnten Gesichtspunkt nicht ausschließt). Der Mensch hat eine Anlage zum Zusammenleben (vgl. dazu auch Aristoteles, Nikomachische Ethik 9, 9 1161 b mit einer Begründung, warum zum vollen Glück Freunde erforderlich sind) und ist seinem Wesen nach gemeinschaftsbezogen (lateinisch wird der Ausdruck bei Aristoteles kurz mit „animal sociale“ oder „ens sociale“ wiedergegeben). Dies bedeutet nicht nur einfach die Eigenschaft als staatenbildendes Lebewesen. Erst im Zusammenleben mit anderen Menschen in einer politischen Gemeinschaft kann ein Mensch seine Möglichkeiten voll entfalten. Die politische Gemeinschaft bietet Chancen für das Daseinsziel Glück (ein gutes, gelingendes Leben).

Aristoteles, Politika (Politik) 1, 2 1253a: λόγον δὲ μόνον ἄνθρωπος ἔχει τῶν ζῴων

Von den Lebewesen hat nur der Mensch Logos.

Der Form der ersten Aussage entsprechend ergibt sich als Wesensaussage zum Menschen: ζῷον λόγον ἔχον

Das griechische Wort Logos hat viele Bedeutungen. Im Textzusammenhang kommen Bedeutungen wie Sprache, Rede, Gedanke, Verstand und Vernunft in Frage. Gesucht wird etwas, das nach Meinung des Aristoteles ausschließlich beim Menschen vorhanden ist, nicht bei anderen Lebewesen.

„Der Mensch ist ein Lebewesen, das Sprache hat“ kann als Wiedergabe verwendet werden, wenn Sprache einen Sinn hat, der nach Auffassung des Aristoteles über Kommunikation unter Tieren (Tiersprache) hinausgeht. Bei Sprache könnte an vernünftige Rede gedacht werden oder weitergehend Logos als Vernunft verstanden werden. Der Ausdruck bei Aristoteles ist lateinisch später in die Kurzform „aninal rationale“ oder „ens rationale“ gebracht worden (vernunftbegabtes Lebewesen). Auch ein zusammenfassendes „sprach- und vernunftbegabtes Lebewesen“ ist möglich.

Aristoteles „Über die Seele“ (altgriechisch: Περί ψυχή; lateinisch: De anima) 3, 8, 431 b: ἡ ψυχή τὰ ὄντα πώς ἐστι πάντα• ἤ γὰρ αἰσθητά τὰ ὄντα ἤ νοητά, ἔστι δ’ ἡ ἐπιστήμη μὲν τὰ ἐπιστητά πως, ἡ δ’ αἴσθησις τὰ αἰσθητά•

„Die Seele ist gewissermaßen alles Seiende. Denn das Seiende ist entweder Wahrnehmbares oder Denkbares, die Erkenntnis aber ist gewissermaßen das Erkennbare, die Wahrnehmung das Wahrnehmbare.“

Die Seele hat nach Aristoteles verschiedene Seelenvermögen (Fähigkeiten). Der Geist (νοῦς) ist in der Seele. Die Wirklichkeit besteht aus Dingen der Sinneswahrnehmung und Dingen der (begrifflichen) Erkenntnis. Menschen erfassen mit den Erkenntnisvermögen die Dinge. Durch dieses Erfassen sind die Dinge gewissermaßen in der Seele (z. B. als Wahrnehnungs- und Vorstellungsbilder, als Gedanken, Ideen, Begriffe, Denkformen). Insofern sind der Möglichkeit nach alle seienden Dinge in der Seele. Der Ausdruck „gewissermaßen“ ist eine Einschränkung (nicht genau bzw. nicht in jeder Hinsicht in vollem Sinn). Die Dinge selbst sind ja nicht materiell tasächlich in der Seele und das Erkennbare nur als Gedankeninhalt.


jamblich  17.10.2010, 01:03

eine sehr gute Antwort! Wichtig insbesondere der philologische Punkt, dass Sprache und Sozialität als anthropologische Merkmale in der Aristotelischen Politik genannt werden, während der Satz über die Seele in der Psychologie vorkommt. Die Psychologie gehört für Aristoteles in die Nähe der Biologie und nicht in die Nähe der Ethik und Politik, wie man heute vielleicht denken würde. Dieser Punkt ist sehr folgenreich z.B. im Vergleich zu Descartes, der zwischen Psychologie und Physik einen Schnitt macht, der so bei Aristoteles nicht vorkommt. Überhaupt ist zu beachten, dass diese 3 berühmten Sätze sehr stark kommentiert worden sind und dadurch Konnotationen gewonnen haben, die ursprünglich nicht vorhanden waren. Es ist zweifelhaft, ob man dem eigentlich gemeinten Sinn der Sätze überhaupt noch nahekommen kann.

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Aristoteles lobt die Seele hoch. Die Seele ist für ihn gewissermaßen der "Speicherort" von allem, was den Menschen ausmacht. Sprache dient zur Vermittlung von Nachrichten also zu Kommunikation. Nur durch Kommunikation können Dinge verändert werden, weil die Probleme zuerst angesprochen werden müssen..

Die Seele ist das, was ein politisches als auch sprachlich begabtes Lebewesen in einem Koerper vereint.